Feb
16
2010
3

IKEA – Lebst du noch oder brennst du schon?

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© jkleske, stock.xchng

Heute will ich mich gleich wieder dem Thema Konzernkritik widmen. Grundsätzlich gibt es ja bei der Beschäftigung mit den dunklen Seiten großer Unternehmen zwei Komponenten: zum einen eine grundsätzliche, die darin bergündet liegt, dass Firmen in diesem System nur groß und einflussreich werden können, wenn sie die Spielregeln der Globalisierung ausnutzen, Einkommensunterschiede ausnutzen, Arbeitnehmer gegeneinander ausspielen, Kosten drücken, Lieferanten unter Druck setzen, Konkurrenten vom Markt verdrängen, um ihre eigene Marktmacht auszubauen und somit einen weltweit genormten, uniformen Konsumgeschmack durchzusetzen. Diesen Teil, den grundsätzlichen, erwähne ich in meinem Blog natürlich auch immer wieder, allerdings nicht explizit bei jedem einzelnen Unternehmen, um das es hier geht, weil besagte Spielregeln eben letztlich quasi für alle Großfirmen gelten (vielleicht mag es auch Ausnahmen geben, das vermag ich nicht zu beurteilen, bezweifle es aber). Jeder, der größeren wie kleineren Konzernen sein Geld überlässt, unterstützt diese Sachen sowieso, das ist der Lauf des Kapitalismus (schon allein deswegen ist es ein Gebot der Stunde, möglichst wenig zu konsumieren). Die zweite Komponente der Konzernkritik geht dann eher auf die spezifischen Verfehlungen und Schwächen der Firmenpolitik ein – denn nicht jedes Unternehmen setzt seine Ellenbogen gleich schamlos ein und nicht jedes richet gleich viel Schaden an.

Langer Rede, kurzer Sinn – auch zu IKEA, dem landauf, landab so beliebten Möbelhaus, gibt es das eine oder andere kritische zu vermerken. Als Unternehmen dieser Größe, das oft preiswerte Waren in den Markt drückt, hat IKEA natürlich eine Mitverantwortung für die Ressorcenvergeudung, die unsere Ex-und-hopp-Gesellschaft „auszeichnet“. Möbel. die einen Umzug nicht überleben, sondern nach kurzer Zeit neu gekauft werden müssen, sind sicherlich kein Beitrag zu Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Aber auch gerade in ihrer zuweiligen billigen Aktionsware stecken Ausbeutung und Umweltzerstörung, das sollte jedem bewusst sein, der sich einmal kurz darüber Gedanken macht, wieso wohl ein Teppich für wenige Euro angeboten werden kann. Hier unterscheiden sich die grundlegenden Mechanismen letztlich nicht von denen der Discounter. Das Greenpeace Magazin schreibt nun aktuell in „Palmöl – wann geht IKEA ein Licht auf?“ über die allseits so beliebten, spottbilligen Teelichter und auch über das Herumeiern des Unternehmens, wenn es um ökologisch verträglicheren Holzanbau geht:

Das Einrichtungshaus Ikea hatte ambitionierte Ziele in Sachen ökologisch nachhaltiger Holzproduktion. Bis Ende 2009 sollten 30 Prozent des verwendeten Holzes bei Ikea aus ökologischer Forstwirtschaft mit dem FSC-Siegel stammen. Dieses Ziel wurde weit verfehlt. Nun wurde bekannt, dass ein Großteil der Kerzen und Teelichter des Möbelriesen aus Palmöl hergestellt wird, für das riesige Urwaldflächen gerodet werden. (…)

(…) Und selbst diejenigen Holzprodukte des Konzerns, die aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammen, tragen kein Siegel. Schon vor zwei Jahren gab Ikea zu: „Ein FSC-Logo oder auch andere Label gibt es an keinem Ikea-Produkt“. Dies bestätigen auch die letzten Holzrecherchen von Greenpeace. Dem Ikea-Kunden wird es so unmöglich gemacht, sich bewusst für oder gegen ökologische Holzprodukte  zu entscheiden. (…)

Wer gegen diesen Unsinn, Urwald für billige Teelichter (die in der Regel ja kaum zur Hälfte ausbrennen und dann weggeschmissen werden) protestieren will, der kann über die Website des Rettet den Regenwald e.V. eine vorbereitete Protestmail an das Unternehmen schicken. Und natürlich am besten den Kram nicht mehr kaufen.

ikea1(…) Mit seiner Marktposition hat IKEA die Möglichkeit, ein wichtiges Zeichen gegen die Verwendung von Palmöl zu setzen. Es gibt keinen Grund, am Palmöl festzuhalten. Doch bislang scheint in dem Unternehmen kein tieferes Problembewusstsein zu existieren. Dem Wissen, welche Folgen die Verwendung von Palmöl für die Anbaugebiete hat, lässt IKEA bislang keine Taten folgen.

Fordern Sie IKEA mit Ihrer Unterschrift auf, Kerzen aus Palmöl aus dem Angebot zu nehmen. Rettet den Regenwald übergibt das Schreiben mit allen Unterzeichnern am Ende der Aktion an IKEA Deutschland.

