Turbomast und Gift im Tierfutter

© wawal, stock.xchng

Der Dioxin-Skandal ist ja (wenn auch in abnehmender Intensität) in aller Munde und taucht nach wie vor in den Medien auf. An mancher Stelle war zu lesen, dass nun Konsumenten immer öfter zu Bio-Lebensmitteln greifen, die Ökobauern aber nicht mit der Produktion hinterherkommen und händeringend Landwirte gesucht werden, die auf Ökolandbau umstellen. Das wäre eigentlich eine positive Entwicklung, wenn nicht zu befürchten wäre, dass der Trend eben wie in der industriellen Landwirtschaft hin zu Riesenhöfen geht, die von Konzernen geleitet werden, die sich um den Biolandbau an sich nicht weiter scheren, sondern nur auf den fahrenden Zug aufspringen, um Geld zu machen. Statt einer kleinteiligen regionalen Versorgung bekommen wir am Ende dann vielleicht auch wieder eine monopolisierte Angelegenheit, die womöglich gar noch auf den Export getrimmt wird.

Aber ich will nicht spekulieren, die Zukunft wird zeigen, wohin sich das Ganze entwickelt. Immerhin war die „Wir haben es satt!“-Demonstration am 22. Januar in Berlin ein großer Erfolg – 22.000 Demonstranten zeigten ihren Unmut über Genfood, Massentierhaltung und ähnliche Entwicklungen. Damit dieser Impuls nicht wieder einschläft, gibt es nun auch eine eigene Website – www.meine-landwirtschaft.de –, die das weitere Vorgehen begleitet und versucht, für ein Umdenken bei der Politik, aber auch bei Konzernen und Verbrauchern zu sorgen.

Dass die Konsumenten in ihrem Bestreben, alles möglichst billig zu haben, nicht ganz unschuldig an den Fehlentwicklungen sind, thematisierte neulich auch die BR-Sendung quer – „Schnelle Brüter: Hähnchenmast-Offensive trotz Dioxin-Skanal“:

Während der Dioxinskandal noch durch die Medien geistert, setzen Großmäster weiter auf den Ausbau ihrer Betriebe. Die Straubinger Schlachtanlage der Firma Wiesenhof, Deutschlands größter Hähnchenmäster, soll nun auf 250.000 Schlachtungen pro Tag erweitert werden. Dafür braucht man neue Mastanlagen. Eine davon soll in Messenfeld im Landkreis Lichtenfels entstehen. Mit 39.000 Masttieren wäre die Anlage der größte derartige Betrieb Oberfrankens. Doch in dem kleinen Dorf regt sich unter den 60 Einwohnern heftiger Widerstand. Währenddessen wird in den Discountern der Gegend weiterhin Billigfleisch gekauft.

So sehr ich auch im Prinzip dafür bin, den Verbraucher durchaus mit in die Verantwortung für die herrschenden Zustände zu nehmen, so muss ich obigen Beitrag allerdings schon ein wenig kritisieren, denn er stellt z.B. den Geflügelkonzern Wiesenhof fast als „armes Opfer“ der „bösen Konsumenten“ dar, so dass Wiesenhof gegen seinen Willen Massenställe aus dem Boden stampfen muss. Wie die Zustände bei Wiesenhofs Betrieben tatsächlich zum Teil aussehen, bleibt unerwähnt – Dirk Bach hatte die schlimmen Bedingungen, unter denen die Tiere dahinvegetieren müssen, in seiner Undercover-Recherche in Niedersachsen ja letztes Jahr eindringlich belegt (siehe „KFC und Wiesenhof gehen für Profit über Leichen“).

