Gernot Hassknecht über Billiglebensmittel

Sehr passend zu meinem gestrigen Artikel über Giftstoffe im Tierfutter etc. ist dieser Kommentar von Gernot Hassknecht aus der ZDF-Satiresendung heute show – betont unsachlich, wie gewohnt, aber leider ist an seinen Worten viel Wahres dran. Wer billig will und billig kauft, kriegt billig und darf sich am Ende nicht wundern, wenn alles immer schlechter wird…

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20 Kommentare

  1. stiller Rufer

    Ist schon sehr interessant diese Diskussion über billige Lebensmittel. Aber ich denke das Pferd wird vom Schwanz her aufgezäumt. Welcher der Millionen von Hartzern, Leiharbeitern und Billiglöhnern soll bitteschön Geld für teure LEBENSmittel aufbringen? Es ist bekannt, dass, wenn es finanziell eng wird zuerst am Essen gespart wird. Es ist für mein Dafürhalten soetwas wie ein Plan, wenn den Leuten das Geld entzogen wird und dann nur noch Billigfraß aufgetischt wird. Im übrigen ist der Begriff “Lebensmittelindustrie” ein Widerspruch in sich. Richtige Lebensmittel gibts ja auch kaum noch, oder wo gibts zBsp noch richtige Frischmilch mit Sahnedeckel obendrauf? Diese tote, weiße Plürre kann man ja wohl kaum noch als Milch bezeichnet werden. Im übrigen gibt dieses Land Milliarden für Kriege aus und hat irrwitzige Einnahmen aus Rüstungsgeschäften… da jammern wir wegen Billigfraß…!?

    • Mnja, das mit den geringen Einkommen mancher Bevölkerungsschichten ist natürlich ein Punkt – allerdings betrifft es trotz allem (noch) nicht den Großteil der Bevölkerung; leider gibt es eben auch viele Normal- und Besserverdienende, die meinen, dass Lebensmittel nichts kosten dürfen. Und gerade beim Punkt Billigfleisch sollte generell mal ein Umdenken stattfinden – man muss nicht jeden Tag Fleisch essen, unabhängig von der eigenen finanziellen Situation, und kann sich diese Ausgaben also sparen (statt möglicht billig viel Fleisch zu kaufen).

  2. ed saxum

    Den größten Dioxin Skandal hatten wir letztes jahr im Biobereich, also in dem Bereich wo der Kunde gerne etwas mehr Zahlt. Nicht wir als Kunde haben die Schuld (1/3 der Bevölkerung leben am Existenzminimum also müssen die des wegen dreck und gift fressen) sondern die Politiker die sich von der Futtermittelindustrie bezahlen lassen. Ein Auto ohne Bremsen kriegt ja auch keine Straßenzulassung.

    • “(1/3 der Bevölkerung leben am Existenzminimum”

      Wo hast Du denn die Zahl her…??

      “Nicht wir als Kunde haben die Schuld ”

      Nicht nur, aber eben auch. Wie gesagt, all die Idioten, die bei Aldi & Lidl einkaufen, obwohl sie nicht am Existenzminimum leben, sorgen mit dafür, dass es bergab geht. Alles immer nur auf die Politiker (“die da oben”) zu schieben, ist einfach, aber eben auch zu einseitig, wie ich finde. Es muss eben beides passieren – die Menschen müssen wieder erkennen, dass sie mit ihrem Geld entsprechende Strukturen stärken (warum soll man Zeug von Firmen kaufen, die den eigenen Einstellungen konträr handeln?), und es muss Druck auf die Politik und die Wirtschaft (!) ausgeübt werden, damit sich was ändert. Wobei sich in diesem ausschließlich auf Profitmaximierung ausgerichteten System vermutlich nur noch begrenzt was retten lässt…

  3. Also das Argument, dass die armen Verbraucher doch alle so wenig Geld haben und deswegen ja gar nicht anders können, halte ich für ziemlich überstrapaziert. Wir leben auch etwa auf Hartz 4 Niveau und ich kaufe trotzdem nicht in Superbillig-Discountern ein. Ein Großteil dessen, was ich esse, hat Bio-Qualität. Und da ich auch keine Tierprodukte esse, lassen mich solche “Skandale” (die wie in dem Video richtig gesagt nicht wirklich überraschend sind) insgesamt ziemlich kalt.
    Ich kann es mit jedenfalls trotz geringem Einkommen ohne weiteres leisten auf Aldi & Co zu verzichten. Was beim sparen auch sehr hilft, ist Werbung, Prospekte und ähnliches nicht zu beachten. Oft kommt man durch diese “Spar-Angebote” überhaupt erst auf den Gedanken, dass man das brauchen könnte, obwohl einem ansonsten nie in den Sinn gekommen wäre sowas zu kaufen. Wenn ich zB krankheitsbedingt doch mal fernsehe, dann habe ich plötzlich das Gefühl unbedingt ein neues Handy, neue Klamotten, ein Auto und was nicht noch alles zu brauchen, woran ich sonst nie gedacht hätte. Da muss man eben die Prioritäten anders setzen und einfach mal weniger sinnloses Zeug kaufen, dann muss man auch nicht am Essen sparen.

