Dez
01
2009
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Buchbesprechung: Carrie McLaren & Jason Trochinsky „Ad Nauseam: A Survivor’s Guide to American Consumer Culture“

mclaren-ad-nauseamEs ist wirklich bedauerlich, dass viele interessante Bücher gerade zur Thematik der Konsum- und Reklamekritik nicht in Deutschland erscheinen bzw. nicht auf Deutsch übersetzt werden, denn so wird ihre Verbreitung hierzulande doch etwas eingeschränkt. Dabei hätte es ein Buch wie das vor kurzem erschienene „Ad Nauseam: A Survivor’s Guide to American Consumer Culture“ (>> offizielle Website) wirklich verdient, ein weltweiter Bestseller zu werden. Die beiden Herausgeber Carrie McLaren und Jason Torchinsky waren mitverantwortlich für das Stay Free!-Magazine, das man ein wenig mit dem kanadischen Adbusters vergleichen kann und das mittlerweile nur noch als Online-Blog weitergeführt wird. In ihrem Buch versammeln sie eine Vielzahl von Artikeln, die in Stay Free! erschienen, teils überarbeitet und ergänzt, aber auch ganz neue Texte.

Anders als Kalle Lasns wegweisendes Meisterwerk „Culture Jamming“, das ein klares Ziel und eine klare, radikale Aussage verfolgt, beleuchten McLaren und Torchinsky in ihrem Buch die verschiedensten Aspekte, die zu unserer Konsumkultur gehören, wobei sie das besondere Augenmerk auf die Reklame und ihre Auswirkungen legen. Wirklich spannend sind beispielsweise ihre Ausführungen darüber, wie sich Werbung im Laufe der Jahrzehnte entwickelt hat, mit welch aus heutiger Sicht geradezu rührend naiven Anzeigen Firmen  Ende des 19. Jahrhunderts versuchten, Kunden von ihren Produkten zu überzeugen. Tatsächlich stand damals noch das Produkt als solches und genaue Informationen im Mittelpunkt des Reklametreibens, während heutzutage ja nur noch Image verkauft wird. Wer nun aber meint, dass früher alles besser gewesen sei, sollte sich einmal das Kapitel „Everything I know about life I learned from Medical Marketing“ durchlesen, das verdeutlicht, mit welch windigen Methoden Firmen auch damals schon die Menschen hinters Licht zu führen versuchten (indiesoweit hat sich nichts in der Reklamebranche geändert) – Produkte wie Listerine, das zunächst als antiseptisches Mittel bei Operationen oder gegen Schuppen eingesetzt wurde, wurde dann 1939 von Warner-Lambert umpositioniert und in ganzseitigen Anzeigen plötzlich als Medikament gegen schlechten Atem (!) angepriesen.

Neben Artikeln darüber, wie Reklame wirkt – besonders erschreckend ist hier eine Studie, die an amerikanischen Schulen durchgeführt wurde und die zeigt, wie sehr Kinder und Jugendliche sich durch das Marketing der Konzerne beeinflussen lassen – oder welche Bedeutung Marken in unserem Leben haben, befassen sich die Autoren ebenfalls mit der spannenden Frage „How Consumer Culture Shapes People“. Wird unser Denken durch den Konsumismus immer flacher und schlampiger oder zerstört Reklamesprech die Sprache? Sehr faszinierend (diesen Artikel werde ich auch für meinen Blog übersetzen) finde ich beispielsweise „L.A. Law – How Hollywood is shaping our legal system“, das zeigt, dass die ganzen Gerichtsshows und die Darstellung von Prozessen in Filmen tatsächlich auch Auswirkungen auf die reale Rechtssprechung und das Verhalten von Richtern und Verteidigern haben.

Mein Highlight des Buches ist das letzte Kapitel, in dem es um kreative Widerstandsaktionen gegen die große Konsummaschine geht – ein Kapitel hatte ich ja neulich schon mal übersetzt, aber es finden sich noch andere schöne Ideen darin. Jedes der Kapitel wird übrigens mit einer kleinen Fragestunde aus der bunt-schillernden Welt von Reklame und Konsum abgeschlossen, in denen man weitere, manchmal schwer zu glaubende, Details über Firmen und deren Strategien erfährt. Wusstest Ihr zum Beispiel, dass Coca Cola, um während des Dritten Reichs im lukrativen deutschen Markt präsent zu sein, Fanta erfunden hat, weil dies deutscher klang? Und dass CC durch Lobbyarbeit es schaffte, dass Coke-Vertreter alle Softdrink-Fabriken in Deutschland und den besetzten Gebieten überwachen durften? Und sich der Konzern bei den Nazis einschleimte, indem er kostenlose Flaschen mit Mineralwasser für den Notfalleinsatz zur Verfügung stellte. (Naja, Coca Cola ist ja auch aus vielen anderen Gründen nicht tragbar.)

