Ich muss heute zunächst einmal etwas gestehen – als Ende der 80er/Anfang er 90er Jahre in Kiel mit dem Sophienhof die erste „Shopping Mall“ mitten in der Innenstadt aufmachte, war ich in meinem jugendlichen Überschwang begeistert und fasziniert von dem Warenangebot und dem ganzen Flair. Auch als ich einige Jahre später das CentrO in Oberhausen kennenlernte, zog es mich durchaus in seinen Bann (ohne mich allerdings zu konkreten Käufen zu bewegen). Heute für mich unvorstellbar, denn um solche Shoppingcenter mache ich mittlerweile einen weiten Bogen und fühle mich in solchen Monstermalls unwohl und ob der glitzernden, keimfreien Konsumatmosphäre völlig fehl am Platze.
Was damals für mich noch nicht so absehbar war: diese Center sollten sich in den folgenden zwei Jahrzehnten epidemermisch über die Republik verbreiten – sowohl innerstädtisch wie auch auf der vielzitierten und mittlerweile natürlich gar nicht mehr „grünen Wiese“. Diese Riesen-Einkaufszentren, die noch mal potenziert werden durch Markenoutlets etc., verdrängen den klassischen, regional gewachsenen Einzelhandel und sorgen dafür, dass sich ein uniformer, gleichgeschalteter Markenbrei über das Land ausbreitet und regionale Besonderheiten zugunsten der großen internationalen Ketten eingeebnet werden und nach und nach verschwinden. Abgesehen davon, dass solche Shoppingcenter naturgemäß dafür ausgelegt und so konzipiert sind, den Besucher zu möglichst viel Konsum zu animieren, zu Spontankäufen und dem „ach, guck mal da, das will ich auch“ und somit zu meiner eigenen Einstellung komplett konträr ausgelegt sind, werden so ehemals öffentliche Räume (also Innenstädte mit Plätzen, an denen man sich treffen konnte etc.) priviatisiert, dem ausschließlichen Konsumzweck zugeführt und kritische Aktionen unterbunden. Versucht mal, in einem Einkaufszentrum zu demonstrieren oder grundsätzlich Kritisches unter die Leute zu bringen – da wird man ganz schnell vom Sicherheitsdienst an die Luft gesetzt. In meinen Augen tritt also, troz der glitzernden Fassaden und der bunten marktschreierischen Gestaltung eine Verödung der Städte ein.
Genau diesem Thema widmete sich auch die NDR-Sendung Markt in ihrem Beitrag „Das Wettrüsten der Shoppingcenter“, die der Frage nachgeht, wie sich dieser Verdrängungswettbwerb, der Run auf immer größere Zentren, auf die Orte auswirkt.
Von Neubrandenburg bis Oldenburg, von Kiel bis Salzgitter: Insgesamt 23 Einkaufscenter betreibt ECE derzeit in Norddeutschland. Das Unternehmen will die Verkaufsfläche von gut 550.000 Quadratmetern weiter aufstocken, gerade auch in kleineren Städten wie Leer investieren. Dort gibt es Unterstützung für die Pläne, aber auch starke Ablehnung. NDR Info, Markt und das Kulturjournal haben recherchiert: Wie verändern Shopping-Center die Innenstädte? Was bedeutet die Konkurrenz für den lokalen Einzelhandel? Und wer profitiert am Ende?
Auf der NDR-Markt-Website wurden zudem noch einige andere Beiträge, Studien und Interviews dazu beigetragen – auch sehr interessant!
Dirk
Ich finde die Shoppingcenter an sich gar nicht so problematisch, schließlich hat man dann alles in der Nähe und muss nicht erst durch die gesamte Innenstadt laufen, um zwei Sachen zu kaufen (und nicht immer ist man ja wegen einem Stadtbummel unterwegs). Auch hätten ja die lokalen Einzelhändler die Möglichkeit, dorthin umzuziehen.
Das problematische daran ist doch, dass Fläche viel zu groß ist. Wie in dem Fernsehbeitrag angemerkt ist es doch völlig utopisch, für so ein Städtchen wie Leer so ein riesiges Einkaufszentrum zu bauen. Dies wird zwangsläufig dazu führen, dass etliche von den Ladenflächen leerstehen – und natürlich werden dies als erstes die lokalen Händler sein, die von den großen Ketten verdrängt werden. In einer Stadt, wo aber die Nachfrage wirklich da wäre, finde ich Shoppingcenter durchaus angemessen (z.B. in meinem momentanen Wohnort) – Die Alternative wäre ja, die Läden noch weiter auszudehen über die Innenstadt hinaus und damit Wohnung an den Stadtrand zu verdrängen, was ich auch für nicht wünschenswert halte.
