Dez
01
2011
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Surftipp: Destructables – Anleitungen zum Widerspruch

Vielleicht erinnert sich ja noch der eine oder andere Leser meines Blogs an meinen Surftipp Centennial Society, in dem ich das umfassende Adbusting/Culture Jamming-Websiteprojekt von Packard Jennings vorstellte. Nun hat Jennings eine neue Seite am Start, die sich mit der gleichen Thematik befasst, also kreativem Widerstand gegen herrschendes Unrecht, passende Antworten auf Reklame- und Marketingzumutungen uvm. Es nennt sich Destructables und ist eine „Do-It-Yourself-Website für Projekte des Protests und kreativen Widerspruchs“ – und passt somit natürlich perfekt in den Konsumpf. Folgendes schreibt der Autor über sein neues Webprojekt (ich übersetze den Text mal eben aus dem Englischen):

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Sep
08
2010
1

Billboard Liberation Front Manifest

Die Billboard Liberation Front gehört mit zu den „Urvätern“ des Adbusting und kämpft bereits seit zwei Jahrzehnten in den USA gegen das Überhandnehmen von Reklame und Kommerzbotschaften im öffentlichen Raum, primär gegen Plakatwände. Dabei nimmt sie sich das Recht heraus, auf die sonst nur einseitig funktionierenden Werbebotschaften der Konzerne zu antworten und die Wahrheiten hinter den schillernden Marketingfassaden bloß zu legen. Auf ihrer Website, die so angelegt ist, als wäre sie eine Marketingfirma und würde für Firmen „Werbeverbesserungen“ anbieten, zählt sie McDonald’s oder Phillip Morris zu ihren „Kunden“, für die sie entsprechend tätig war. Zum Beispiel dies hier (Vorher/Nachher-Bilder):

Interessant finde ich dabei auch ihr „Manifest“, in dem sie (in zum Teil sehr sarkastischer Art und Weise) Stellung beziehen zum Kommerzwahn unserer Zeit. Ich übersetze es hier mal eben:

————

Das BLF Manifest

Am Anfang war die Werbung. Und die Werbung wurde dem Konsumenten durch den Werbetreibenden gebracht. Wünsche, Selbstbild, Ambitionen, Hoffnung; all dies findet ihren Ursprung in der Werbung. Durch die Werbung und die Absichten der Anbieter formen wir unsere Ideen und lernen die Mythen, die uns zu dem machen, was wir als Menschen sind. Dass diese Methode alle früheren Formen von Selbst-Definition ersetzt hat, steht außer Frage. Es ist klar, dass die Werbung heutzutage die angesehenste Position in unserer Kosmologie inne hat.

  • Werbung überzieht alle Ecken unseres Wachlebens; es durchdringt unser Bewusstsein dermaßen, dass sogar unsere Träume oft ununterscheidbar von einer schnellen Abfolge von TV-Werbespots sind.
  • Verschiedene Arten von Medien dienen der Reklame als primäre Kanäle zu den Menschen. Komplett neue Medien wurden erfunden, nur um den Prozess der Vermittlung von Werbung zu erleichtern.
  • Altmodische Auffassungen, dass Kunst, Wissenschaft und Spiritualität die höchsten Errungenschaften und die edelsten Ziele des menschlichen Geistes seien wurden an den kristallinen Stränden des Aufkaufs/der Übernahme ausgemerzt; der heiligen Jagd nach Konsumgütern. Alle alten Formen und Philosophien wurden clever vereinnahmt und zurückgegeben in Form von Marketingstrategien und Konsumentenkampagnen durch die neuen Schamanen, die Werbeschaffenden.
  • Spiritualität, Literatur und die phyisikalischen Künste Malerei, Skulptur, Musik und Tanz werden im Großen und Ganzen in der gleichen Art produziert, verpackt und konsumiert wie ein neues Auto. Produktinhalte, diktiert durch Trends und Hipness, haben eine eingebaute Halbwertszeit, die dem Produzentenkalender entspricht, um durch neue Modelle ersetzt zu werden.
  • Product Placement in Film und Fernsehen haben die Handlung, die Entwicklung der Charaktere und andere veraltete Strategien in punkto Bedeutung in der Tagesordnung der Filmemacher ersetzt. Die Regisseure, die die größten Budgets unter sich haben, haben ihre Erfahrungen häufig im Bereich von TV-Reklame und Musikvideos gemacht.
  • Künstler werden danach beurteilt und belohnt, wie ihre Position in der fortwährenden Kommodifizierung von Kunstobjekten aussieht. Sich vor Moden und den Launen der Galeriekultur verneigend, versuchen diese Künstler verspielte Sammlerstücke oder „Jahrgangs“-Objekte zu schaffen, die erfolgreich den Sammlermarkt bedienen. Die erfolgreichsten Künstler sind jene, die ihre Kunst am erfolgreichsten verkaufen können. Mit zunehmender Häufigkeit lernen sie von den Werbeschaffenden; sie brauchen nicht länger fälschlicherweise die Unterscheidung zwischen „feiner“ und „kommerzieller“ Kunst aufrechtzuerhalten.
  • Und so sehen wir, dass die Werbung unsere Welt definiert, indem sie sowohl den Fokus auf das „Image“ wie auch die Kultur des Konsums richtet, die schlussendlich alle Individuen anzieht und inspriert, begierig darauf, mit ihren Mitmenschen in tiefsinniger Weise zu kommunizieren. Es ist klar, dass Er, der die Werbung kontrolliert, mit der Stimme unserer Epoche (dem Zeitgeist) spricht.
  • Du kannst Fernsehen, Computer und Radio ausschalten/zerschlagen/abschießen/zerhacken oder in anderer Form vermeiden. Du wirst nicht dazu gezwungen, Zeitschriften zu kaufen oder Zeitungen zu abonnieren. Du kannst deinen Rottweiler auf Vertreter abrichten. Von all den Arten von Medien, die benutzt werden, um Reklame zu verbreiten, gibt es nur eine, der man nur als Bettlägeriger oder Menschenfeind entfliehen kann. Wir sprechen natürlich von Werbeplakatwänden (billboards). Zusammen mit seinen kleineren Cousins, Werbepostern und Aufklebern/Grafiken, ist die Werbeplakatwand omnipräsent und niemand, der durch unsere Welt geht, kann ihr entfliehen. Jeder kennt die Werbeplakatwand; sie ist in jedermanns Bewusstsein.
  • Aus diesen Gründen setzt die Billboard Liberation Front jetzt und für alle Zeit fest, dass zu Werben bedeutet, zu Existieren. Zu Existieren heißt zu Werben. Unser äußerstes Ziel ist nichts anderes, als eine persönliche und eigene Werbeplaktwand für jeden Bürger. Bis zu dem glorreichen Tag der globalen Kommunikation, an dem jeder Mann, jede Frau und jedes Kind der Welt in 100 Punkt Schriftgröße von seinem Dach aus zuschreien oder zusingen kann; bis zu diesem Tag werden wir fortfahren, alles in unserer Macht stehende zu tun, um die Massen darin zu ermutigen, alle möglichen Mittel auszuschöpfen, die vorhandenen Medien zu requirieren und sie nach ihren eigenem Gusto zu verändern.
  • Jedes Mal, wenn du eine Werbebotschaft in deinem Kopf änderst, wenn du auf eine Plakatwand kletterst und physisch die originale Botschaft und Grafik verwandelst, jedes Mal, wenn du den Slogan abänderst, gelangst du in den Stand der Hohepriesterschaft der Werber.