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Jan
14
2010
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Asbest-Prozess in Italien – Über Umweltrecht und Umweltunrecht

Aus akutem Zeitmangel – und vor allem weil ich den Artikel sehr interessant finde – möchte ich Euch heute kurz diese Pressemitteilung des BUND Freiburg ans Herz legen:

——–

In Italien begann vor wenigen Wochen einer der europaweit größten und wichtigsten Umweltprozesse. Zwei Manager des Asbest-Unternehmens Eternit stehen seit Dezember 2009 in Turin vor Gericht. 2056 asbestbedingte Todesfälle und 833 registrierte Krankheitsfälle allein in Italien sind Hintergrund des Verfahrens gegen den Schweizer Milliardär Stephan Schmidheiny und seinen belgischen Kollegen Jean-Louis de Cartier. Die Turiner Staatsanwaltschaft wirft den beiden Angeklagten vor, zwischen 1966 und 1986 Sicherheitsvorkehrungen im Umgang mit dem krebserregenden Stoff Asbest vernachlässigt zu haben. Sie sind mitverantwortlich für Leid, Tod und Krankheit in den italienischen Eternit-Fabriken und in deren Umgebung.

Ein gerechtes Urteil mit einer abschreckenden Wirkung in diesem Asbest-Prozess wäre wichtig und wünschenswert, aber die europäische Umweltbewegung schaut illusionslos auf dieses wichtige Verfahren.

In der Vergangenheit konnten sich in fast allen großen Umweltprozessen (Bhopal, Seveso, Bayer-Holzschutzgiftprozess, Contergan…) die großen Konzerne und die Verursacher von Leid, Tod und Krankheit mit teuren Anwälten und teilweise lächerlichen Entschädigungszahlungen fast ungestraft aus der Affäre ziehen. Einzelne, gelegentliche Fehlurteile können und müssen in demokratischen Rechtssystemen akzeptiert werden. Doch ein Rückblick auf die wirklich großen Umweltstrafverfahren zeigt eine nicht akzeptable, erschreckende Tendenz zu einseitigen und tendenziösen Urteilen.

BUND-Geschäftsführer Axel Mayer hat einige dieser Urteile zusammengetragen:

  • Der Contergan-Skandal (aufgedeckt 1961–1962) war der bisher größte Arzneimittelskandal in Deutschland. Durch die schädlichen Nebenwirkungen des Beruhigungsmedikaments Contergan war es zu Schädigungen von bis zu 10.000 Ungeborenen gekommen. Obwohl der Stolberger Herstellerfirma schon 1961 1600 Warnungen über beobachtete Fehlbildungen an Neugeborenen vorlagen, wurde Contergan weiterhin vertrieben.
    Am 18. Dezember 1970 wurde das Strafverfahren wegen geringfügiger Schuld der Angeklagten und mangelnden öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung nach § 153 StPO eingestellt. Die Eltern der Geschädigten waren durch eine “geschickte” Prozessführung gezwungen, mit der Firma Grünenthal einen Vergleich abzuschließen und verzichteten auf Schadensersatzansprüche in Milliardenhöhe gegen einen lächerlichen Entschädigungsbetrag von 100 Millionen Deutsche Mark. Quelle: Wikipedia
  • Am 10. Juli 1976 gab es in der Nähe des italienischen Ortes Seveso einen schweren Chemieunfall. Die Firma Icmesa war ein Tochterunternehmen von Givaudan, das wiederum eine Tochter des Schweizer Großkonzerns Roche war. Ein bis drei Kilogramm Dioxin gelangten damals in die Umwelt – ein Gift, das tausendmal giftiger ist als Zyankali. Tausende von Tieren starben sofort. Viele Menschen erkrankten.
    Am 24. September 1983 verurteilte ein Gericht in Monza fünf Mitarbeiter in erster Instanz zu Freiheitsstrafen von zweieinhalb bis zu fünf Jahren. Alle Verurteilten gingen in Berufung. Das Gericht entschied statt auf Vorsatz auf Fahrlässigkeit und setzte die Strafen des Produktionsleiters Jörg Sambeth, der damals für seine Firma schwieg, und der Schweizer und italienischen Angeklagten zur Bewährung aus. Laut Sambeth waren Schmiergelder und verdeckte Beziehungen im Spiel. Quelle: Wikipedia
  • Im indischen Bhopal wurde der schlimmste Chemieunfall der Geschichte mit tausenden von Toten nicht geahndet. Der verantwortliche Vorstandsvorsitzende von Union Carbide (heute Dow Chemical) kam gegen eine Kaution von 2.000 Dollar frei und entzog sich einer möglichen Bestrafung durch Flucht in die USA.
  • Die massive Verunreinigung des Grundwassers am Oberrhein (Teilweise finden sich über 50 Gramm (!) Salz in einem Liter Grundwasser, denn über eine Million Tonnen Salz sind versickert) wurde trotz Anzeigen durch den BUND nie geahndet. Alle teuren und aufwändigen Grundwasseruntersuchungen die heute noch wegen der Umweltvergehen der „Kali und Salz AG“ und der “Mines de Potasse d’Alsace” durchgeführt werden, müssen von den europäischen SteuerzahlerInnen mit INTERREG-Geldern bezahlt werden und nicht etwa von den einflussreichen Verursachern. Quelle: BUND

