So, die Bundestagswahl ist vorbei, und das Ergebnis, nun ja… Manchmal muss man sich schon fragen, ob es nicht an der Zeit wäre, hierzulande mal so langsam ein neues Volk zu wählen. ;-) Die BR-Sendung quer hat auf jeden Fall (noch vor der Wahl) einen schönen satirischen (?) Beitrag zum Thema Sinn und Unsinn von Umfragen gebracht – ich denke, diesen Clip sollte man jedes Mal ausstrahlen, wenn wieder ein Politbarometer o.ä. vollmundig die Ergebnisse irgendwelcher Bürgerbefragungen verbreitet.
Schlagwort: Wahlen
Was sind denn die »Meinungen«, auf denen die Umfragen basieren, anderes als die Ansichten von Menschen, denen es an ausreichender Information und der Gelegenheit zu kritischer Reflexion und Diskussion fehlt? Außerdem wissen die Befragten, daß ihre »Meinungen« nicht zählen und somit ohne Auswirkungen bleiben. Solche Meinungen stellen nur die bewußten Ideen eines Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt dar; sie sagen uns nichts über die in tieferen Schichten vorhandenen Tendenzen, die unter veränderten Umständen zu den entgegengesetzten Meinungen führen könnten. Der Befragte hat ein ähnliches Gefühl wie der Wähler in einer politischen Wahl, der genau weiß, daß er in Wahrheit keinen weiteren Einfluß auf die Ereignisse nehmen kann, sobald er einem Bewerber zu einem Mandat verhelfen hat. In mancher Hinsicht werden politische Wahlen unter noch ungünstigeren Umständen durchgeführt als Meinungsumfragen, da die semihypnotischen Wahlkampftechniken das Denkvermögen beeinträchtigen. Die Wahlen werden zu einem spannungsträchtigen Melodrama, bei dem es um die Hoffnungen und Ambitionen der Kandidaten, nicht um Sachfragen geht. Die Wähler können an dem Drama mitwirken, indem sie dem von ihnen favorisierten Bewerber ihre Stimme geben. Wenn auch ein großer Teil der Bevölkerung auf diese Geste verzichtet, ist doch die Mehrheit von diesem römischen Spektakel fasziniert, bei dem Politiker statt Gladiatoren in der Arena kämpfen.
Um zu echten Überzeugungen zu kommen, bedarf es zweier Voraussetzungen: adäquate Informationen und das Bewußtsein, daß die eigene Entscheidung Folgen hat. Die Meinungen des machtlosen Zuschauers drücken nicht dessen Überzeugungen aus, sondern sind so unverbindlich und trivial wie die Bevorzugung einer Zigarettenmarke. Aus diesen Gründen repräsentieren die in Umfragen und Wahlen geäußerten Meinungen die niedrigste, nicht die höchste Ebene menschlicher Urteilsfähigkeit.
Erich Fromm, Haben oder Sein, 1979
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Wunderbar, dass es Martin Sonneborn gibt, sonst wäre Politik doch quasi unerträglich fade. Übermorgen dürfen (?) die Berliner mal wieder an die Wahlurne und Klaus Wowereit als Bürgermeister wiederwählen. Das ist langweilig. Deutlich interessanter finde ich da doch das, was Herr Sonneborn als Parteivorsitzender der Partei DIE PARTEI zu sagen hat, zum Beispiel zu den Zielen seiner schmierigen populistischen Vereinigung und über eine potentielle Koalition mit der FDP:
[via]
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Und nochmal krankheitsbedingt heute nur etwas „Fremdfutter“ – wenngleich erfreuliches. Denn die Piratenpartei hat es bei den Europawahlen am Sonntag durch ihr gutes Abschneiden in Schweden tatsächlich ins EU-Parlament geschafft! Derzeit sammelt die Piratenpartei übrigens noch Unterschriften, damit sie auch zur Bundestagswahl zugelassen wird – 3/4 der Stimmen hat sie schon zusammen, also bitte unterstützen. Selbst, wenn Zweifel daran, ob sich durch Wahlen noch groß was bewegen lässt, angebracht bleiben, heutzutage mehr denn je zuvor („Würden Wahlen wirklich etwas verändern, so wären sie verboten“, wie mal sinngemäß ein berühmter schlauer Kopf, komm jetzt grad nicht auf den Namen, sagte).
