Man soll mir ja nicht nachsagen können, dass ich nicht jeden Hype mitmache ;-) – tatsächlich wird das Thema Vegetarismus derzeit nicht nur im Greenpeace Magazin ausführlich behandelt, sondern Dank des neuen Buches „Tiere essen“ des amerikanischen Autoren Jonathan Safran Foer (immerhin auf Platz 2 der Amazon-Bestsellerliste!) auch verstärkt diskussionsauslösend in „die Mitte der Gesellschaft“ getragen. Also dorthin, wo man sich bisher über Konsum und Essgewohnheiten wenig Gedanken machte, sondern einfach nur isst, was auf den Tisch kommt. Auf der Utopia-Plattform tummeln sich zugegebenermaßen schon eher Menschen, die bereits etwas bewusster mit ihrer Ernährungs- und Konsumgewohnheiten umgehen, dennoch ist die dort entbrannte Diskussion spannend zu lesen – „Glückliche tote Tiere essen – Plädoyer für bewussten Konsum“.
(…) „Dreckskerl! Ich kann kein Fleisch mehr essen!“ – wie der Spiegel schreibt, erreichen derartige E-Mails Jonathan Safran Foer täglich, seitdem sein Buch „Tiere essen“ in den USA erschienen ist. Wenn kluge Worte mit begabter Zunge zur richtigen Zeit gesprochen werden, besteht die Möglichkeit zum Wandel. Der 33-Jährige wird seit seinem Erstlingsroman “Alles ist erleuchtet” aus dem Jahr 2002 als literarisches Ausnahmetalent gefeiert. Erwartungsgemäß geistreich geht er auch das „Fleisch-Thema“ an. Der Amerikaner predigt nicht für den radikalen Fleischverzicht und gesteht auch seine eigene Schwäche für Fleisch ein. Er will nicht missionieren, nur aufklären. Seine Mischung aus journalistischer Recherche, Autobiographie und Wissenschaft ist bestechend. Foer schockiert mit detailgenauen, szenischen Beschreibungen aus der Massentierhaltung, untermalt diese mit faktischen Statistiken zu Fleischkonsum und Klimawandel und berührt mit seinem persönlichen Stil. Foer bekommt in seinen Worten die Wirklichkeit der Massentierhaltung zu fassen und diese kann augenscheinlich niemanden kalt lassen. (…)
Selbst Die Zeit titelte neulich zum Bild eines blutigen Steaks ganz groß „Lasst das!“ und brachte neben einem Interview mit J.S. Foer – „Donnerstags kein Fleisch“ – auch einen längeren Artikel von Iris Radisch „Tiere sind auch nur Menschen“, in dem sie für eine vegetarische Ernährung plädiert:
(…) Das gilt auch für den noch viel gewichtigeren Trumpf in der Hand der Vegetarier: die ungeheuere Belastung der Erde durch die Treibhausgasemissionen, die durch die Massentierhaltung entstehen. Gerade veröffentlichte das unabhängige Washingtoner Worldwatch Institute seine jüngsten Messungen, nach denen die Massentierhaltung nicht nur wie bisher angenommen für 18 Prozent, sondern sogar für über 50 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich ist. Fleisch essen ist schlimmer als Auto fahren.
Von dem unverantwortlichen Wasserverbrauch, der unwirtschaftlichen Vernichtung von Anbaufläche, der Rodung der Wälder zur Vermehrung von Weideflächen noch gar nicht zu reden. Niemand bezweifelt diese für unsere Überlebensaussichten äußerst betrübliche Diagnose. Sie ist ein starkes Argument für eine drastische Senkung des Fleischkonsums. Doch erspart auch sie uns nicht die alles entscheidende Frage, die man auch unseren ökologisch korrekten Urahnen hätte stellen müssen: Wer darf wen töten und warum? (…)
Die österreichische Zeitung Die Presse geht in „Jonathan Safran Foer: Böses Fleisch“ nicht nur der Frage nach, was Fleischkonsum alles anrichtet, sondern auch, ob es sich beim „neuen Vegetarismus“ eventuell auch nur um einen Hype, eine Modeerscheinung handelt, die nach einiger Zeit wieder in der Versenkung verschwindet:
Spätestens seit sich das deutsche Feuilleton mit Genuss auf Jonathan Safran Foers “Tiere essen” stürzt, ist klar: Vegetarier sind die besseren Menschen. Bloß: Wie lange? (…)
(…) Tatsächlich hat sich die gesellschaftliche Wahrnehmung von Vegetarismus ohnehin bereits deutlich verändert. 2007 waren laut Statistik Austria 1,4 Prozent der Männer und 3,9 Prozent der Frauen in Österreich Vegetarier, die Zahlen gehen aber deutlich nach oben. 2010 kann man gesellschaftlichen Status auch nicht mehr daran festmachen, wer das größte Stück Fleisch auf seinem Teller hat. Vegetarier sind heute keine Sonderlinge mehr wie noch vor wenigen Jahrzehnten, und vegetarische Restaurants sind in Wien keine spleenigen Kaschemmen für Grünwähler mit Birkenstock-Schlappen. Im Gegenteil: Vegetarier sind in der öffentlichen Wahrnehmung die verantwortungsbewussteren, umweltfreundlicheren Menschen. Es wird auch in Wien allmählich chic, Vegetarier zu sein. Spätestens, wenn Jonathan Safran Foers Buch in den Buchhandlungen aus der Gesundheitsecke zu den Bestsellerstapeln wandert, wird es wohl noch schicker.