Insgesamt ist „Ad Nauseam“ ein richtig gutes, leicht verständlich und humorvoll geschriebenes Werk (das vom Layout her für ein amerikanisches Buch auch erstaunlich angenehm und frisch gesetzt ist), das ein Schlaglicht auf viele, zum Teil sehr skurrile, Facetten der Konsumgesellschaft, in der wir heute leben, wirft und (hoffentlich) beim Leser auch eigenes Nachdenken über manch Grundmechanismus unserer Gesellschaftsordnung anregt. Ich kann es also absolut jedem als Nachttischlektüre oder potentielles Weihnachtsgeschenk (so man denn diesem Konsumritual folgen will/muss) empfehlen.

Carry McLaren & Jason Trochinsky (Hrsg.): „Ad Nauseam: A Survivor’s Guide to American Consumer Culture“, Faber and Faber, New York, 2009, 340 S., 18 US$

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Nov
24
2009
5

Subversive Akionen – Adventures in Medialand

backtotherootsSeit einer Weile lese ich mit großer Freude das brandaktuelle Buch „Ad Nauseam – A Survivor’s Guide to American Consumer Culture“ von Carrie McLaren und Jason Torchinsky, die Begründer des inzwischen eingestellten Stay Free!-Magazines (einer Art US-amerikanischen Adbusters). Eine ausführlichere Rezension folgt demnächst in diesem Theater, aber heute möchte ich Euch erst einmal nur ein kurzes Kapitel aus diesem Werk in übersetzter Form vorstellen – in den kommenden Monaten werde ich noch einige weitere Artikel daraus übersetzen, mit freundlicher Genehmigung von Carrie.

Im letzten Teil des Buches geht es um subversive Aktionen, darum, Widerstand gegen den allesverschlingenden Konsumiermoloch zu leisten – wie in „Adventures in Medialand“, dem einführenden Kapitel dieses Abschnitts, das sich konkret um die lästigen und hässlichen Minipanzer (SUV/Geländewagen) und auch um grundsätzliche Gedanken zu Akten des Protests dreht.

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Ich spazierte zum millionsten Mal durch das todschicke Brooklyner Viertel Park Slope, als mir etwas ins Auge stach: die Autos, die diese Wohnstraße säumten, waren überwiegend SUVs. Park Slope ist bekannt dafür, eine Hochburg der wohlhabenden Liberalen zu sein, jene Art von Menschen, die grüne Haushaltswaren kaufen und ihr Obst & Gemüse im Bioladen erstehen. Darum betrachtete ich dies als ein schönes Beispiel für den schrägen Sinn der Konsumenten für Werte. Der negative Umwelteinfluss eines SUV überwiegt den Gewinn von z.B. dem Kauf von recycelten Papierprodukten oder ungiftigem Katzenstreu bei weitem. (Abgesehen davon verfügt das nördliche Ende von Park Slope über eine exzellente Anbindung durch die öffentlichen Verkehrsmittel; folglich gibt es hier ohnehin nur sehr wenig Gründe, ein Auto zu besitzen.)

Das brachte mich auf eine Idee: gefälschte städtische „SUV-Parken verboten“-Schilder zu erstellen, die aussahen wie die echten. Wir könnten Bolzen benutzen, um sie an den normalen Parkschildern zu befestigen, und SUV-Fahrer, die herumkurven, um einen freien Parkplatz zu finden, überlegen es sich vielleicht zwei Mal, wo sie anhalten.

Meine Freunde waren von der Idee begeistert und so druckte ich einige „SUV-Parken verboten“-Schilder auf Plastikbretter, und erstellte außerdem eine Strafzettelparodie, die an die SUVs in der Gegend geklemmt würden.