Peter M.
Nun, wie ich in meinem Beitrag schon ausführte, gibt es viele kritische Punkte an den Shoppingcentern, vor allem die Verödung der Innenstädte, die früher öffentliche Orte waren und nun quasi privatisiert sind. Dazu werde ich morgen auch noch was posten. :-) Abgesehen davon nervt mich die Monoformität der Einkaufszentren, die primär den großen Ketten den Boden bereiten. Von daher setze ich nur ausgesprochen ungern meinen Fuß in solche Malls, also nur, wenn es keine Alternative gibt.
Kyle
Naja – das mit dem “Auch hätten ja die lokalen Einzelhändler die Möglichkeit, dorthin umzuziehen.” Es gibt alt-eingesessene Einzelhändler denen auch das Gebäude gehört. Einfach so umzuziehen und Miete zu zahlen trägt vielleicht das Geschäft einfach nicht.
NannyOgg07
Wir haben in Regensburg gleich zwei solcher Center, die Arkaden und das Donau Enkaufs Zentrum. Schnell rein, kaufen und weg ist genau das Richtige Wort. Ich kann überhaupt nicht verstehen wie man an dieser Form von Einkauf Vergnügen finden kann. Es ist laut, voll und hektisch, alle Nase lang plärrt einen irgend eine Durchsage an und nach 1 Stunde da drin bin ich fix und alle.
Ich hab mir angewöhnt, mir bei den 3-5 Läden, die ich dort öfter aufsuche genau zu merken wo ich am besten parke um schnell hin zu kommen, zu besorgen was ich brauche und dann ebenso schnell wieder weg zu kommen.
Gruß Nanny
Josef C.
Ich finde ja das durch solch große Einkaufszentren auch ein Stück Kultur verloren geht. Da bleibt keine Zeit und vorallem keine Lust bei dem Ambiente für einen kurzen Schnack an der Kasse, alles muss schnell gehen ,bequem und billig sein. Man sollte aber auch die andere seite betrachten damit man sieht das nicht die Konzerne, Firmen&Co
die volle Schuld tragen, sondern eben der Konsument, der sich von dieser Kosummasche einlullen lässt. Alleine schon die tatsache der Überdachung und Klimatisierung dieser Zentren, da bekommt der verwöhnte Deutsche keine kalten Füsschen mehr :)
Dirk
(Ich poste jetzt einfach mal hier weiter und nicht unter den neuen Beitrag, um die Diskussion beizubehalten)
Also wie ich schon versucht habe auszuführen, sehe ich diese Einkaufszentren auch nur als Ergänzung an, wenn die momentane Nachfrage nicht befriedigt werden kann. Wenn man dann ein Einkaufszentrum baut ist es lediglich ein Zusatz und zerstört den öffentlichen Raum nicht.
Und ich glaube nicht, dass die Monoformität die großen Ketten bevorteiligt – Solange man die geforderte Miete auf den Tisch legt, wird es dem Betreiber wohl recht egal sein, wer da mietet. Und auch als Alteingesessener Gebäudebesitzer hätte man die Möglichkeit, das Gebäude zu verkaufen und woanders zu mieten. Mit dem Argument müsste man sich verkleinernde und verödende Stadtteile (siehe Ostdeutschland, Stadtrückbau) ja stets künstlich am Leben erhalten.
Und ich glaube auch, man sollte nicht zu nostalgisch werden: Sind denn normale Einkaufsstraßen so viel weniger laut und hektisch? Ich habe lange Zeit in Stuttgart gewohnt und Samstag war es mir ein Graus, auf die Königsstraße oder umliegende Einkaufsstraßen zu gehen, weil es einfach fürchterlich voll und laut war.
Peter M.
“Und ich glaube nicht, dass die Monoformität die großen Ketten bevorteiligt – Solange man die geforderte Miete auf den Tisch legt, wird es dem Betreiber wohl recht egal sein, wer da mietet.”
Damit beantwortest Du die Frage schon selbst – denn natürlich haben die großen Ketten, also die Weltkonzerne, mehr Geld zur Verfügung und können so die Mieten nach oben treiben. Es ist ja nun mal Fakt, dass die ganzen Shoppingcenter (wie aber auch die Innenstädte selbst) fast schon weltweit identisch auszusehen beginnen (seit ca. 20 Jahren). Egal, ob ich nun in Kiel, Wuppertal, Hamburg oder sonstwo bin, überall die gleichen Ketten und der gleiche Style.