Weitere, insbesondere auch regionale Beispiele finden Sie hier
http://vorort.bund.net/suedlicher-oberrhein/umwelt-recht-urteile-umweltrecht.html

Ob das aktuelle Asbest-Verfahren in Turin ein gerechtes Urteil bringt, werden wir eventuell Ende 2010 erfahren. Ein gerechtes Urteil mit einer abschreckenden Wirkung in diesem Asbest-Prozess wäre wichtig, wünschenswert und sollte endlich auch in Deutschland zu vergleichbaren Verfahren gegen die Asbestindustrie führen, denn auch in Deutschland sterben jährlich noch tausende von Menschen an Asbestose, weil notwendige Asbestverbote lange behindert und verschleppt wurden. Laurent Vogel von der European Trade Union Confederation, dem Verband der Europäischen Gewerkschaften sagte im Deutschlandfunk: “Asbest ist weltweit der wichtigste Killer in der Arbeitswelt. An den Fasern sterben nach Schätzungen der Internationalen Arbeiterorganisation jährlich 100.000 Menschen”.

Eine Fortsetzung der bisherigen Serie von Skandalurteilen ist nicht akzeptabel, aber leider zu erwarten. Dies würde den Glauben an gerechte, funktionierende und unabhängige Rechtssysteme in unseren Demokratien nicht unbedingt stärken.

Axel Mayer, BUND-Geschäftsführer

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Nov
01
2009
4

Der K(r)ampf ums Wasser, Teil 1: Umweltbelastung durch Discounter-Einweg

Meiner langen Liste der Discounter-Sünden und -Nachteile möchte/muss ich heute einen weiteren Punkt hinzufügen, der mir selbst bislang auch noch gar nicht so bewusst war – aber tatsächlich fördert gerade der „Erfolg“ der Discounterketten die Entwicklung hin zu Einwegflaschen, insbesondere beim Wasser. Und da Einweg ökologisch ein ziemlicher Schmarrn im Vergleich zum Mehrwegsystem ist, helfen die Billigheimer also auch hier tatkräftig mit, durch ihr Geschäftsmodell den Lebensraum der Menschen weiter zu zerstören. Genau darum ging es in der letzten NDR-markt-Sendung – „Einweg-Pfand: Schlechtes Geschäft für die Umwelt” zeigt gut auf, welche Aspekte (auch politische) hier alles mit hineinspielen:

(…) Das sei eine Katastrophe, meint die Deutsche Umwelthilfe. Sie hält die Tatsache, dass sich Mehrweg gerade im Wasserbereich im freien Fall befände, für ein ökologisches Desaster. Das Problem: Mineralwasser in Einwegflaschen ist bei Kunden beliebt. Denn zum einen sind die Flaschen aus dünnem Plastik deutlich leichter als die aus Glas und zum anderen wird gerade Wasser in Einwegflaschen seit der Einführung der Pfandpflicht besonders billig feilgeboten. Im Mineralwasser-Segment fechten die großen Discounter besonders hart ihren Preiskampf aus. Bei Lidl, Aldi, Norma, Netto und Penny etwa kostet der Liter Wasser in der Flasche nur noch 13 Cent und damit knapp die Hälfte des Pfandbetrags für die Flasche (zur Erinnerung: 25 Cent). Clemens Stroetmann von der Stiftung Initiative Mehrweg und ehemaliger Staatssekretär im Bundesumweltministerium sieht darin reine Lockangebote und vermutet, dass diese Preise sogar unter den Herstellungskosten liegen. (…)

Gas in Flaschen – Betrug am Verbraucher
Aber auch die Hersteller teurer Markenwasser setzen auf Einwegflaschen. Die Abfüller wenden sogar Tricks an, um ihre Einwegflaschen als Mehrwegverpackung zu tarnen. Beispielsweise pumpen sie Gas in die Flaschen, damit diese bis zum Öffnen fest wie die Mehrwegflaschen aus dickerem Plastik sind. Einige versehen ihre Flaschen bewusst nicht mit dem Einweglogo, geschweige denn dem Wort “Einwegflasche”. “So verschweigt man, dass es Einweg ist”, erklärt Clemens Stroetmann. Seine Einschätzung: “Im Grunde genommen ist das kriminelle Energie und Betrug am Verbraucher”.

Für die Discounter zählt anscheinend nur das Geschäft, nicht der Umweltschutz. Die Genossenschaft Deutscher Brunnen schätzt: Die großen Discountmärkte erwirtschaften mit Einwegflaschen Mehrerlöse von bis zu 400 Millionen Euro im Jahr. Möglich ist das unter anderem durch “Pfandschlupf” (nicht oder anderswo zurückgebrachte Flaschen) sowie durch den günstigeren Anschaffungspreis für Einwegflaschen. Außerdem ersparen sie sich ein aufwändiges Mehrweg-Kreislaufsystem mit entsprechender Transportlogistik und Reinigungsanlagen.

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