Jack Napier
John Thomas

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Apr
21
2010
1

Adbusting: Der Axt-Faktor

gord-2298549953_0e01fbb676Heute nur ein kurzer Lesetipp, auf den ich aufmerksam gemacht wurde – das einestages-Magazin auf Spiegel Online hat sich in dieser Woche dem Phänomen des Adbusting, also des Verfremden von Reklame mit dem Ziel, die hinter der schillernden Werbefassade liegende Aussage deutlich oder auf die Abgründe der Konzerne aufmerksam zu machen, gewidmet: „Der Axt-Faktor“. In dem Artikel gibt Danny Kringiel einen Überblick über die Geschichte dieser Widerstandsaktionen gegen den Kommerz sowie die Entwicklung der letzten Jahre und die Versuche der Vereinnahmung durch die Reklameindustrie selbst. Besonders schön ist die Bildergalerie mit gelungenen Adbust-Beispielen. Wollen wir mal hoffen, dass Adbusting weiterhin subversiv und gegen die Durchkommerzialisierung des Lebens gerichtet bleibt und nicht zum bloßen Spaß oder zum Kunstgag verkommt (was der Autor gegen Ende seines Textes befürchtet)…

Ecstasy von McDonald’s, Charles Manson als Jeansmodel: Seit den siebziger Jahren bekämpfen sogenannte Adbuster mit satirisch verfremdeten Werbeplakaten die Konsumkultur. einestages erzählt, wie aus der Reklame-Guerilla eine Massenbewegung wider Willen wurde (…)

In Sydney gründete 1980 eine Schar australischer Sprayer die Organisation B.U.G.A U.P, Billboard Utilising Graffitists Against Unhealthy Promotions, also: Reklametafeln verwendende Graffitikünstler gegen ungesunde Werbung. Frustriert über die nachsichtige Haltung der australischen Regierung gegenüber der Tabak- und Alkoholindustrie richteten sie ihre Angriffe ausschließlich gegen Zigaretten- und Alkoholwerbung. B.U.G.A U.P kooperierte sogar mit einer Bürgerinitiative, die sich für ein Verbot von Tabak- und Alkoholwerbung stark machte. Die gesundheitsbewussten Sprayer trafen den Nerv der Zeit.

Schnell schlossen sich Hunderte von Studenten, Lehrern, Kindergärtnern, Designern, Ärzten, zum Teil ganze Familien der Gruppe an. Anders als die Billboard Liberation Front war dies keine Gruppierung abenteuerlustiger Freigeister, sondern eine Art Bürgerrechtsbewegung aus allen Schichten der Bevölkerung. Überall in und um Sydney fand man plötzlich auf Zigaretten- und Bierwerbungen Kommentare wie “Viel Spaß mit dem Krebs!” oder “Die letzte Nachricht an deine Leber”. Allein 1983 betrug der durch B.U.G.A U.P verursachte Schaden eine Million Dollar. Als die australische Regierung schließlich 1994 ein Verbot gegen Tabak-Plakatwerbung erließ, hatte B.U.G.A U.P den Beweis angetreten, dass sich die Welt durch Adbusting tatsächlich ändern lässt. (…)

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