Schlagwort: Öffentliche Räume

Einkaufszentren und Lobbyismus

Das Thema Shoppingmalls, die sich ausbreiten, öffentliche Räume besetzen und ersetzen und den etablierten Einzelhandel verdrängen, hatte ich ja schon einige Male hier im Blog. Von daher sind die Erkenntnisse, die der Plusminus-Beitrag „Beleben überdachte Center die Innenstädte?“ vermittelt, so neu nicht – außer, dass ein Hauch von Korruption und Lobbyismus in der Luft liegt und sich eine weitere bdrohliche Marktmachtkonzentration in Deutschland anbahnt, diesmal im Einzelhandel:

Glitzernde Konsumwelt – hell, freundlich, einladend. Einkaufszentren liegen im Trend und die Kunden strömen. Doch hinter den strahlenden Fassaden steckt ein knallhartes Geschäft. Es geht um jede Menge Geld. Um Einfluss. Um einen eiskalten Konkurrenzkampf gegen die traditionellen Einkaufsstraßen.

Welche Folgen das vielerorts hat, zeigt das Beispiel Wetzlar in Hessen.Mitten in der Stadt hat 2005 der riesige Shoppingtempel “Forum Wetzlar” eröffnet. Die Hoffnung damals: Dass die schwächelnde Innenstadt belebt wird. Doch davon ist heute nichts zu sehen. Die ehemaligen Einkaufsmeilen: Nicht belebt, sondern erst recht herunter gekommen.

(…) Betreiber der meisten Einkaufszentren ist die Hamburger Firma ECE, Teil des Otto-Imperiums. Sie ist der europaweite Marktführer – baut einen Konsumtempel nach dem anderen. Ein Milliardengeschäft.

ECE ist auch an den Umsätzen der Center beteiligt. Welches Interesse sollte das Unternehmen also daran haben, die Innenstädte zu stärken? Schließlich bedeutet jeder Euro, der draußen ausgegeben wird, weniger Geld für ECE.

Doch das Unternehmen verkauft sich trotzdem gern als Retter der Innenstadt. Schreibt uns:

“Wir freuen uns, dass in den allermeisten Fällen Bürger, Stadtverwaltungen, Gutachter und Medien unseren Einkaufsgalerien bestätigen, dass sie die jeweilige Innenstadt gestärkt haben.”

Innenstädte stärken. Dass ECE eigentlich ein anderes Ziel verfolgt, sieht man allein schon am Bau vieler Center. Das Unternehmen plant sie bewusst so, dass die Kunden lange bleiben, nur noch hier einkaufen. Ein riesiges Sortiment, Gastronomie, die beliebten, großen Ketten – wer einmal drin ist, wird geschickt zu einem Rundlauf animiert. (…)

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England, England

Ich weiß nicht, ob Ihr den Roman „England, England“ von Julian Barnes kennt? In diesem postmodernen Buch wird geschildert, wie in einem Teil von England eine Art zweites, kleines, künstliches England nachgebaut wird – ein England, das viel schöner, besser, „echter“ ist als das reale. In dem Mythen und Klischees zum Leben erweckt werden, wo Schauspieler klassische Figuren, Handwerker etc. darstellen (rund um die Uhr). Nach anfänglichen Problemen wird dieser „Themenpark“ zu einem großen Erfolg, und immer mehr Menschen ziehen vom realen England in die gelackte Kopie, so dass das „eigentliche“ England langsam verkommt und die idealisierte Fassung sich immer weiter ausbreitet. Dies kann man sehr schön auch als Metapher für vieles nehmen, was derzeit in unserem System passiert – das Verschwinden öffentlicher Räume in den Innenstädten, dafür das Ausbreiten der Einkaufszentren und Outlet-Center mit ihrem künstlichen, gelackten Pseudo-Stadt-Flair. Nun wird auch in Bayern ein Projekt in die Tat umgesetzt, das mich fatal an Barnes Fiktion erinnert. Merke: keine Idee ist zu blöd und absurd, als dass sie nicht doch jemanden findet, der sie realsieren will! „Neue Heimat: Streit um nachgebautes Allgäudorf“:

Bei Füssen, mitten im Allgäu, planen Investoren mit Unterstützung des Bürgermeister ein “echtes” Allgäuer Dorf – mit angeblich typischen Häusern, Marktplatz und traditionellen Handwerkern. Die Bauherren sehen darin eine “authentische Präsentationsfläche” für die Region. Aber viele Allgäuer fragen sich: Ist das echte Allgäu nicht mehr authentisch genug? Und wer steckt eigentlich genau hinter den Plänen?

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