    • @ Doreen – danke für die Zustimmung :-) Genauso sehe ich das auch – ich schwimme auch nicht im Geld und käme trotzdem nicht auf die Idee, beim Discounter einzukaufen. Während ich durchaus Wohlhabende kenne, die ihre Milch bei Aldi kaufen, weil sie ja “so eine große Familie” haben… Dafür kaufen sie dann irgendeinen Hightech-Klimbim. Ist halt auch alles eine Frage der Prioritäten, wie Du schon sagst.

      @ Charlie – wir sind da ja, denke ich, im Prinzip schon auf der selben Wellenlänge, zumindest was die Kritik am System angeht. Aber nun alles auf “die da oben” oder “das System” zu schieben, ist mir zu simpel, dabei ziehe ich nicht mit. Da müssen sich die Leute zumindest teilweise auch an die eigene Nase fassen. Wie es schon in dem quer-Beitrag anklang: zwar jammern die Leute über Lebensmittelskandale, aber wenn dann mal was Höherwertiges angeboten wird, lassen sie es dann doch wieder in den Regalen liegen. Man wird ja nicht gezwungen, den Dreck zu kaufen, das muss man auch sehen. Das Problem bei den Billiglebensmitteln ist ja nicht etwa das etwaige Dioxin, das man mit besseren Kontrollen hinbekäme, sondern dass durch den Profitmaximierungsdruck die Tendenz zu immer schlechterer Qualität geht (wie Du auch schreibst). Dieser Kostendruck kommt aber gerade im EInzelhandelsbereich AUCH durch den Erfolg der Discounter zustande, so dass die Erwartungshaltung beid en Verbrauchern geschürt wird, alles müsse immer billiger werden. Der heutige Konsument meint doch, er sei “blöd”, wenn er nen Euro mehr für ein T-Shirt ausgibt etc… Ich kann also den Konsumenten absolut nicht aus der Kritiklinie nehmen – das greift Hand in Hand: das Gewinnoptimierungssystem sorgt auch bei den Leuten für eine entsprechende Einstellung, womit die Situation weiter verschärft wird etc. pp.

  4. Ich sehe das ähnlich wie meine Vorredner: Hier ist nicht der “Verbraucher” (auch so ein neoliberales Wort) anzuklagen, sondern selbstverständlich das System samt verbundener Politiker. Es ist unerheblich, wieviel Geld wir für Lebensmittel bezahlen (müssen) – in diesem System werden wir immer das schlechtmöglichste, gerade noch vertretbare – oder eben auch in kriminellen Fällen das nicht mehr vertretbare, weil vergiftete Fressen bekommen.

    Hassknechts Tiraden, die ich ansonsten oft sehr treffend und lustig finde, richten sich hier an die Falschen.

    Die Leute, die diesen Billigdreck kaufen, verlassen sich darauf, dass der Staat durch entsprechende Gesetze und Kontrollen dafür Sorge trägt, dass eben keine Gifte in Lebensmittel kommen. So sollte es ja auch eigentlich sein – die Menschen erkennen nur leider nicht in der breiten Masse, dass dieser neoliberale Staat sie gar nicht schützen will und in der gegenwärtigen Form auch gar nicht schützen kann – wenn Profitmaximierung das vorherrschende Ziel auch der “Lebensmittelindustrie” ist, während gleichzeitig der Staat immer weiter “verschlankt” wird, ist das Ergebnis just das, was wir erleben.

    Diese Entwicklung den Menschen anzulasten, ist schlicht perfide und geht am Problem weit vorbei. Herr Hassknecht hätte besser Banknoten anstatt Sand fressen und seinen Kommentar an die geldgeilen Konzernbosse richten sollen, denen Gewinnmaximierung alles, die Qualität der menschlichen Ernährung hingegen nichts bedeutet.

  5. Geextah

    Der liebe Herr Gernot Hassknecht liebreizend wie eh und je :D

    Aber ich muss ihm zustimmen überraschend war er doch gar nicht – dieser “Skandal”.
    Da hat es sich genauso, wie mit dem Gammelfleisch oder mit dem Döner für 1,10 etc.

    Sparen wollen alle irgendwo, aber das, wie Peter schon sagt, dann an der falschen Stelle gespart wird, ist ein ziemliches Problem.

