Bringt das was? Neues Tierschutzsiegel im Supermarkt

Heute will ich mal eine Entwicklung im Lebensmittelsektor zur Diskussion stellen, bei der man sich sicherlich die Köpfe heiß reden kann. So im Grunde und an und für sich sind sicherlich die meisten Menschen gegen die sog. Massentierhaltung – auch wenn sie beim Einkaufen trotzdem zu dem Billigfleisch greifen und sich somit über die niedrigen Preise für ein Stück totes Tier freuen. „Bio-Fleisch, artgerechte Haltung, schön und gut, aber wer soll das bezahlen?“, so geht es sicherlich manchem Konsumenten durch den Kopf. Tatsächlich kommt nur ein verschwindend geringer Teil der Fleischproduktion aus Biohaltung (unter 1 Prozent!), so dass fast alles, was Fleischesser sich so auf den Teller schaufeln, aus eben jenen unwürdigen Haltungsbedingungen kommt, die einem mitfühlenden Menschen den Magen umdrehen müssten.

Ich will hier gar nicht mal vorrangig das Thema „Fleischkonsum – ja oder nein“ auf die Tagesordnung setzen – dennoch war ich etwas erstaunt, ja sogar etwas erzürnt, als ich den folgenden Beitrag der BR-Sendung quer sah: „Ein bisschen Bio? Neues Tierschutzsiegel im Supermarkt

Massentierhaltung mag der Verbraucher nicht. Als Supermarkt-Kunde kauft er Fleisch solcher Herkunft trotzdem. Und nimmt dafür in Kauf, dass Schweine etwa in zu engen Ställen vor sich hinvegetieren. Denn Bio ist den meisten dann doch zu teuer. Um den Verbraucher trotzdem zu sensibilisieren, vergibt der Deutsche Tierschutzbund künftig das Siegel “Für mehr Tierschutz” an Bauern, die ihre Tiere artgerechter halten, als gesetzlich vorgeschrieben. Glücklich wird das Schwein so wohl trotzdem nicht. Aber wie sinnvoll ist so „ein bisschen Bio“ dann überhaupt?

Und da sind wir beim Dilemma, von dem ich eingangs sprach – ist es gut, dass man versucht, die elendigen Bedingungen in der industriellen Landwirtschaft etwas zu verbessern, so dass die Tiere ein wenig weniger leiden müssen? Muss man versuchen, auf diesem Weg der kleinen Schritte nach und nach dahin zu kommen, dass Tiere – wenn man denn schon unbedingt Fleisch produzieren muss – artgerecht leben können? Erstaunlicherweise hat ja der Deutsche Tierschutzbund dieses neue Siegel für Industriefleisch unterstützt. Ich finde das kurzsichtig, denn so kann der Verbraucher, quasi als Ablasshandel, ein etwas teureres Fleisch kaufen, dass etwas weniger schlimme Haltung bedeutet, aber an der Grundproblematik, nämlich dass Tiere hier ausgebeutet werden und Fleischkonsum auch sonst schädlich für die Umwelt ist, nichts ändert. Und dem Biofleischabsatz wird das sicher auch nicht helfen, wenn es so ein verwässertes neues Siegel gibt. In den Köpfen der halb- bis uninformierten Konsumenten wird sich festsetzen, dass Fleisch mit diesem neuen Siegel ja tierverträglich hergestellt wurde und man somit das „überteuerte“ Biofleisch gar nicht brauche. Ich sehe in dem Ganzen am ehesten einen geschickten Schachzug der Lebensmittelindustrie, ihr Treiben nahezu unverändert fortsetzen zu können. Oder sehe ich das jetzt zu streng?


Verwandte Beiträge:

Zurück

Arztpraxen als Profitcenter

Nächster Beitrag

Lesetipps, Internet-Edition: 4 Sheriffs zensieren das Internet | Die Debatte ums Leistungsschutzrecht

10 Kommentare

  1. Meiner unmaßgeblichen Meinung nach siehst Du das völlig richtig. Ich finde diese neue Siegel auch eher kontraproduktiv als hilfreich auf dem Weg zu besserer Tierhaltung. Wir haben vor knapp 2 Jahren fast ganz auf Bio-Fleich umgestellt (problematisch bleibt, daß wir gern auswärts essen gehn, aber besser FAST als gar nicht umstellen, so unsere Devise http://wp.me/pYt3F-g1 beschreibt unsere Gründe)und wenn wir mit Leuten drüber sprechen, stoßen wir auf genau die Haltung, die nun das neue Siegel anspricht: “Klasse, aber das Biofleisch ist ja soooo teuer. Aber ein ungutes Gefühl hat man schon bei dem Massentierhaltungsfleisch” – genau die Klientel für das “ohne viel Nachdenken ein gutes Gewissen einkaufen”-Siegel.
    Schade, daß der Tierschutzbund das unterstützt!

