Dauerwerbesendung als Programm – RTL und der „Undercover Boss“

© nkzs, stock.xchng

Einer der Gründe, wieso ich seit langem kein Privatfernsehen mehr schaue, ist (neben dem miesen, langweiligen Programm und dem kranken Menschenbild, das dort gerne propagiert wird) die komplette Durchkommerzialisierung des Angebots. Neben der „normalen“ Reklame, vor der man wenigstens meist durch Einblendungen und Jingles gewarnt wird, sind viele Sendungen durchsetzt mit Product Placement und unseligen Verquickungen und Verstrickungen mir Marken und Unternehmen. Als Beispiel sei hier nur „Germany’s Next Topf-Modell“ genannt, über dessen plump-abstoßenden Kommerzfaktor ich bereits HIER ein wenig referiert habe.

Nun gibt es aber, wie ich von einem Leser erfuhr, auf RTL etwas Neues – nämlich „Undercover Boss“. Eine Sendung, in der der Chef eines Unternehmens unerkannt für eine Weile ins alltägliche Betriebsgetümmel eintaucht und nidere Arbeiten ausführt, um so zu erleben, wie es ums Betriebsklima bestellt ist etc. Aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen ist auch dieses Format ein Erfolg (allerdings verstehe ich bei den meisten Sendungen im Kommerz-TV eh nicht, was einen daran interessieren könnte), so dass die erste Folge auch von der Blogszene kritisch begleitet wurde. stef-online.net analyisiert in „Undercover Boss – Dauerwerbesendung mit fadem Beigeschmack“ das Wesen dieses verlogenen TV-Gedödels, das am Ende vor allem dazu dient, das jeweilige Unternehmen (in diesem Falle die Fa. Eismann) gut dastehen zu lassen und natürlich dessen Logo und Markennamen möglichst oft, möglichst lange im Bild stehen zu haben. Auf diese Weise jubelt man den Zuschauern en passant das entsprechende Firmanimage unter bzw. sorgt, wenn die Folge glaubwürdig genug gescriptet ist, überzeugender als direkte Reklame. Was das Format in meinen Augen um so perfider macht:

(…) Was bei “Einsatz in 4 Wänden” noch relativ suggestiv stattfindet, hat man jedoch jetzt bei “Undercover Boss” auf die Spitze getrieben. Sieht man bei der Sendung rund um Raumausstatterin Tine Wittler eher “zufällig”, dass die Möbel von IKEA stammen oder die Websites der Handwerker, die natürlich nur zufällig auf den T-Shirts von Maurer, Klempner und Co auftauchen, so wirkte die erste Folge von “Undercover Boss” wie eine perfekt gescriptete Dauerwerbesendung für Eismann. (…)

(…) Für mich bleibt ein fader Beigeschmack – von Minute 1 bis zum Schluss fühlte sich das Ganze an wie eine gescriptete Doku-Soap, von und für Eismann. Selbstverständlich gibt es gute PR-Formate, doch allein das Ende der Sendung war an Heuchelei kaum zu überbieten.  Alle “bespitzelten” Mitarbeiter wurden in die Eismann-Zentrale eingeladen und wahlweise befördert oder – wie im Falle Traut – mit einem Geschenk bedacht. Aber nicht mit einer Aufstockung seiner Stundenzahl bzw. mit einer Bezahlung seiner Überstunden – nein, eine Woche Ägypten All-Inklusiv soll es sein.

Wie es bei Eismann wirklich zugeht, wenn die Kameras nicht laufen, erfährt man u.a. hier:

  • Wer weiß was
  • Consumerblog, Zitat: „Bei eismann wird der Eismann dieselbe Handelsware wie die Produkte. Der Mensch ist ob es nun auch Angestellte sind nicht wichtig, hauptsache es fahren ein paar in der Gegend rum und bringen Kohle. Des einen musst Du Geld haben um das Business überstehen zu können, denn nur 10% verdienen etwas, 50% überleben und dei anderen verarmen und verschulden sich.“
  • Gute Frage.net

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7 Kommentare

  1. Servus und vielen Dank für’s Verlinken meines Beitrages.

    Kleine Ergänzung: Hätte man Undercover Boss mit der Kennzeichung “Dauerwerbesendung” versehen wie es z.B. Raab mit einigen seiner Formate macht – wäre das Ganze wenigstens so halbwegs legitim gewesen…

    • @ dante: Also eine Einblendung “Dauerwerbesendung” wäre zwar etwas ehrlicher, würde aber an meiner grundsätzlichen Kritik an solchen Formaten nichts ändern. Denn dadurch, dass so eine Lobhudelei auf Firmen zu bester Sendezeit im Fernsehen läuft, halten viele Menschen das dann ja trotzdem für “wahr” bzw. beeinflusst es sie zumindest ein wenig in ihrer Meinung zu dem entsprechenden Unternehmen. Von daher fiele so eine Sendung halt unter die gleichen Kritikpunkte wie “normale” Reklame.

  2. Richtig bekloppt finde ich übrigens auch das “Air Berlin Wetter” auf N-TV (meine ich).

    Das fand ich schon wirklich extrem dreist!

    Aber dass RTL immer neue Untiefen zu ergründe versucht, ist wahrlich nichts Neues.

    RTL ist neben 9Live mein Hassender Nummer 1.

  3. FeZI

    Sehe ich komplett anders: Die Alternative wäre auf dieses Format vollkommen zu verzichten, also nicht zu zeigen, wie Chefs mal die einfachen Mitarbeiterjobs machen, was ja sowohl interessant als auch unterhaltend ist (siehe Quoten).