    Nehmen wir mal das Beispiel iPhone: Hinz und Kunz muss ja unbedingt ein iPhone haben, weil es so “in” und “modern” ist. Das Fleisch, die Milch, die Eier oder sogar die Kleidung müssen dann aber vom Diskounter kommen, weil man entweder das iPhone abbezahlt oder einen Vertrag hat, der absurd hoch ist.

    Man muss halt sehen wo man seine Prioritäten setzt – entweder man ist total “in” und nimmt Nahrung zu sich die kaum geprüft wird und viel Müll in sich birgt oder man verzichtet auf den einen oder anderen Technikkrams und zahlt dafür aber lieber etwas mehr für die Nahrungs- und Lebensmittel.

    Ich hätte wirklich kein Problem damit, wenn einige Lebensmittel teurer wären; wenn ich dafür auch gute Qualität bekomme ist mir das recht.
    Zumal wir oftmals viel weniger von dem benötigen als wir produzieren.

  6. Shock

    Ich denke, die Gleichung “teures Essen = besseres Essen” ist nicht so einfach. Da wird man in unserer Konsumwelt auch mal ganz schnell verarscht. Wenn man hört, dass Designer A in Bangladesh in der gleichen Fabrik die Hosen herstellt, wie KiK: Warum sollte es beim Fleisch anders sein? Wahrscheinlich ist im Döner für 4,50 Euro genau das gleiche Fleisch drin wie in dem für 2,50, nämlich das billigste. Die Differenz ist der Profit.

    R***,- ist ja nun kein Discounter, trotzdem meine ich mich zu erinnern, mal einen Bericht gesehen zu haben, in dem behauptet wurde, dass die altes Fleisch mariniert und als frisch verkauft haben. Günstiger ist es dabei nicht geworden.

  7. m.ro

    Wenn es um Verantwortung geht, können meiner Meinung nach nur Menschen gemeint sein. Selbst wenn ein System (Gesellschaft, Politik, Konzerne, Arbeitslosenverwaltung etc.) nicht erwünschte Ergebnisse hervorbringen, dann haben dieses System immer noch Menschen gemacht – bewusst oder unbewusst. Handlungen oder eben auch Nicht-Handlungen kreieren alles, was wir danach gerne substantivieren und damit (auch in unseren Köpfen) verfestigen.

    Die Argumentation der bedauernswerten armen bzw. armgehaltenen Menschen kann ich nicht unterstützen. Vielmehr muss ich sie sogar ablehnen, da sie nur im System bleibt. Weniger verdienen = billig einkaufen = weniger Verdienst für Angestellte = billig einkaufen = Kündigung = noch billiger einkaufen… Und so konsequent weitergeführt im kompletten Zusammenbruch endet. Der Hund beißt sich bei diesem Gedanken selbst in den Schwanz.

    Zudem möchte ich mal gerne die Kostengegenüberstellung sehen, bei der Einkäufe vom Markt, örtlichen Bauern o.ä. teurer sind als aus Discountern und Supermärkten. Und zwar nicht nur der Preisvergleich eines einzelnen Produkts, sondern über alles, was ein Haushalt verbraucht. Natürlich kann durchaus das Brot beim echten Bäcker ein paar Cent teurer sein als beim Bäcker, der den Namen gar nicht verdient. Aber das macht gar nichts aus im Vergleich zu dem Geld, was man den Konzernen in den Rachen stopft, wenn man in deren System der Nahrungsmittel einkauft. Also bitte konkret über den gesamten Haushaltsbedarf ausrechnen.

    Der Preis ist Ausdruck für den Wert eines Produkts/ einer Leistung. Preis-/Leistungsverhältnis. Manche scheinen das einfach nicht zu verstehen.

    Darüber hinaus paart sich bei vielen Menschen auch einfach der niedrige Verdienst mit dem Unwissen, wie man sich gesund, vielfältig ernährt und vor allem, was man wie selbst machen kann. Das zeigt die Erfahrung mit Kochkursen für “Bedürftige”. Das klingt jetzt sehr nach Klischee. Wenn man sich jedoch mal den Haushaltsplan anschaut, dann braucht man sich nicht mehr fragen, warum da einfach kein Geld mehr da ist.

  8. @ Peter:

    Ich sehe das anders. Zum Einen wüsste ich nicht, wo und wann in diesem System mal etwas “Höherwertiges” angeboten werden würde, das dann aufgrund des Preises im Regal liegen bleibt (so etwas verbietet die Logik des Systems), zum Anderen sind mir genug Beispiele bekannt, in denen Familien centgenau rechnen müssen und es am Monatsende regelmäßig dazu kommt, dass nur noch billigster Dreck eingekauft werden kann, wenn überhaupt etwas Essbares auf dem Tisch stehen soll.