  2. wieso überhaupt Fleisch (in so großen Mengen) essen? ;)

    also die progressiveren Post-Konsumenten unter uns werden sicher sowieso schon deutlich weniger bis gar keines mehr zu sich nehmen und wenn, dann ist ein dreifacher Preis für so ne Nahrungsmittel-Veredelung auch vollkommen i.O.

    das Label bleibt Augenwischerei

  3. Ich denke das entscheidene, und das wurde ja auch genannt, ist es, dass der Verbraucher nur abspeichert “Siegel = gut”. Die ganzen Nebenbedingungen und Abstufungen kommen doch garnicht an.
    Und somit dient dieses Siegel eher der Festigung der Zustände.

    Siegel als schnelle Kaufentscheidungshilfe finde ich eigentlich gut, aber wir brauchen weniger verschiedene dafür aber mit strengeren Vorschriften und stärkeren Kontrollen, so dass ich mich auch auf sie verlassen kann.

    (Im übrigen bin ich der Meinung das der Verzehr Tierischer Produkte eine antiquirte historische Schrulle ist und schleunigst abgeschafft gehört)

  4. Flo

    Ich halte nichts von Siegeln dieser heuchlerischen Vereine in welchen die Vorstandschaft aus Lobbyisten der Gegenseite bestückt ist.

  5. So lange blilliges Fleisch aus anderen Lädern immer noch importiert werden darf, kann es keine Veränderung geben! Die Dumping-Preise der Großkonzerne kann schlicht kein “konventioneller” Züchter halten.

    Ob das neue Label hier Veränderung bringen kann, wage ich zu bezweifeln. Mir tun die Tiere einfach nur leid und ich denke, jeder sollte einfach bewußter mit seinem generellen Konsum umgehen. Ändert sich nicht die Einstellung der Verbraucher, verändert sich gar nichts.

    Leider sitzen die meisten jedoch lieber hypnotisiert vor ihrer Glotze, anstatt über irgendetwas Elementares einmal gründlich nachzudenken.

    So lange man jene nicht “zwingt” umzudenken, werden die Tiere weiter unter diesen verachtenswerten Umständen gehalten werden. Die Nachfrage bestimmt schließlich die “Umstände” – so traurig das ist!

  6. Nee, du erwartest nicht zu viel. Wenn die meisten Bio-Tiere nicht mal gut leben, wie kann dann ein Mittelding gut sein?

  7. Es müsste irgendwie einen Weg geben, den Leuten wirklich mal klar zu machen, was eigentlich abgeht und was das für Folgen hat. Die Leute haben ein Herz und ein Bewusstsein. Sie wollen das alles nicht…Man muss es irgendwie verbunden kriegen mit dem, was auf dem Teller liegt…

  8. Uwe

    Bereits die Billig Bio Fleischangebote in den Supermärkten sind zum Teil durch massive Tierschutzverletzungen in die Kritik geraten. http://www.fairkaufen.info/billig-bio-vom-discounter/ und das trotz EU-Biosiegel. Was soll man da erst von diesem Bio – Light Siegel erwarten. Ich befürchte, dass viele Verbraucher, die ansonsten zumindest hin und wieder zu richtig guten Bio Fleich von Naturland oder Demeter gegriffen hätten, jetzt öfter mal zu Fleisch mit dem Biolight Siegel greifen werden. Das scheint mir der Versuch der konventionellen Massentierhalter hier den Bio Produzenten noch mehr potentielle Kunden auszuspanne. Ich finde dieses Siegel absolut kontraproduktiv.

  9. miaukatze

    Mein Vorschlag:
    Einfach die Fleischesserei ganz sein lassen. Ist nur ne Gewöhnungssache.

    Es geht übrigens auch ohne Eier und Milch vollkommen problemlos: Nur B12 muss mit Tabletten eingenommen werden – was ähnlich unnatürlich ist wie in Häusern zu leben.

    Wer letzteres für übertrieben hält kann ja mal nach “undercover hatchery” bei Youtube suchen. Erst nach dem Ansehen bitte meinen Kommentar kritisieren. Danke!

  10. Fabse

    ist doch lächerlich. der landwirt ,,verbessert” dann irgendeine nichtigkeit, welche den tieren sowieso nicht maßgeblich zu einem ,,besseren leben” verhilft. die konsumenten werden somit schön betäubt und ihr gewissen schweigt. als resultat kaufen sie dann weiterhin dieselben produkte und fühlen sich gut dabei. super…

Präsentiert von WordPress & Theme erstellt von Anders Norén