Street Art-Skulpturen – Die neue Stadt-Guerilla

Adbusting und Culture Jamming sind ja Methoden, wie der einzelne in den von kommerziellen oder stadtplanerischen Interessen besetzten öffentlichen Raum eingreifen kann, um ganz im Sinne der Situationisten eine Deautomatisierung des Sehens und ein Aufbrechen gewohnter Muster zu bewirken (um es mal geschwollen auszudrücken ;-). Dabei ist Street Art immer an der Grenze zwischen dem rein künstlerischen Aspekt und auch durchaus beabsichtigter Kritik an Firmen, Zuständen oder allgemeiner alltäglicher Abstumpfung. Vor einiger Zeit brachte das Art-Magazin einen netten Artikel über „Street Art-Skulpturen – Die neue Stadtguerilla“, bei dem vor allem die üppige Bilderstrecke lohnenswert ist, da sie viele gelungene Beispiele origineller und ungewöhnlicher Eingriffe in den öffentlichen Raum der Städte zeigt:

Illegale Skulpturen und Interventionen im öffentlichen Raum sind der neueste Streich der Postgraffiti-Generation. Street Art verwandelt die Stadt in einen Abenteuerspielplatz der Kunst. […]

[…] Kultur entsteht durch Spiel – den Spaß daran und durch die daraus entstehende Spannung. “Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt”, schrieb Friedrich Schiller einst. Und der niederländische Kulturhistoriker Johan Huizinga präg­te den Begriff “Homo ludens”, den spielenden Mensch, der für die Street-Art-Künst­ler so beschreibend ist. Die Straße wird zur Leinwand, die Stadt zum Abenteuerspielplatz. Zweck­ge­bundene Stadtmöbel werden zweck­entfremdet. Jede Bushaltestelle, jede Sitzbank, jeder Pflas­terstein ist ein nächstes, potenziel­les Kunstwerk. Und die Künstler spielen mit dem Stadtraum, den Bewohnern und der Geschichte der künstlerischen Avantgarde. Ein Schuss Spontaneität der Situationisten, ein paar choreografische Fluxus-Elemente, ein bisschen Land Art, eine Dosis Dada-Absurdität, verquirlt mit Ready-Mades und Minimalismus – und fertig ist die Street-Art-Skulptur. Aber man muss diese Bezüge auch nicht erkennen, um Street Art zu verstehen. “Street Art versteckt sich nicht in Museen. Sie funktioniert in unserem alltäglichen Le­bensraum, ist Kunst für die Masse, und kann trotzdem intellektuell und konzeptionell sein”, sagt Brad Downey. “Street Art ist wie Baudrillard in Disneyland.”

Brad Downey: "La Somme de L'Oxygéne Dans une Cabine Téléphonique", 2008 (Courtesy Reinkingprojekte)

Harmen de Hoop: "Damen/Herren", Berlin, 1993

Slinkachu: "Stubbed out", 2006

(Ansonsten ist natürlich immer ein Besuch bei rebelart zu empfehlen, um noch mehr (subversive) Streetart zu sehen.)

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8 Kommentare

  1. Pecunho

    Wunderbar! Ich wusste, es war nur eine Frage der Zeit; seit etwa zwei Jahren lese ich hier stumm mit und tief im Innersten wusste ich, eines Tages kommt der Verweis auf die Situs und Guy Debord.

    Lieber Peter, mein Lieblingssatz von Debord ist übrigens der Folgende:

    “Was ich von den wenigen Dingen, die ich mochte und auch beherrschte, war das Trinken. Obwohl ich ausgesprochen viel gelesen habe, habe ich noch mehr getrunken. Ich habe viel weniger geschrieben als die meisten, die schreiben, aber viel mehr getrunken als die meisten, die trinken” (Debord: Panegyrikus, S.41ff).

    Irgendwie beweist er damit ja, dass sich kluge Gedanken und eine nicht unerhebliche Affinität zu alkoholischen Getränken nicht ausschließen (vielleicht sogar bedingen), was ich, mit Verlaub, ja irgendwie sehr sympathisch finde :D

    Apropos sympathisch: Debords “Theses on Traffic”, wo er von den “massive and parasitical existence of private automobiles” (SI #3, 1959) schreibt, ist auch ein Aufsatz, den man unbelehrbaren Autofahrern an vors Sichtfeld hängen müsste…

    In diesem Sinne, die Situation ist der Ort, wo die Utopie Wirklichkeit wird!

    • Freut mich, dass Dich mein Verweis auf Debord freut. :-) Ich habe ihn bzw. die Situationisten allerdings schon ein, zwei Mal im Laufe der letzten Jahre erwähnt – in meiner Buchrezension von Lasns “Culture Jamming” zum Beispiel (http://konsumpf.de/?p=4743), aber auch bei meinen Artikeln über Adbusting/Culture Jamming (http://konsumpf.de/?p=2238). In meiner Literaturliste steht seine “Gesellschaft des Spektakels” auch, sogar als kostenloser pdf-Download.

  2. Danke für diesen tollen Artikel-Hinweis. Die Inspiration, die von diesen teils anarchischen Werken setzt fast schon so etwas wie revolutionäre Energien frei.

    Ich fand deshalb auch den Vergleich eines Künstlers so treffend, der im Bezug auf das Ausstellen von Kunstwerken in Galerien meinte:

    “Das wäre als wenn man einen Feuerwerkskörper in ein Schwimmbecken wirft und sagt: ‘Explodiere!'”

    Keine weiteren Fragen.

  3. Franzi

    Hey ihr,
    äussert interssantes phänomen ist Street Art definitiv, und so auch Thema meiner Abschlussarbeit.
    Da ihr fast alle Debord und die Situationists genannt habe, würde ich intressieren in welchem Kontext ihr das ganz seht.

    • Hallo Franzi – Street Art als Thema einer Abschlussarbeit klingt auch interessant. :-) Was genau meinst Du mit “in welchem Kontext wir das ganze sehen” – um welchen Kontext geht es…? Dass sich Street Art in gewissen Punkten auf die Situationisten bezieht, ist ja, denke ich, relativ offensichtlich, gerade wenn es um die spontaneren Interventionen in öffentlichen Raum geht.

  4. Franzi

    Hey
    Sorry für die späte Antwort Peter.
    Klar dass die Situationisten Street Art auch nachträglich beeinflussen, dérivé, détrounement etc.Damit meinst du ja auch wahrscheinlech die spontanen Interventionen?
    Wie stehst du zu anderen theoretischen Bezügen zu Street At, wie Baudrillard zum Beispiel. Denn leider muss och Theorie in die Abschlussarbeit;)
    Danke

  5. Wunderschön! Die Kunst sollte immer überall um uns sein. Und sie ist, sehr oft aber bemerken wir das LEIDER nicht

  6. Brooklyn Street Art

    Street Art Skulpturen (Lock On´s) ist ein neuer Klassiker in der Entwicklung der Straßenkunstgenre. Lock On street art aus NY hier, im eisen gesweist:
    http://www.brooklynstreetart.com/theblog/2012/03/24/copenhagen-street-art-on-lock-down/

    BSA about the genre:
    “These welded sculptures are made from salvaged iron collected from cultural battlefields.
    Tejn welds the iron together and returns it to the locations as art, chained and locked with found bike-locks…”

    ´Ben.

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