    Der Kommentar von m.ro ist da einfach nur noch zynisch zu nennen – so etwas kann nur jemand schreiben, der mit den Hartz-Drangsalierungen nichts zu tun hat und sich auch nicht darum schert, dass Millionen von Menschen in diesem Land gezielt verarmt und ausgepresst werden wie überreife Früchte. Und all das in einem Land, das zu den Reichsten der Welt gehört (siehe meine Anmerkung dazu hier: http://narrenschiffsbruecke.blogspot.com/2011/02/deutschland-so-reich-wie-noch-nie.html )

    Wie man es auch dreht und wendet: Wenn man die große Mehrheit der Bevölkerung nicht am Wohlstand teilhaben lässt und ihnen die Discounter lockend vor die Nase setzt, die billigen Dreck anbieten, darf man sich nicht wundern, wenn da auch viele zugreifen (müssen). Zumal das ganze ja, wie bereits erwähnt, in einem staatlich garantierten “Reinheitsrahmen” stattfindet – es diese Skandale und Gifte also eigentlich gar nicht geben dürfte (laut Gesetz). Es wäre ja schön und sehr hilfreich, wenn eine Mehrheit der Menschen endlich begreifen würde, dass diese gesetzlichen Garantien und Bestimmungen (nicht nur im Bereich der Lebensmittel) hierzulande nicht das Papier wert sind, auf dem sie gedruckt werden – aber offiziell gilt das alles noch. Und da stellst Du dich allen Ernstes hin und verurteilst die Leute, die kaum Geld haben und im Vertrauen auf den Staat die billigen Lebensmittel kaufen? Ja, welche Alternative haben diese Menschen denn dann noch?

    Entweder diese staatlichen Garantien gelten – dann muss man auch im Aldi nur Lebensmittel kaufen können, die unbedenklich sind. Oder diese Garantien sind Makulatur – dann aber ist zwingend und logisch sofort die Systemfrage zu stellen, denn wer vorgibt, die Bevölkerung zu schützen, dieses Versprechen aber nachhaltig nicht einlöst, hat jedes Recht verloren, ein funktionierendes System zu propagieren.

    Was glauben bzw. sehen wir also? Schützt uns der Staat und versorgt uns der Kapitalismus mit guten und nachhaltigen Lebensmitteln – oder versagen Staat und System auf ganzer Linie? Die Antwort ist eindeutig, wie ich finde.

    In einem funktionierenden System dürfte all dieser Dreck den Menschen gar nicht erst angeboten werden dürfen – Punkt aus.

    • “zum Anderen sind mir genug Beispiele bekannt, in denen Familien centgenau rechnen müssen und es am Monatsende regelmäßig dazu kommt, dass nur noch billigster Dreck eingekauft werden kann, wenn überhaupt etwas Essbares auf dem Tisch stehen soll. ”

      Naja, und ich kenne auch wiederum Beispiele, wo sich trotz Hartz vernünftig ernährt wird bzw. eben bewusst mit dem eigenen Konsum umgegangen wird. Es ist schon klar, dass es viele Menschen und vor allem Familien gibt, die wirklich jeden Cent dreimal umdrehen müssen und sich keine besseren Lebensmittel leisten können. Aber leider gibt es dann ja aber eben auch die Leute (und das sind letztlich, wie ich gerne zu x-ten Male betone, diejenigen, an die sich meine Discount-Kritik primär richtet), die ordentlich verdienen und sich trotzdem beim Discounter und Billigheimer versorgen, weil “sie ja nicht blöd sind” (ohne zu ahnen, dass sie dadurch ganz besonders blöd sind)…

      Nicht nur m.ro, sondern auch Doreen und Geextah sehen das ja ähnlich.

      “Was glauben bzw. sehen wir also? Schützt uns der Staat und versorgt uns der Kapitalismus mit guten und nachhaltigen Lebensmitteln – oder versagen Staat und System auf ganzer Linie? Die Antwort ist eindeutig, wie ich finde.
      In einem funktionierenden System dürfte all dieser Dreck den Menschen gar nicht erst angeboten werden dürfen – Punkt aus.”