Interessant finde ich da auch den Beitrag des NDR-Magazins Markt, der in „Giftstoffe in Tierfuttermitteln“ der Frage nachgeht, was denn so alles legal im industriellen Tierfutter enthalten sein darf und wie die derzeitigen Strukturen das Panschen erleichtern. Der Vergleich zur z.B. Bioland-Qualität ist schon frappierend, das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht:

Die Geschichte der Lebensmittel-Skandale war immer wieder auch eine Geschichte der Futtermittel-Skandale. Noch vor zehn Jahren war es zum Beispiel normal, Tiermehl ins Kuhfutter zu mischen  – also Fleisch an “Vegetarier” zu verfüttern. In Belgien wurde vor einigen Jahren sogar Klärschlamm im Schweinefutter entdeckt. Im Hühnerfutter fand man Nitrofen und jetzt das hochgiftige Dioxin im Tierfutter. Sind die Gesetze nicht ausreichend? Und wie viel Resteverwertung und Abfallentsorgung im Tierfutter ist akzeptabel?


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Gernot Hassknecht über Billiglebensmittel

10 Kommentare

  1. Saraphine

    Der beste Weg sich gegen die korrupte Fleischindustrie zu schützen: go Vegitarian. Sorry ihr Fleischesser, aber ist nun mal so.

  2. NannyOgg07

    Saraphine: da hast du zwar recht, aber so einfach ist das nicht. Ich bin gerade auf dem Weg zum Vegetarismus (nur noch Fisch und Eier), aber jeder Mensch hat eine andere Vorrausetzung für das was er tut. Eine enge Kooperation aus bewusstem Konsumverhalten, wie es Leser und Betreiber dieser Website ja anstreben und politischen Regulatorien könnte helfen.
    Ich finde nicht dass in dem quervideo Wiesenhof als Opfer dargestellt wird, zumindest hab ich das als Ironie verstanden, aber vielleicht liegt es nur am Betrachter:-). Jedenfalls finde ich es interessant dass Menschen wie bei jedem Skandal so schnell wieder zur Tagesordnung übergehen. Kaum ist der Skandal da wird schon wieder eine andere Sau durchs Dorf getreiben, wahlweise der Kapitän der Gorch Fock oder die Schweinegrippe, die taugt sowieso gut als Ablenkungsmanöver :-/

  3. kunstseidenes

    Ich glaube, dass Vegetarismus für alle (noch! Mal abwarten, wie sich die Weltbevölkerung entwickelt) nicht nötig ist, wohl aber ein Umdenken. Mich stört die Selbstverständlichkeit, mit der tierische Produkte konsumiert werden, nicht der Verzehr an sich. Fleisch, Milch, Ei dürfen m.E. kein Grundnahrungsmittel (mehr) sein angesichts der Ressourcen und nicht zuletzt der Lebewesen, die sich dahinter verbergen.

    Skandale…jaja…ab und zu muss dem_der Verbraucher_in ja suggeriert werden, dass da “jemand aufpasst” – in Wirklichkeit laufen alle Hühner durch den Obstgarten, und alle Kühe essen duftendes Wiesenheu, nur ab und zu gibt es einige böse Kriminelle, die sich nicht an die Regeln halten. Oder?
    Wenn man sich ernsthaft damit auseinander setzt, was die “konventionelle” Landwirtschaft mit Tier, Boden und im Endeffekt Mensch anstellt, kann einem m.E. nur der Appetit vergehen. Das betrifft auch die Schrippe beim Bäcker um die Ecke.

    Apropos Appetit:
    http://taz.de/1/zukunft/konsum/artikel/1/das-fressen-die-schweine/

    Und ja, die Gefahr, dass Biolandwirtschaft einfach mit-industrialisiert wird, sehe ich auch – es ist bereits Realität. Bio=Kleinbetrieb ist ebenso naiv wie die Gleichung Kuh=Bauernhof. Ich habe nicht ohne Grund schon über den Einsatz von Melkrobotern in Demeter-Betrieben diskutiert…
    Danke für den Link, das sehe ich mir b.G. mal in Ruhe an.

