Krabbenpulen für Abgebrühte

Okay, als Norddeutscher ist man eigentlich verpflichtet, Fischgerichte zu lieben. Aber, ehrlich gesagt, ich war noch nie ein Freund dieser Genüsse, und noch weniger von dem, was man euphemistisch als „Meeresfrüchte“ bezeichnet (als wenn es sich dabei nicht um Tiere handelte). Von daher fällt es mir auch nicht weiter schwer, meinen Krabbenkonsum konstant (bei Null) zu halten, selbst nach dem Anschauen der Dokumentation „Vorsicht Krabbe! Das große Geschäft mit dem kleinen Tier“ in der Reihe ZDFzoom. Besonders furchtbar finde ich die Szenen, in denen der sog. „Beifang“, also kleinere Fische und andere Lebewesen, in den Netzen verenden und anschließend wieder ins Meer gekippt werden. Schwer zu ertragen ist aber auch der Rest dessen, was dem Zuschauer da gezeigt wird – die Illusion, dass Krabben eine natürliche Leckerei seien, wird spätestens beim Anblick der Chemiemengen, die zum Konservieren hineingekippt werden, zerstört. Aber der Kunde will ja unbedingt möglichst billige Krabben, und das jederzeit und überall im Supermarkt. Die Folgen dürfen, wie üblich, Flora, Fauna und kommende Generationen ausbaden…

Sie ist so etwas wie ein kulinarisches Wahrzeichen für Norddeutschland, die Nordseekrabbe: eine leckere Delikatesse, verbunden mit viel Tradition. Früher ein rein regionales Produkt, findet man die Nordseekrabbe heute in jedem Discounter zu günstigen Preisen. Das macht neugierig. “ZDFzoom” blickt hinter die Kulissen und will wissen: Wie kann es sein, dass das leicht verderbliche Nahrungsmittel heute europaweit so günstig vertrieben wird?

Michael Höft beginnt seine Recherchen im Herzen der Krabbenindustrie: in Büsum. Von hier aus stechen die Kutter täglich in See, um die beliebte Nordseekrabbe zu fischen. Ihr Fanggebiet ist auch das Wattenmeer. Obwohl der Nationalpark Wattenmeer die höchste Schutzstufe genießt, die Deutschland vergeben kann, dürfen die Krabbenfischer auch dort ihrer Arbeit nachgehen. Aber ist das Fischen mit schwerem Geschirr tatsächlich vereinbar mit dem Umweltgedanken?

In Marokko gepult

Und noch etwas trübt das Bild. Schon lange werden die Nordseekrabben nicht mehr in Deutschland gepult, sondern vor allem im Billiglohnland Marokko. Mehrere Tage braucht ein LKW für die knapp 3000 Kilometer von Deutschland bis Marokko. In den afrikanischen Fabriken pulen Tausende Frauen bei Temperaturen um die neun Grad das Tier aus der Nordsee. Der Lohn für diese Knochenarbeit entspricht häufig nicht einmal dem in Marokko gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn. Und: Um die lange Reise von Europa nach Afrika und zurück gut zu überstehen, werden die Krabben ordentlich in Konservierungsmittel eingelegt. Natürlich gibt es dafür gesetzlich vorgeschriebene Grenzwerte, doch wie viel Konservierungsmittel nehmen wir zu uns, wenn wir Krabben essen, und wie gesundheitsschädlich sind sie eigentlich?

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2 Kommentare

  1. Ulf

    Hi,
    ich verfolge Dein Blog schon seit geraumer Zeit mit Begeisterung und gleichzeitigem Schaudern. Danke für Deine Recherchearbeit und dafür, dass Du hier wichtige Fragen aufwirfst und so Denkanstöße gibst.
    In Deinem aktuellen Beitrag reißt Du am Rand das Thema “Zusatzstoffe in unserer Nahrung an”. Da auch ich diesen Bereich verfolge, möchte ich gern auf eine Arte-Doku hinweisen, die diesen Komplex aufgreift und näher beleuchtet. Vielleicht ist er auch für den einen oder anderen Leser Deines Bolgs interessant:
    http://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=ghGm51AobGw

    LG und weiter so.

    Ulf

  2. Nachhaltigkeit!
    Dein Beitrag ist mir nicht kämpferisch genug. Wer Krabben essen will soll dafür teuer bezahlen für Krabben die nicht aus dem Naturschuzgebieten stammen und lokal gepult sind! Transporte über tausende von Kilometern und dann auch noch mal zurück sind abzulehnen. Die Konservierungsstoffe gefährden um ein vielfaches die Verarbeiterinnen in den Fabrikationsstätten durch die stundenlange Inhalation der Konservierungsgifte!
    In diesem Zusammenhang möchte ich die Solarfarmen in den nordafrikanischen Wüsten erwähnen. Die schaffen nachhaltige Arbeit. Bedauerlich, dass Siemens und Bosch aus kurzsichtigen Renditegründen ausgestiegen sind. http://www.desertec.org/de/

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