      Da sind wir schon einer Meinung, denke ich. Aber, auch das wiederhole ich noch mal, ich nehme halt den Einzelnen nicht aus der Verantwortung für sein Tun. Wird ja niemand gezwungen, den ganzen Konsumklimbim mitzumachen, dem einen die Werbung vorlebt, und trotzdem lassen sich die Leute gerne hinters Licht führen und geben Unsummen für billige Turnschuhe aus, nur weil der “Swoosh” drauf ist oder drei Streifen… Meine Befürchtung: selbst wenn wir jetzt ein anderes System hätten (welches auch immer), würden trotzdem vielen Menschen, nach all den Jahren/Jahrzehnten der Desinformation, der Durchblick fehlen und auch der Wille, sich mit den Zusammenhängen zu befassen. Deshalb sollte ein Systemwechsel auf jeden Fall auch von einem breitangelegten Umdenken begleitet sein, sonst wird das scheitern. Zum Umdenken gehört aber AUCH, die (Mit-)Verantwortung für sein eigenes Tun zu übernehmen, also auch aus der reinen Opferrolle rauszukommen…

  9. Da drehen wir uns im Kreise, lieber Peter, denn ich sehe da keine “Mitverantwortung” der “Verbraucher”. Auch wenn ich mich wiederhole: Selbst dann, wenn jemand, der noch in der finanziellen Lage dazu ist, für Lebensmittel viel Geld auszugeben, “Bio”- oder ähnliche Produkte im Supermarkt kauft, bedeutet das nicht, dass dieser Jemand auch bessere Lebensmittel bekommt. Auch ein Kauf auf dem “Markt” oder im Hofladen oder beim “Händler des Vertrauens” ändert da nichts – das System ist in jedem Fall darauf angelegt, Profit zu erwirtschaften – und das geht angesichts der “Konkurrenz” eben nur auf Kosten der Qualität. Ich verstehe schon, dass Du vornehmlich die noch gut begüterten Menschen mit Deiner Kritik meinst, die trotz ihres vergleichsweise guten Lebensstandards trotzdem lieber zum Lidl als zum Biobäcker gehen. Aber einen Unterschied macht das dennoch nicht – zumal das eine wachsende Minderheit ist.

    Es macht nach wie vor keinen Sinn, die Opfer eines Systems zu Tätern zu stilisieren. Und die so genannte Mittelschicht merkt es nun auch immer deutlicher, dass sie zum Abschuss freigegeben ist – wer will da noch den großen Ankläger spielen, wenn auch diese Leute meinen, dass es wichtig ist, am Monatsende ein Plus auf dem Konto zu haben und kein Minus? Lebensmittel sind essenziell wichtig – keine Frage … aber sie sind dennoch im Gesamtkontext nur ein Posten unter vielen anderen, die genauso wichtig sind.

    Auf die staatlichen Garantien bist Du indes gar nicht eingegangen – dabei ist das der zentrale Punkt bei der ganzen Thematik. Und er betrifft auch das Umdenken, das Du zu recht ansprichst: Wenn staatlicherseits so getan wird, als gebe es keinen Grund zum Umdenken (einzig der Preis eines Lebensmittels sei da ausschlaggebend), und die Mehrheit der Medien verbreitet das – ja, dann kann es auch kein Umdenken im großen Stil geben.

    Das betrifft nicht bloß Lebensmittel – man muss sich ja ebenso fragen, wieso Menschen weiterhin massenweise die Parteien wählen, die seit Jahrzehnten das Gegenteil dessen tun, was für sie gut wäre. Das ist genau dasselbe Schema. Und auch diese Antwort ist dieselbe. Es wäre perfide, den Menschen anzulasten, dass sie der Propaganda und Werbung auf den Leim gehen. Wenn Du das tust, kannst Du auch gleich die Menschen, die unter einer Diktatur leiden, anklagen, dass sie nicht dagegen aufstehen. Der Unterschied ist nur marginal.

    • “Es wäre perfide, den Menschen anzulasten, dass sie der Propaganda und Werbung auf den Leim gehen. Wenn Du das tust, kannst Du auch gleich die Menschen, die unter einer Diktatur leiden, anklagen, dass sie nicht dagegen aufstehen. Der Unterschied ist nur marginal.”

      Na jaaa… also da gehen unsere Ansichten dann wohl doch deutlich auseinander. Ich halte die Menschen eben durchaus für einigermaßen mündig (nicht alle, aber so im Prinzip) und deshalb nicht allesamt für komplett “Geworfene”, die nur “denen da oben” ausgeliefert sind und deshalb für nichts können, was sie tun. Wir haben ja offenbar auch gelernt, kritisch zu sein und zu hinterfragen, wieso sollte das anderen nicht auch möglich sein…? Viele WOLLEN ja gar nichts an ihrem Verhalten ändern, obwohl sie genau wissen, was sie zB mit ihrem Konsum anrichten. Wer teure Nike-Klamotten kauft, obwohl er weiß, dass die Sachen unter unsäglichen Bedingungen hergestellt werden und er als Käufer quasi nur durch die Reklame verarscht wird, den kann man wohl kaum als Opfer bezeichnen, das gezwungen wird, da mitzuspielen. Deiner Argumentation folgend wäre es ja egal, wie man sich verhält, solange das System so ist, wie es ist – also kann ich auch bei Lidl & Kik einkaufen und mit dem Porsche zum Briefkasten fahren… (und damit die Kräfte mästen, die ganz besonders für den Erhalt dieses Systems arbeiten)

      Dass der Staat, also viele Politiker, so tun, als hätten sie alles im Griff und die Leute sollten sich deshalb bloß keine (eigenen) Gedanken machen, ist schon klar – dafür gibt es halt die an Bedeutung gewinnenden “alternativen Medien”, Internet sei Dank.