    Was ich bisher gesehen habe, war auch alles andere als besonders aufdringlich werblich dargestellt. Im Gegenteil sogar teilweise weniger appetitlich (Toiletten etc.).

    • “Was ich bisher gesehen habe, war auch alles andere als besonders aufdringlich werblich dargestellt. Im Gegenteil sogar teilweise weniger appetitlich (Toiletten etc.).”

      Dann hast Du das Prinzip dieser Werbung offenbar nicht so ganz durchschaut – es geht ja nicht darum, dass man 45 oder 60 Minuten lang nur heile Welt sieht, sondern der Firmenname möglichst oft vorkommt und man am Ende ein gutes Gefühl hat, weil der Chef doch so ein Toller ist und so nett mit den Leuten umgeht etc. pp. Wenn auch ein paar leicht kritische Momente vorkommen, erhöht das die Illusion des Realismus nur noch und macht das Unternehmen um so glaubwürdiger. Das ist schon sehr geschickt von RTL eingefädelt. Also geschickt für diejenigen, die sich keine Gedanken über die Wirkung von PR & Reklame machen und das Ganze dankbar & passiv konsumieren, um anschließend darüber mit anderen zu sprechen (und so die Marke weiter zu tragen); ganz so wie es sich das Privat-TV und ihre Werbepartner halt wünschen…

  4. FeZI

    Das ist eine bloße Behauptung von Dir, dass es darum ginge den Firmennamen möglichst oft darzustellen; es ist gerade umgekehrt nicht vermeidbar, wenn man eine Art Reportage macht, auch das Firmenloge öfter einzublenden.

    Auf das Argument, dass ansonsten diese Art Sendung nicht möglich ist, bist Du nicht eingegangen.

    Werbung verlangt übrigens im RStV das Vorliegen einer Gegenleistung an den Sender oder Produzenten. Das müsstest Du also erstmal beweisen. Üblich ist bei solchen Formaten eher, dass der Protagonist eine Aufwandsentschädigung bekommt. RTL hat bei 5,5 Millionen Zuschauern auch eine Gegenleistung vom Unternehmen wohl nicht nötig, zumal das ganze nicht besonders teuer aussieht; vergleiche mal Quoten zu Danni Lewinsky…
    Soll heißen: RTL macht das Format nicht, um darin zu werben, sondern weil es wohl viele interessiert und RTL teure Werbeblöcke verkaufen kann.

    Du hast aber insofern natürlich Recht als die Sendung auf jeden Fall eine positive Werbewirkung für das Unternehmen zur Folge hat. Gleiches gilt aber auch z.B. bei einem Testbericht für ein elektronisches Gerät, beispielsweise einem IPad. Würdest Du diese dann auch verbieten wollen? Wenn Du dann noch kritisierst, dass der Bericht über das Unternehmen stellenweise selbst kritisch ist und dies erst Recht den Anschein der Authentizität vermittele, frage ich mich, ob Du es besser fändest, wenn nur positive Seiten dargestellt würden?

    • “Auf das Argument, dass ansonsten diese Art Sendung nicht möglich ist, bist Du nicht eingegangen.”

      Weil es kein Verlust für die Menschheit wäre, wenn es solche Sendungen nicht gäbe. ;-)

      “Das ist eine bloße Behauptung von Dir, dass es darum ginge den Firmennamen möglichst oft darzustellen; es ist gerade umgekehrt nicht vermeidbar, wenn man eine Art Reportage macht, auch das Firmenloge öfter einzublenden. ”

      Aus dem Grund ist aber gerade diese Art von “Reportage” besonders lukrativ und attraktiv für Sender und Werbekunden, nämlich weil die Firma so in aller Munde ist und sich gut darstellen kann.

      “Soll heißen: RTL macht das Format nicht, um darin zu werben, sondern weil es wohl viele interessiert und RTL teure Werbeblöcke verkaufen kann.”

      Das mag sein (ist aber nur eine Behauptung von Dir), aber die Firmen machen da mit, weil sie sich so bestens darstellen können. Eben die typische kommerzielle “Win-Win-Situation”, mit dem Nebeneffekt, dass sich wieder alles nur um den Kommerz dreht. Die einen verkaufen Reklameblöcke, die anderen präsentieren ihr Unternehmen werbewirksam, und das Ganze nennt sich dann Unterhaltung.

      “Würdest Du diese dann auch verbieten wollen? ”

      Wer hat was von verbieten gesagt? ich finde diese Art von Sendungen (aber eben auch generell das Kommerzfernsehen) generell überflüssig bis schädlich, aber verbieten kann man sowas nicht, jedenfalls nicht, solange wir noch in einer Art Demokratie leben, zumal in einer, in der Wirtschaftsinteressen oberste Priorität haben. ;-)

      “Wenn Du dann noch kritisierst, dass der Bericht über das Unternehmen stellenweise selbst kritisch ist und dies erst Recht den Anschein der Authentizität vermittele, frage ich mich, ob Du es besser fändest, wenn nur positive Seiten dargestellt würden?”

      Weder noch. Wie gesagt ist das Format als solches, von der ganzen Grundkonstruktion, der Inszeniertheit her (wie auch in dem verlinkten Artikel beschrieben) darauf ausgelegt, die Firma eher positiv dastehen zu lassen. Gäbe es grundlegende Probleme zu berichten, würden diese vermutlich kaum in der Sendung auftauchen. Behaupte ich mal so. Mit investigativem Journalismus hat RTL bekanntlich nichts zu tun. Das Sendeformat ist reine Unterhaltung und keine wirkliche Information.

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