Dann, an einem verabredeten Abend, machten sich zwanzig von uns paarweise auf den Weg, die Schilder aufzuhängen und die Strafzettel zu verteilen. Ein paar Stunden später versammelten wir uns an einer nahen Wasserstelle und schwatzten über die Erfahrung. Am nächsten Tag sandte ich eine Pressemitteilung raus, und unser Streich bekam eine Menge Aufmerksamkeit durch die Medien – Aufmerksamkeit, die sehr viel wichtiger war, unsere Botschaft zu verbreiten als die einzelnen Begegnungen mit den Fahrern in der Nachbarschaft. Journalisten benutzten die Geschichte als „Aufhänger“ um die vielen Fallstricke und Nachteile von Amerikas Entwicklung hin zu immer größeren Fahrzeugen zu diskutieren, unsere steigende Abhängigkeit von Ölimporten und die mit dem Auto verbundenen Gefahren für die menschliche Gesundheit und die Umwelt. Noch wichtiger war es vielleicht, dass die Medien dabei halfen, das Bild eines SUV als dekadenten, verschwenderischen und – oh Schreck! – zunehmend aus der Mode kommenden Gefährts zu vermitteln.

Hat diese Aktion die Welt verändert oder einen der von uns aufs Korn genommenen SUV-Fahrer dazu gebracht, sofort mit dem Fahren aufzuhören? Vermutlich nicht, aber schließlich ist das auch nicht zu erwarten. Warum sollte eine öffentliche Aktion mehr erreichen als eine durchschnittliche Reklame? Eine typische nationale Werbekampagne wird von Millionen von US$ und Teams von ausgebildeten Spezialisten getragen. Und dennoch scheitert die normale Reklame nicht nur daran, die Welt zu ändern, sondern schafft es auch nicht, irgendeinen spürbaren Unterschied im Leben eines Einzelnen zu machen. Dies macht Reklame jedoch nicht zu einem Misslingen; Werbung wirkt durch „federleichte“ Effekte: kleine, kaum feststellbare Veränderungen, die über die Zeit hinweg und durch permanente Wiederholung sich zu etwas Größerem aufbauen.

Das gleiche kann man von Aktionen wie unserem SUV-Streich sagen. Sie tragen zu einem Klima des Widerstands bei, zu einer kritischen öffentlichen Meinung, die – kombiniert mit z.B. Zeitungsartikeln, Unfallstatistiken und Berichten über die Erderwärmung – schließlich eine tatsächliche Wirkung entfalten können. (Anm. PM: Dies entspricht auch dem „Meme Warfare“, dem Kampf der Ideen und Gedanken – auch hier gilt es, durch permanentes Verbreiten von anderen Ideen den gleichgeschalteten Strom des Zeitgeists und des kommerziellen Unfugs zu durchbrechen.) Mit „eine tatsächliche Wirkung entfalten“ meine ich, legislative Änderungen zu bewirken. Öffentliche Empörung hat nur eine gewisse Haltbarkeitsdauer: Menschen protestieren gegen bestimmte Dinge nur eine Weile und geben dann auf, um mit ihrem sonstigen Leben fortzufahren. Die einzige Möglichkeit, Änderungen beständig zu machen, ist, dass die Regierung es in Gesetze gießt: Grenzwerte für den Ausstoß von giftigen Gasen zu senken, den Einfluss von Tabaklobbys zu begrenzen, der Reklame in Schulen wirkliche Grenzen zu setzen usw.

Selbst wenn unsere SUV-Aktion gar nichts bewirkt haben sollte – und auch die Medien nicht darüber berichtet hätten und alles unbemerkt geblieben wäre –, so war es dennoch wert, es zu tun. Ich habe interessante Menschen getroffen, habe ein paar schöne Geschichten zu erzählen und bekam ein wenig Erfahrung. Und nicht zuletzt haben wir eine Möglichkeit der Gemeinsamkeit und des Zusammentreffens gefunden, das sich nicht ums Konsumieren dreht – keine geringe Herausforderung in diesen Tagen und diesem Zeitalter.

Die kleinen Akte von Protest, die wir in diesem Abschnitt des Buches vorstellen, erzählen eine ähnliche Geschichte: die von alltäglichen Menschen, die kreative Wege finden, die große Maschine zu untergraben, auszuschlachten oder einfach nur zu überleben. Während keine von ihnendie Welt veränderte oder unbedingt notwendige Lösungen aufzeigte, so brachten sie uns zum Lachen – und inspirierten die Davids, dort draußen gegen die Goliathe zu kämpfen.

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