Gleich zwei spannende Dokumentationen, die perfekt zum Tenor meines Blogs passen, bringt ARTE beim heutigen Themenabend „Jung, aktiv und kampfbereit“ – um 20:15 macht „Rebellen im Namen der Erde“ den Auftakt:
In Europa werden sie “Alter” genannt, “Freeters” in Japan, “Eco Warriors” in den USA… Ihre Gemeinsamkeit: Sie haben genug von einer Welt des Konsums.
Wie Guerillas jagen die Eco Warriors Biotechniklabors in der Bucht von San Francisco in die Luft, weil dort Tierversuche durchgeführt werden. Sie legen die japanische Walfangflotte in der Antarktis lahm, zersägen Geländewagen in Oregon, ketten sich in Deutschland an Bahngleise, um einen Atommülltransport zu stoppen, und besetzen Mammutbäume in den nordkalifornischen Sequoia-Wäldern.
In den Augen des FBI handelt es sich bei diesen militanten Umweltschützern um Terroristen, die nach Al-Quaida als zweitgrößte Bedrohung für die Sicherheit des Landes gelten. Für diejenigen in den USA und in Europa, die die bürgerlichen Freiheiten beschränken möchten, sind derlei Aktionen ein willkommener Vorwand, um in der öffentlichen Meinung Stimmung gegen jede Form von Aktivismus und zivilem Ungehorsam zu machen. Auf diese Weise wird der Verabschiedung von immer restriktiveren Gesetzen der Boden bereitet und Bürgerengagement als Straftat verurteilt.
Und gleich anschließend „Tokyo Freeters“:
In Japan verdingen sich mehr als vier Millionen junge Menschen als Gelegenheitsarbeiter – darunter viele mit abgeschlossenem Universitätsstudium. Sie werden als Freeters bezeichnet; der Begriff setzt sich aus dem Anfang des englischen Worts “freetime” und der Endung des deutschen Wortes “Arbeiter” zusammen.
Der Name kam in den 90er Jahren auf. Damals benannte er Aussteiger, die nicht – wie in Japan üblich – ihr ganzes Leben einer Firma widmen wollten, sondern sich lieber mit Minijobs durchschlugen, um mehr Zeit zur freien Verfügung zu haben.Die heutigen Freeters haben diese Entscheidung im Gegensatz zur vorherigen Generation nicht immer aus freien Stücken getroffen. Viele sind zu dieser Lebensweise gezwungen – durch die wirtschaftliche Lage und weil die Unternehmen schnell verstanden haben, angesichts der Krise schlechtere Arbeitsbedingungen durchzusetzen und Nutzen aus den Zeitarbeitern zu ziehen. Einige Freeters verdienen nicht einmal genug, um sich eine eigene Wohnung zu leisten. Sie übernachten in rund um die Uhr geöffneten Internetcafés; diese Untergruppe wird auch Net Refugees genannt.
Tokioer Freeters entwickeln nun ein Gegenmodell zu dem ihnen veraltet erscheinenden herrschenden Gesellschaftsmodell. Dieser neue Lebensstil, eine japanische Antikultur, beeinflusst immer weitere Kreise. Die Dokumentation befasst sich mit dieser neuen Gruppe von jungen Menschen, die sich dem System verweigern. Sie lassen die konformistischen Modelle Japans hinter sich, lehnen Konsumrausch und Arbeit bis zum Umfallen ab und sind davon überzeugt, dass ein gewisser Verzicht auf äußere Werte den inneren Reichtum fördert.
Wer die Sendungen heute verpassen sollte – Wiederholung gibt’s am Do. 10.2.2011 um 10:35 Uhr.
EDIT: Und hier die YouTube-Versionen:
Sven
Während des Beitrages über die Umwelt-Aktivisten beschlich mich das ungute Gefühl, daß der 11.September nicht nur wegen Afghanistan gut ins Konzept gepaßt hat. Die USA haben ja eine lange Tradition im Feindbild-Erschaffen. Aber damit stehen sie ja auch in der alten römischen Tradition von “Brot und Spiele”.
Mein Respekt gilt denen, die trotz aller Drohungen und Repressalien für den Erhalt unserer Umwelt eintreten. Zu allen Zeiten waren es kleine Minderheiten, die gegen Unrecht eintraten. Ad hoc fällt mir da die “Weiße Rose” ein. Oder die Bürgerrechtler in der DDR. Und der Platz des himmlischen Friedens. Und immer hat die Mehrheit gedacht, daß das Chaoten seien, die man ausmerzen müßte. Bis das große Erwachen kam … (und der Weihnachtsmann sich doch als der Gasmann entpuppte)
vielleichtsagerin
den beitrag zu freeters habe ich eher zufällig gesehen und fand ihn wirklich gut. schockiert hat mich die gesprächsrunde an einer privaten schule. um karriere zu machen und in der gesellschaft “anzukommen”, muss man sich offenbar schon während des studiums einen job suchen, überdurchschnittliche leistungen und durchsetzungsstarke ellenbogen sind pflicht. loyalität gegenüber mitschülern und kommilitonen ist für die jungen karriereversessenen ein fremdwort. das reinste haifischbecken …