Hier die dazugehörige Pressemitteilung:
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Die Europawahl am vergangenen Wochenende war für die Piratenpartei ein voller Erfolg. Bei ihrer ersten bundesweiten Teilnahme an Wahlen erreichte die Piratenpartei in Deutschland mit 0,9% der abgegebenen Stimmen das beste Wahl-Ergebnis ihrer jungen Geschichte und konnte 229.117 Wähler für sich gewinnen. In Schweden, dem Ursprungsland der PIRATEN-Bewegung, konnte die Piratpartei mit ihrem Spitzenkandidaten, dem 54-jährigen Informatiker Christian Engström ein Rekord-Ergebnis von 7,1% einfahren. Damit ziehen zum ersten Mal PIRATEN in das Europäische Parlament ein.
Andreas Popp, Spitzenkandidat der deutschen PIRATEN freut sich über das Ergebnis: “Wir sind zum ersten Mal zu einer Europawahl angetreten und obwohl wir bei vielen Wählern noch kaum bekannt waren, haben wir ein solch tolles Ergebnis erzielt. Das zeigt uns, dass sich viele Bürger mit unseren Zielen identifizieren und dass weiteres Potential besteht. Es zeigt auch, dass Bürgerrechte, Datenschutz und ein faires Verständnis von Patent- und Urheberrechten wichtige moderne Themen sind, die die Menschen beschäftigen. Ganz besonders danken wir allen, die uns unterstützt haben. Ohne sie wäre dieser Erfolg nicht möglich gewesen.
Unser Minimalziel von 0,5% haben wir übertroffen. Wir sind jetzt in der staatlichen Parteienfinanzierung und jetzt geht es erst richtig los! Ab morgen konzentrieren wir uns auf die Wahlzulassung zur Bundestagswahl! Denn auch hier heißt es: Klarmachen zum Ändern!”.
Jens Seipenbusch, stellvertretender Vorsitzender der Piratenpartei Deutschland ergänzt weiter: “Mit Christian Engström und den Schweden haben wir ab jetzt aktive Freibeuter direkt in Straßburg und Brüssel vor Ort, die ein wachsames Auge auf alle Vorgänge und Gesetzesvorhaben haben werden. Von diesem Frühwarnsystem werden auch die deutschen Bürgerinnen und Bürger profitieren. Mit der Piratenpartei werden ab jetzt auch die wichtigen Themen der Informationsgesellschaft im Europaparlament konsequent vertreten. Die Piratenpartei Deutschland gratuliert Christian Engström und der schwedischen Schwesterpartei zu ihrem grandiosen Wahlerfolg.”
Auch Thorsten Wirth, Kandidat zur Europawahl und Sitzenkandidat der hessischen Landesliste zur Bundestagswahl freut sich außerordentlich, kritisiert aber die teilweise undifferenzierte Berichterstattung: “Wir sind da. Aus dem Stegreif 0,9% und auf einmal entdeckt uns die Presse. Einige Journalisten halten es dabei leider immer noch für ausreichend, aus unserem Namen unser Programm ableiten zu können. Es ist also herrlich, zu sehen dass unser Name es vermag, die Oberflächlichkeiten einiger Journalisten zu entlarven. Die Journalisten, die sich einmal die Zeit genommen haben, sich mit unseren Zielen auseinander zu setzen, schreiben sehr viel differenzierter. Wir haben jetzt etwas erreicht und die Erwartungen sind hoch. Wir werden noch viel arbeiten müssen, um uns und diesen Erwartungen gerecht zu werden. Ich danke allen, die uns gewählt haben!”.
[Quelle]