Dass Deutschland zu den Ländern in Europa gehört, in dem Lebensmittel relativ gesehen mit am billigsten sind, wundert nicht, wenn man an das sich hierzulande besonders pestilenzartig ausbreitende Discountersystem denkt. Die Folgen sind aber auch unübersehbar, nämlich die Verschwendung von wertvollen Ressourcen – viele Lebensmittel wandern einfach auf den Müll, oft direkt vom Supermarkt in den Container, weil eine Packung angestoßen ist o.ä. Die WDR-Sendung markt brachte unlängst einen Bericht über das „Containern“ und ließ dabei sogar konsum- und systemkritische Töne dabei durchblicken (leider ist die gelungene kritische Anmoderation des Beitrags nicht mit bei YouTube archiviert) – „Lebensmittel: Milliarden im Müll“ (YouTube-Link):
Nach Berechnungen der Gesellschaft für Konsumforschung landen pro Haushalt jedes Jahr Lebensmittel im Wert von etwa 387 Euro im Müll. Das entspräche etwa zehn Milliarden Euro bundesweit. Handel und Verbraucher sind gefordert.
Nachts in einer deutschen Großstadt: Jan Kummerfeldt und Onur Sahin wühlten in einer Tonne auf dem Parkplatz eines Lebensmitteldiscounters. Die Ausbeute hier: einige Kilogramm Tomaten und Paprika sowie Granatäpfel. Die seien durchaus noch essbar, fanden sie. Ein- bis zweimal im Monat gehen sie auf Tour in ihrer Stadt. Nicht aus Not tun sie das, sondern aus Überzeugung: „Wenn ich sehe, dass die Granatäpfel Tausende von Kilometern transportiert wurden, um sie hier wegzuwerfen, dann ist das ein Irrsinn“, sagt Onur Sahin. Die beiden sind scharfe Kritiker der Wegwerf- und Überflussgesellschaft. Sie haben die Initiative gegen die Vernichtung von Lebensmitteln mitbegründet. Ziel ist es, das Thema öffentlich zu machen. (…)
Wer ist schuld?
Unter den Discountern tobt ein Preiskrieg. Die Lebensmittelpreise sinken immer weiter. Das sei eine Spirale nach unten, die irgendwo eine Grenze finden müsse, so Wolfgang Twardawa. Das sei nicht unbedingt eine populäre Einstellung, aber 100 Gramm Schweinebauch für 22 Cent, das könne nicht sein. Wenn etwas so billig sei, animiere der Handel den Verbraucher dazu, mehr zu kaufen, als er benötige. Und: „Wenn ein Lebensmittel so billig ist, dann hat es für den Verbraucher auch keinen Wert“, sagt der Vertreter der Großbäckereien Helmut Martell. (…)
Dazu passt auch dieser Artikel in der neuen ZEIT sehr gut – „Recycling: Abfall ist Nahrung“, in dem es um Michael Braungarts Cradle-to-Cradle-Ideen und -Konzepte geht:
(…) Der 51-jährige Chemiker und Umweltvisionär nutzt jede Gelegenheit, sich darüber auszulassen, wie viel in Sachen Umweltschutz in Deutschland falsch läuft. »Hier herrscht ein Ökologismus! So wie der Sozialismus nie sozial war, werden hier nur Scheinlösungen umgesetzt.« Deutschland und die EU erweckten mit ihren kleinteiligen Regulierungen und Grenzwerten zwar den Eindruck, etwas für den Umweltschutz zu tun. In Wirklichkeit optimierten sie nur falsche Systeme.
Braungart dagegen will das System richtig umbauen. Seine Idee: Produkte sollten am Ende ihres Lebens nicht mühsam entsorgt, aufbereitet oder verbrannt werden, sondern so konzipiert sein, dass sie sich mühelos in anderer Form weiterverwenden lassen. »Cradle to Cradle«, von der Wiege zur Wiege, so nennt er dieses Konzept, das er zusammen mit dem amerikanischen Architekten William McDonough vor acht Jahren entwickelt hat. (…)
Idealistin
Das kann ich bestätigen. Täglich werden bei uns 2 Biotonnen prall gefüllt (120 l)Da landet alles an noch (aber auch nicht mehr) essbaren Lebensmitteln. Der überwiegende Teil,ist noch verwertbar. Lediglich das MHd ist abgelaufen (meistens am selbsn Tag). Dazu muss man wissen es handelt sich um ein Mindesthaltbarkeitsdatum nicht um ein Verfalldatum. Alle Trockengerichte,Konserven, selbst Babynahrung und Joghurts sind noch einwandfrei und können verzehrt werden. Nebst dieser Tonnen werden noch Mengen an Obst- und Gemüse entsorgt. Das allerdings wird von einem Bauer abgeholt. Der versorgt damit seine Schweine/Enten und Hühner oder verbrennt es in seiner Biogasanlage. Sodass letzteres zumindest noch einen Zweck erfüllt- statt auf der Mülldeponie zu vergammeln oder im Hochofen zu landen.
