Die Finanzkrise begleitet uns nun ja schon seit diversen Jahren – offen ausgebrochen ist sie 2008, aber natürlich schwelt sie schon viel länger. ARTE hat sich unlängst in einem Themenabend mit der Bedeutung der Banken und dem Einfluss auf unser Leben befasst und sich damit wieder einmal als ein Sender erwiesen, der auch unbequeme Fragen stellt. Die beiden Dokus heißen „Der große Reibach“ und „Tanz der Geier“ und sind beide en bloc bei YouTube zu bewundern:
Der große Reibach: Als Margaret Thatcher in Großbritannien und Ronald Reagan in den USA die Regierung übernahmen, starteten diese beiden überzeugten Anhänger mit Hilfe von Wirtschaftsberatern der mächtigsten Großbanken eine Deregulierungskampagne sondergleichen: Stück für Stück zerschlugen sie alles, was nach der großen Depression 1929 und der Nachkriegszeit geschaffen worden war, um dem Kapitalismus eine soziale Komponente zu geben. Ihre Nachfolger, ob konservativ oder “links”, führten diese Politik fort. So bestand ironischerweise die letzte Amtshandlung des Demokraten Bill Clinton im Oval Office in der Unterzeichnung eines Gesetzes, das den Staat völlig entwaffnen und Finanzmärkten endlich erlauben sollte, sich so zu entwickeln, wie es ihnen beliebte.
Tim
Ich weiß wirklich nicht, woher die Meinung kommt, die Finanzmärkte seien dereguliert. Sowohl in den USA als auch in Großbritannien ist das Finanzwesen eine Branche, die sehr viel mehr Regeln unterliegt als die meisten anderen Branchen (Ausnahmen sind wohl Kernenergie und Pharma). Auch in Deutschland unterliegen Banken schon immer sehr strengen Richtlinien und einer geradezu absurd rigiden Kontrolle. Die BaFin kann z.B. jederzeit Einsicht in Bücher nehmen und Transaktionen untersagen – wo gibt es so etwas sonst? Und was hat es im Vorlauf der Finanzkrise gebracht?
Thatchers \”Deregulierungskampagne sondergleichen\” besteht ebenfalls überwiegend aus Mythen. Über die wesentlichen beiden Komponenten des Londoner Bankenwunders in den 80ern kann man sich sehr gut in einem unaufregenden Wikipedia-Artikel informieren.
Nein, die Kumpanei zwischen Staaten und Großbanken zeigt sich in anderen Bereichen, aber gewiß nicht in laschen gesetzlichen Regulierungen. Einprügeln auf die Banken trifft keine Unschuldigen, aber Deregulierung ist nicht das Problem.
PS: Der angebliche Deregulierer Bill Clinton war übrigens derjenige, der durch das Wiedererwecken des Community Reinvestment Acts einen wesentlichen Preistreiber schuf, der später (mit) zur US-Hypothekenkrise führte.
materialfehler
Hm. Wenn es nicht die Deregulierung ist, was ist es deiner Ansicht nach dann, Tim?
Tim
@ materialfehler
Die Kumpanei zwischen Banken und Politik besteht darin, daß die Politik den Banken genau die Anreize vor die Nase gehalten hat, die zur US-Hypothekenkrise und später zur Euro-Krise geführt hat.
In beiden Fällen wollte die Politik, daß Banken besinnungslos Kredite herausgeben. In den US an Häuslebauer und -käufer, in Euroland an die heutigen Euro-Problemstaaten. Die Instrumente waren jeweils sehr unterschiedlich, die Resultate aber ähnlich verheerend.
Unternehmen (also auch Banken) werden immer versuchen, aus der gegebenen Markt- und Rechtslage das Beste für sich herauszuholen. Darum darf die Politik auf gar keinen Fall das Entstehen von Blasen fördern. Genau das ist aber in den USA und auch in Euroland über viele Jahre ganz bewußt geschehen.