    Beste Grüße

  4. kunstseidenes

    Nachtrag:
    Saraphine, du glaubst aber nicht im Ernst, dass sich die Milchindustrie von der Fleischindustrie unterscheidet, zumal beide eng zusammenhängen…?

  5. Brian

    sehr gut eure seite. kennt ihr diese? http://infokrieg.tv/wordpress/ isst auch nicht schlecht!

  6. gnu

    Ich teile die Befürchtungen des Artikels. Nicht die Massentierhaltung ist das Problem, sondern die materielle Orientierung, die dafür sorgt, dass immer Schlupflöcher gesucht und gefunden werden, um großen Reibach zu machen. In gewisser Weise sind wir einfach am Ende. Alles ist automatisiert und effizient bis zum Geht-nicht-mehr, aber die Moral ist weg, das Sein ist verschwunden. Irgendwann wird “leben” und “funktionieren” wohl synonym werden …

  7. Sven

    Die Massentierhaltung ist nicht der Ursprung des Problems, denn der liegt sicher eher im Bereich der menschlichen Gier, aber ein Problem ist sie schon, vor allem nämlich für die geschundenen Tiere. Immerhin sprechen wir hier von durchaus intelligenten Vögeln und Säugetieren (z.B. Schweine !). Man spricht ihnen einfach die Leidensfähigkeit ab … Wer das glaubt, braucht bloß mal in eine Schlachterei gehen … danach mag er dann vielleicht sowieso kein Fleisch mehr essen. Aber noch eine menschliche Eigenheit: was ich nicht sehe, weiß ich auch nicht (die berühmten 3 Affen).

  8. Düdum

    Ob man Vegetarier wird oder nicht, hängt auch stark von individuellen Bedürfnissen ab. Den geburtenstarken Jahrgängen aus der Nachkriegszeit hat sich der Werbespruch “Fleisch ist ein Stück Lebenskraft” nahezu unauslöschlich ins Hirn gebrannt. Da wurde ein Bedürfnis erzeugt, dass jetzt nicht so einfach abgeschaltet werden kann. So ist das mit Gehirnwäsche jeglicher Art.

    Ein interessanter Kompromiss: jeden zweiten Tag auf Fleisch zu verzichten. Für mich persönlich gilt seit einiger Zeit: fleischlos an ungeraden Tagen. Rein rechnerisch ergeben zwei halbe Vegetarier einen ganzen und der Fleischkonsum liese sich so übernacht um die Hälfte reduzieren.

    Angenommen alle würden das tun. Würde dann übernacht auch jede zweite Tierfabrik verschwinden? Sicher nicht, denn es handelt sich bei diesen Projekten um gewaltige Investitionen, die Gewinn abwerfen müssen, koste es was es wolle. Und wenn wir Deutsche die Ware nicht abnehmen, dann geht sie halt nach China…. So einfach ist das – für die Massentierhalter! Deshalb ist der Ansatz, die Entstehung neuer Betriebe mit allen Mitteln zu verhindern
    unumgänglich. Wenn Fleisch dann etwas knapper und teurer würde, ist das für unsere Gesundheit nur positiv.

    Politik mit dem Einkaufswagen ist gut und schön, dient aber in erster Linie Beruhigung des eigenen Gewissens. Mit der Entscheidung vegetarisch oder vegan zu leben ist das ebenso. Nichts ist falsch daran Gewissensent-scheidungen zu fällen, die gut tun, im Gegenteil. Nur ist es damit eben nicht getan. Ein Problem wird nicht von heute auf morgen gelöst und auch nicht mit einem Ansatz, wobei alle Ansätze durchaus gleichberechtigt nebenein- ander herlaufen können und müssen. Im Alleingang und mit Ausschließlichkeitsanspruch drehen wir uns lediglich um die eigene Achse bis uns schwindelig wird, und wir entnervt aufgeben.

  9. klasse blog. den werde ich im auge behalten. bitte weiter so. gruss bertl

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