Wir sind eine, von fast 600 Filialen Deutschlandweit. Was alleine bei diesem Großflächendiscounter anfällt ist der reinste Wahnsinn. Diese Kosten zahlt der Verbraucher nur indirekt. Die ruinösen Preiskämpfe belasten –zumindest am deutlich spürbarsten– in erster Linie das Personal. Sowie und die öffentlichen Kassen (durch eingesparte Arbeitsstunden [Arbeitslose].
Das verzwackte ist die Verwöhntheit und das Anspruchsdenken der Verbraucher- alles muss in Massen und jederzeit da sein – und vor allem günstig. Gedanken, wem ein niedriger Preis belastet oder gar wieviel Arbeitsplätze dafür vernichtet wurden, macht sich im Grunde genommen kaum jemand. Die, die es machen werden nicht ernst genug genommen. Die Geschäfte untereinander führen einen erbitterten Kampf um jeden Kunden /Marktanteil. Da gilt es dem Verbraucher alles anzubieten was er sich nur wünscht. Sozusagen ein rundum Sorglospaket, ales aus einer hand (Laden) alles an Ort und Stelle. Mein Arbeitgeber führt 45.000 Artikel, großflächig präsentiert und leider so viel (zuviel) dass es zu diesen großen “Abfallmengen” kommt. Alles fürs Auge und für die ständige Verfügbarkeit- auch aus dem Gedanken heraus nicht ständig nachräumen zu müssen (Personalkósten)
Alle Läden zusammen werfen Milliarden in den Müll…..
Arbeitsplätze!!!!
killergeneration
Ich habe auch mal gehört, dass Discounter ihre Mülltonnen umzäunen, mit Kameras ausstatten oder gar Wachposten aufstellen, damit man ja nicht raus nimmt, was man noch kaufen könnte. Und zu Spenden wird der Müll auch nicht.
Idealistin
@killergeneration,
das ist unterschiedlich. Bis vor kurzem habe ich noch bei Lidl gearbeitet. Bin froh dass ich jetzt endlich was anderes gefunden habe. Trotzdem, dieser Discounter hat eine Absprache mit den ortsansässigen Tafeln. Alle für Menschen noch genießbaren Lebensmittel werden diesen Einrichtungen überlassen. Täglich kommt jemand und holt sie ab, damit sie an Bedürftige verteilt werden. Was dem ersten Augenschein nach als mildtätiger Zweck anmutet, hat in erster Instanz wohl eher kostenpolitische Ansätze. Denn Biotonnen sind Vielerorts teurer als Restmülltonnen. Somit verdienen zwei Seiten an dieser Regelung- die ich befürworte. Aber alles nicht genießbare und auch Frischfleisch – egal ob verzehrbar oder nicht- wird entsorgt.
Wenn Unternehmer die Mülltonnen abschließen oder sogar umzäunen hat das verschiedene Gründe. Hauptsächlich zielt man darauf ab Fremdeinwürfe zu unterbinden – das wird teuer! Eon anderer Grund sind Kunden die den Müll rausfischen, um am Folgetag diesen im Laden zu reklamieren- alles schon dagewesen. Oder noch ein weiterer Grund ist die nicht unbegründete Angst – eventuell haftbar gemacht zu werden, wenn Unbefugte die Lebensmittel aus den Tonnen entnehmen, verzehren und eventuell daran erkranken. Heutezutage wird man für alles Haftbar gemacht. Im Grunde genommen ist diese Maßnahme nichts weiter als reiner Selbstschutz….