      Abgesehen davon fände ich es eher perfide, das, was Menschen in einer Diktatur zu erdulden haben, für nur “marginal unterschiedlich” zu dem zu halten, was hierzulande geschieht – wo man vielleicht vom Flatscreen-TV mit Kaufpropaganda beschallt wird, aber nicht um sein Leben fürchten muss…

  10. kunstseidenes

    Ich befürworte HartzIV nicht, und ich bestreite auch nicht, dass es für manche (Familien) zu wenig Geld ist.
    Aber diese pseudolinke Stigmatisierung aller HartzIV-Bezieher als hilf-und hirn(!)lose Opfer, die in ihren Slums verhungern müssen, weil das Geld für Nahrungsmittel fehlt, ist m.E. ebenso arrogant, realitätsfern und verachtend wie die gegenteilige Extremposition, alle diese Menschen seien Schmarotzer, die sich auf Kosten des Steuerzahlers ein nettes Leben machen: Nämlich eine
    Diskriminierung aufgrund des Einkommens.

    Die Problematik besteht doch -wie bei so vielem- im System an sich, das auf Profitgier und der damit verknüpften nahezu religiösen Maxime fußt, Konsum mache glücklich. Das System ist dennoch keine gottgegebene übergestülpte Matrix, das System besteht aus Menschen. Aus uns. Jeden Tag.
    Was zu der Frage nach der Wirksamkeit der Systemkritik in Form des individuellen Handelns führt, an der sich die Geister wohl ewig scheiden werden.

    Beste Grüße

    PS: Davon abgesehen, dass dieser Vergleich echt mal problematisch ist – es gibt durchaus Menschen, die gegen Diktaturen aufzustehen versuchen.

  11. Hallo,
    weil das mein erster Kommentar hier ist, erstmal das hier ist ein fantastischer Blog, ganz dickes Lob. Vielen Dank dafür! :-D

    Billige Lebensmittel und Niedriglohn/Hartz 4:was mir im Monat zur Verfügung steht, ist ungefähr auch auf diesem Niveau.Trotzdem schaffe ich es sehr gut komplett ohne Discounter auszukommen z.B: ich bekomme 1 mal in der Woche eine Ökokiste mit frischen Gemüse/Obst(hier ist ein Artikel darüber: http://blog.wagashi-net.de/2011/01/sprossensalat-mit-tofu/) für 2 Personen, kostet um die 12 EU.Alles von Biobauern aus der Gegend, aber auch Bio Obst ist möglich, auch vernünftige Eier und auch Fleisch, wenn das sein muß(bin Vegetarier) usw.
    Andere Möglichkeit: Food coop, mehr Info hier bei Mixxed Greens:http://mixxedgreens.blog.de/2010/12/09/food-coop-gegessen-10150415/
    Man muss auch mit wenig Geld wirklich nicht diese Art von Lebensmitteln kaufen.Das ist oft eine Ausrede, eine ganz schön bequeme noch dazu, ich merke es auch daran, wie aggressiv manche Menschen reagieren, wenn man sie damit konfrontiert.

    Bin auch absolut mit der Aussage von kunstseidenes einverstanden:”Stigmatisierung aller HartzIV-Bezieher als hilf-und hirn(!)lose Opfer” nach dem Motto die armen Menschen können nichts dafür.

    Beides ist hier anzuklagen, die Verbraucher und das System, es wird ja von den Verbrauchern getragen! In Deutschland entwickelt sich doch seit Jahren eine “Armutindustrie”(basierend auf der Niedriglohnpolitik u.H4) eben mit Discoutern, “Schnäppchenläden” und der ganzen abartigen “Geiz ist Geil” Mentalität. Und daran sind wir Verbraucher schuld(auch ich).Viele Menschen sind einfach zu bequem, zu faul, zu desinteressiert. Darüber könnte ich jetzt noch vieles mehr schreiben, das können aber andere besser.;-)

    Dagegen der Rest meiner Familie, nur als Beispiel(für die ich mich schämen muss), sie alle verdienen wirklich gutes Geld und meinen, sie sind “wer”(Private Praxis usw.) Wo wird eingekauft? Richtig, beim Aldi. Ökokiste ist “zu teuer”!!!!
    Ich sagte doch, ich schäme mich für meine Familie, die aber ja so viel “erreicht” hat.