“Und ich glaube auch, man sollte nicht zu nostalgisch werden: Sind denn normale Einkaufsstraßen so viel weniger laut und hektisch? Ich habe lange Zeit in Stuttgart gewohnt und Samstag war es mir ein Graus, auf die Königsstraße oder umliegende Einkaufsstraßen zu gehen, weil es einfach fürchterlich voll und laut war.”
Trotzdem besteht noch ein großer Unterschied zwischen echtem öffentlichen Raum (wo zB auch kreativer Protest möglich wäre) und dem abgeschotteten, antiseptischen privatisierten Raum in Einkaufszentren. Zumal normale Innenstädte eben gewachsen sind und nicht am Reißbrett von Leuten nach der maximalen Konsumlusterzeugung geplant. Aber was die Fülle von Einkaufsstraßen angeht, hast Du natürlich Recht – ich umgehe das, indem ich nur sehr selten was einkaufe. ;-) Vieles kriege ich eh in der Umgebung.
Doreen
“Solange man die geforderte Miete auf den Tisch legt, wird es dem Betreiber wohl recht egal sein, wer da mietet.”
Das stimmt nicht, die Center wollen schon die üblichen Verdächtigen in ihrem Center haben und bevorzugen diese dann, weil das nochmal dazu beiträgt, viele Leute anzulocken. Viele wollen ja zB geziehlt zu H&M (oder Saturn oder ähnliches), weil sie das kennen, davon was in der Werbung gesehen haben und also auch eher in das Center kommen, als wenn da “nur” irgendwelche weniger bekannten Geschäfte wären. Außderdem ist es natürlich auch so, dass diese Ketten auch eher das Geld haben um die Mieten im Center zu bezahlen, wobei das oft nicht nur eine feste Miete ist, sondern sich auch nach den Umsätzen der Geschäfte richtet, die Center bevorzugen also natürlich Händler, die besonders hohe Umsätze versprechen, was eben auch eher bei sehr bekannten Marken der Fall ist. Die Flächen sind ja auch meistens so groß, dass kleinere Händler die kaum ausfüllen könnten.
Wenn es so wäre, wie du meinst, dass es den Centern im Prinzip egal ist, wie erklärst du dir dann, dass in jedem Center fast die gleichen Geschäfte zu finden sind? Wenn man in ein Einkaufscenter reingeht, in dem man vorher noch nicht war, kann man ja trotzdem schon mit recht großer Sicherheit sagen, welche Geschäfte man darin vermutlich finden wird, das dürfte ja dann eigentlich nicht so sein.
Anonymous
Das Recht im öffentlichen Raum geht verloren, wenn ECE in Mainz baut. Obiger Artikel beschreibt auf klare Weise, was das Eigentumsrecht der Firma ECE für den Mainzer Bürger bedeuten könnte. Wie etwa am Frankfurter Flughafen (öffentlich und nun doch privat) muss sich Bürger dem Diktat des Eigners (Fraport oder ECE) beugen. Kritische Aktionen werden nicht nur unterbunden, ECE wird den Gewerbetreibenden auch das Recht nehmen selber zu entscheiden, ob man z.B. um 18Uhr den Laden schließt. ECE schreibt vor, dass Gewerbetreibende bis 20Uhr geöffnet haben.
Mein Vorbild für wahres Einkaufs-Vergnügen: Kleine unterschiedlichst gestaltete Läden in Großbritannien!! Hier versteht man es, durch viel persönliche Note den Konsumenten zum Erlebniseinkauf zu verführen.
Dort macht ein Shoppingcenter à la ECE Sinn:
1. In Johannesburg, da es zu gefährlich ist innerstädtisch einzukaufen.
2. Abu Dhabi, da rundherum Wüste ist. Die immer schwitzenden Araberinnen können ins klimatisierte Center fahren.
Mainz ist derzeit innerstädtisch NOCH sicher, eine Wüste haben wir auch nicht. Die (Stadt-)wüste würde sich auftun, sofern ECE bauen darf. 1/5 aller Gewerbe rundherum würden pleite gehen. Wer’s nicht glaubt, fahre nach Schwerin. Leere Schaufenster rundherum.
Das Recht im öffentlichen Raum sollten wir in Mainz schützen.
In Abu Dhabi wird das rechht nicth vermißt, da die Bürger dort sowieso weniger Rechte haben. Sie wissen nicht, was Ihnen abgeht. Die Bürger in Johannesburg erleben Shoppingcenter als Recht auf Überfall-freie Einkaufszeit. Nun, da wir weder in JNB noch in AUH leben, bitte kein ECE Center in Mainz.