Und ich bin alles andere als Discounterliebend. Selbst als ich dort gearbeitet habe – habe ich es vermieden mein sauer verdientes Geld wieder ins Unternehmen zu bringen. Lidl/Aldi und Co meide ich.
metzler franz
Der Lebensmittelvernichtungswahn steuert seinen Höhepunkt entgegen
„ Oh du fröhliche Weihnachtszeit“
Millionen Tonnen Lebensmittel landen jährlich im Müll.
Milliarden von Euros werden gedankenlos vergeudet.
Einerseits jammert der Konsument über steigende Lebensmittelpreise, anderseits werden immer
mehr Lebensmittel in den Müll entsorgt.
Wir leben im Überfluß, sind schon so weit, das wir satte Menschen hungrig machen müssen.
Ein ökologischer und ökonomischer Wahnsinn. Die Folgen sind katastrophal und unabsehbar.
Unsere Verschwendungssucht verschärft anderswo auf der Welt das Hungerproblem, bringt
Elend und Tod.
Das ökologische System gerät aus allen Fugen, katastrophal für das Weltklima.
Dabei wäre eine Halbierung des Lebensmittelmülls durchaus realistisch.
Ohne beim Lebensstandard viel einzubüßen, könnten wir soviel schädliche Klimagase vermeiden, als wenn wir jedes 2. Auto stillegen würden.
Wir sind alle an diesen Wahnsinn beteiligt. Die Einen mehr, die Anderen weniger, und Einige
haben es schon kapiert
Was können wir als Konsumenten dagegen tun ?
Wir Konsumenten haben die Macht Alles zu verändern !
Wir können durch unser Konsumverhalten entscheiden, wieviel wie, wo, wann, produziert wird.
Aber was machen wir ?
Wir lassen uns ausnehmen wie eine Weihnachtsgans.
Wir entscheiden nicht mehr selber, sonder lassen uns als williges Opfer jeden Schmarren andrehen.
Wir sind zu nützlichen Idioten der Konzerne geworden.
Ich frage mich oft, ist es Dummheit, Faulheit oder Ahnungslosigkeit der Menschen.
Ich bin pensionierter Küchenchef, 66, und habe es mir zur Aufgabe gemacht, diesen Wahnwitz
der Lebensmittelvernichtung etwas entgegenzusetzen.
Ich weiß aus Erfahrung, das der Konsument bereit ist sein Verhalten zu ändern.
Aber es muß für Ihn leicht nachvollziehbar, zeitsparend und geldsparend sein.
Genau das ist mein Konzept, und dient als Grundlage für meine wirtschaftlichen Kochkurse an den VHS.
Die gezeigten Speisen müssen ein „Hammer“ sein. Sie müssen so gut schmecken, das Sie
fix in den Speiseplan integriert werden, damit eine Nachhaltigkeit garantiert ist.
Den Teilnehmern wird der sorgsame Umgang mit unseren kostbaren Lebensmittel vermittelt.
Das geht vom gezielten, wertbewußten Einkauf der Lebensmittel ( hier wird meistens schon der
„Grundstein“ zur Lebensmittelentsorgung gelegt), über kreatives Kochen, der restlosen Ver-
wertung der Produkte und deren fachgerechten Lagerung.
Eine Herzensangelegenheit sind mir die Kochkurse mit Kindern.
Leider haben unsere Kinder immer weniger Bezug zu den Lebensmiteln, wissen wenig Bescheid über deren Herkunft, der Erzeugung , dem Aussehen, der Verwendung und Verarbeitung.
Wenn hier keine gezielte Aufklärung erfolgt, werden die Müllberge weiter zu und die
Wertschätzung für unsere Lebensmittel weiter abnehmen. Das kann keinen gleichgültig
lassen. Hier muß den Kindern schon an den Schulen, praktisches Wissen über über den
sorgsamen Umgang und der Verwertung von Lebensmittel, vermittelt werden. Ich bin froh,
das ich im Frühjahr die Möglichkeit habe, an den Schulen mein Projekt vorzustellen.
Ich wäre natürlich noch fröhlicher, wenn ich mein Projekt, mit Hilfe der Medien, einer
breiteren Öffentlichkeit näherbringen könnte.
Es ist bereits fünf nach zwölf, und ich hoffe, das ich durch mein Engagement einen
kleinen Teil dazu beitragen kann, diesen Lebensmittelvernichtungswahn etwas entgegen-
zusetzen.
freundliche Grüße
Franz