    Was mir persönlich auch noch sehr wichtig ist, ist nicht nur der Aspekt, dass Bio gesünder ist, sondern auch die Herstellung der Produkte spielt eine enorme Rolle, ich will keine Konsumgüter kaufen, bei deren Herstellung Mensch und Tier ausgebeutet werden.
    Was meint ihr, was passieren würde, wenn sich immer mehr Menschen ähnlich verhalten würden, eines darf man nicht vergessen, in diesem auf Konsum ausgelegten System darf man die eigne “Macht” die man nun als Konsument hat, nicht unterschätzen, und sie auch nicht “verschenken”.

    Grüße an alle

    • Hallo Amatō,

      danke für’s Blog-Kompliment :-) und auch für Deinen Kommentar. Ich denke, dem gibt es wirklich nicht viel hinzuzufügen; es freut mich ja, dass dann doch mehrere Leser hier schon erkannt haben, dass der Konsument nicht nur willenloses Opfer ist, sondern auch eine Verantwortung für sein eigenes Handeln trägt.

      Übrigens, zum Thema “Hartz IV => mies/ungesund essen müssen” gab es zufällig gestern in der ZDF-Sendung WISO auch einen Beitrag – zwar geht der nur einseitig auf die Gesundheit der Ernährung ein (und zB nicht darauf, was man mit seinem Discount-Einkauf alles anrichtet etc., weswegen der Beitrag mir zu flach ist), aber auch dort wird gezeigt, dass vernünftig essen nicht nur nicht teurer, sondern sogar günstiger sein kann als sich Billigfertigkost reinzupfeifen.
      “Verdammt zum Essen aus der Dose?”

  12. Insider

    Zum Thema Billig und Löhne bzw. H4 könnte man auch fragen: „Was war zuerst da, das Huhn oder das Ei?
    Zuende gedacht und die Frage umgesetzt bedeutet dies für mich: hat „Billig“, Hartz 4, Lohndumping,Zeitarbeit und Co. die Arbeitslosigkeit erst verstärkt oder eher abgeschwächt? Jetzt als es so ist wie es ist, scheint diese absurde Logik unumkehrbar zu sein. Wirklich?
    Viele Menschen meinen ihnen bleibt nun nichts anderes übrig als immer billiger einzukaufen bei den Löhnen. Da können sie zwar kurzfristig durchaus Recht haben, jedoch haben diese alle noch nicht gemerkt… “weil wir Billig in den Discountern ala Aldi,Lidl und Co einkaufen, müssen wir bei diesen einkaufen”! Denn diese Unternehmen haben einen großen Anteil daran an der Abwärtsspirale unserer Arbeitsbedingungen und Löhnen. Mini, Teilzeit, Halbtagsjobs, Zeitarbeit,ect. – mit Löhnen von denen man inzwischen kaum eine (relativ) „normale“ Lebensqualität in Deutschland erreichen kann.Solche gierigen Konzerne sind die Ursache und Nutznießer im doppelten Sinne. Das unerschöpfliche Reservoir von Arbeitslosen der letzten 10 Jahre hat dies mit Hilfe der Politiker (deren Vorstellung von Löhnen und Lohnkosten) möglich gemacht. Die Politik spielt solchen Unternehmen, deren perfiden und scheinheiligen Billig Unternehmenspolitik geradezu in die Hände.
    Zwar schon 2004 geschrieben aber aktueller denn je >
    Geiz macht arm –im Geldbeutel und im Hirn!

    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-38546660.html

    http://www.cicero.de/97.php?ress_id=6&item=1357&do=send

    http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2010/0417/wirtschaft/0012/index.html

    Und zu „unseren“ übrig gebliebenen Lebensmitteln >
    Zitat: „Tricksereien sind bei Lebensmitteln an der Tagesordnung. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht ein neuer Etikettenschwindel aufgedeckt wird: Biolimonade, in der so wenige ökologisch erzeugte Inhaltsstoffe stecken, dass man fast von homöopathischen Dosierungen sprechen kann. Analogkäse, der Pflanzenfett statt Kuhmilch enthält. Krebsfleisch-Imitate, die aus Fischabfällen gepresst werden.
    z.B. Das Aroma der Erdbeere lässt sich leicht imitieren – so ist es möglich, Erdbeer-Joghurt ohne eine einzige Erdbeere herzustellen.
    Immer mehr Hersteller sparen bei Zutaten, vor allem in Zeiten einer Wirtschaftskrise, in der die Preise für Nahrungsmittel stetig fallen. Der eigentliche Skandal daran ist, das dies meist ganz legal geschieht – und ohne dass es der Käufer merkt. Schuld daran sind eine mangelhafte Kennzeichnungspflicht, ein lückenhafter Verbraucherschutz und eine Politik, die die Rechte der Lebensmittelindustrie über die der Konsumenten stellt.
    Ein Erdbeer-Joghurt, der laut Zutatenliste “natürliche Aromastoffe” enthält, das klingt zunächst vertrauenserweckend. Was aber viele nicht wissen: Diese Bezeichnung bedeutet nicht zwangsläufig, dass auch nur eine einzige Erdbeere…..“
    siehe:
    http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/mogelpackung-essen-wie-gut-dass-niemand-weiss-1.28434

    http://www.faz.net/s/Rub8E1390D3396F422B869A49268EE3F15C/Doc~E010DF7D80EE44837A37B2D4C3C107448~ATpl~Ecommon~Scontent.html

    Wahrscheinlich muss der deutsche Michel (= Verbraucher= +Arbeitnehmer+Arbeitslose) auch dafür erst auf die Strasse ( wie derzeit in anderen Ländern überfällig und aktuell) um auch für seine Rechte = faire Lebens/ Bedingungen (auch in Deutschland) zu kämpfen.
    1989 ist schon ziemlich lange her. Gibt’s seitdem nichts mehr in unserem Land was uns auch wichtig ist?
    (Stuttgart 21 lässt grüssen -ist ein Anfang!)
    m.f.G.

  13. kunstseidenes

    “1989 ist schon ziemlich lange her. Gibt’s seitdem nichts mehr in unserem Land was uns auch wichtig ist?”

    Doch, und wie. Aber Widerstand wird in diesem Land nicht als Aufstehen gegen ein ungerechtes System aufgefasst, sondern als linke Randale. Da fällt es einigermaßen schwer, mehr Menschen zu überzeugen, dass ein bisschen Revolte mal angebracht wäre…(und ich meine damit nicht sinnlose Gewalt, aber was haben Demonstrationen bislang gebracht?).

    Entschuldigung im voraus, falls das jetzt zu weit vom Thema wegführt, aber gerade passend zur Stigmatisierung der HartzIVer von reaktionärer Seite:
    “…signalisierte der Streit um Bagatellbeträge, dass Regierung und Opposition eigentlich finden: Hartz-IV-Empfänger bekommen längst genug!

    Damit spiegeln die Parteien exakt die Meinung in der Bevölkerung wider. Wie der Soziologe Wilhelm Heitmeyer bei Umfragen 2009 ermittelte, meinen immerhin 57 Prozent der Bundesbürger, dass sich Langzeitarbeitslose “ein schönes Leben auf Kosten der Gesellschaft machen”.


    Anders als die Hartz-IV-Empfänger gehören die Leiharbeiter zu den “würdigen” Armen, die Solidarität einfordern dürfen. Die Unterscheidung zwischen “würdigen” und “unwürdigen” Armen stammt aus dem Mittelalter – und prägt bis heute. Unwürdig ist jeder, der angeblich selbst schuld ist an seinem Schicksal. Also die Bettler und Vaganten, wie sie früher genannt wurden; die Langzeitarbeitslosen, wie sie heute heißen. Würdig hingegen sind alle, die trotz Arbeit arm sind oder nicht arbeiten können: Ausgebeutete, Kranke, Mütter – und Kinder. ”

    http://taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/arm-aermer-langzeitarbeitsloser/

  14. Insider

    @kunstseidenes
    es ist nicht nur die Gruppe die Du berechtigt ansprichst
    (bzw. schreibst) -es sind längst viele Menschen die in unserem Land von der Wirtschaft und der Politik (demokratisch) verarscht werden !
    siehe was der Spiegel ganz aktuell darüber schreibt:
    Zitat: >Im Zweifel linksFairness ist Zufall<!
    Von Jakob Augstein
    "Die Parteien streiten um Gerechtigkeit im Einzelfall, aber die Ungerechtigkeit ist längst Teil des Systems. Der moderne Kapitalismus entzieht dem Sozialstaat die Geschäftsgrundlage. Ein Umbau tut Not: Die Zeit für das Grundeinkommen ist gekommen.
    Angela Merkel herrscht in der Dreifaltigkeit des modernen Kapitalismus: Einem Drittel von uns geht es gut, ein Drittel fühlt sich bedroht – und ein Drittel wird abgeschrieben. Wer länger als ein Jahr arbeitslos ist, stürzt in die wachsende Masse derer, die die Ökonomen "Surplus-Bevölkerung" nennen: die Überflüssigen.

    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,744587,00.html

    dazu ein passendes Portraitbeispieleines Milliardärs –
    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-8720167.html

    Fair und gerecht sieht also ganz anders aus… auch bei uns in Deutschland – eines der (immer noch) reichsten Länder des Erdballs.

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