Zumindest für einige Monate. Bis den meisten Hype-Vegetariern der Geschmack von Pilzen, Gemüse und Hirsebällchen zu eintönig wird. Und sie sich nach einem Steak sehnen. Aber dann hat die Frankfurter Buchmesse schon ausreichend neuen Gesprächsstoff auf den Markt geworfen.
Auch die neue kritische Nachhaltigkeitswebsite Global U-Turn (die ich an dieser Stelle übrigens durchaus auch als Surftipp empfehlen möchte!) wirft einen genaueren Blick auf die Folgen des Fleischkonsums für Gesellschaft und Planeten – „Schmeckt’s?“ lautet die Frage, schließlich ist das „Schmecken“ ja der Hauptgrund für die meisten Menschen, Fleisch trotz aller damit verbundenen moralischen wie gesundheitlichen Probleme zu sich zu nehmen:
Fleisch ist ein Stück Lebenskraft – mit diesem Satz warb die deutsche Agrar-Marketinggesellschaft CMA im Jahre 1967 für den Fleischverzehr. Gut, die CMA behauptete auch, dass Milch müde Männer munter machen würde, was unbewiesen blieb. Aber Slogans wie „Isst Du kein Fleisch, dann fehlt Dir was” (1990), “Ewig lockt das Fleisch” (1991), „Fleisch, ja klar!” (2002) und “Schweinefleisch: Macht Lust und Laune” (2004) richteten sich an eine große Zielgruppe. 94 Prozent aller Deutschen essen Fleisch. Weil es ihnen gut schmeckt, weil sie es gewohnt sind, weil Fleischessen ganz normal ist, weil man für eine ausgewogene Ernährung ja Eiweiß braucht. Richtig. (…)
(…) Der maßlose und unüberlegte Verzehr von industriell produziertem Fleisch ist schädlich. Er schadet Tieren und Erzeugern – viele Bauern hassen das moderne Mastsystem und würden gern wieder traditionell arbeiten – genauso wie Konsumenten und der Umwelt. Würde allgemein weniger Fleisch gegessen und deshalb auch weniger Getreide, Soja und Mais an Masttiere verfüttert, könnten Menschen in vielen Entwicklungsländern sich und ihre Kinder leichter ernähren. Und gleichzeitig würde das unermessliche Leid jener 4 Milliarden Kreaturen gemindert, die ein kurzes und elendes Dasein in Ställen und Käfigen erdulden müssen, nur damit sie gebraten auf unseren Tellern landen. (…)
Martin W.
Ich halte nichts von radikalen Gedankengängen, wie er in dem Zeitungsartikel aus Österreich erfolgt, wonach Vegetarier die verantwortungsbewußteren Menschen seien.
Seit jeher hat der Mensch Fleisch gegessen. Der Unterschied zu früher ist nur der, dass wir Fleisch mittlerweile fast schon als Grundnahrungsmittel betrachten. Und genau das führt zu den unzumutbaren Auswüchsen wie denen, dass Schlachthöfe eine Produktion von Fleisch an den Tag legen, wie eine Schraubenfabrik kleine Metalldinger produziert. Fleisch ist ein Naturprodukt, keine Massenware!
Wir müssen dahin zurück, dass wir Achtung dem Lebewesen entgegenbringen. So wie früher nur soviel Tiere wie unbedingt nötig geschlachtet wurden (und nahezu vollständig verwertet wurden), müssen auch wir innehalten. Unterstützen wir den kleinen Fleischer um die Ecke, statt jeden Tag dem billigstem abgepackten Fleischbrocken hinterherzuhecheln. Aus uns ist schließlich auch was geworden, obwohl wir nicht jeden Tag Fleisch gegessen haben.
Peter M.
Da bist Du ja auf einer Wellenlänge mit Herrn Foer. :-) Ich denke zwar, dass Vegetarismus ein guter Weg ist, dass es aber wenig nützt, nun darauf zu dringen, dass niemand mehr Fleisch isst – das wird so einfach nicht klappen. Deshalb ist es, wie Du auch schreibt, sinnvoll, wenn Fleisch zumindst nicht mehr als alltägliches Lebensmittel, als billiges Wegwerfprodukt, das man für 1-2 € im Discounter oder bei McD bekommt und darum mehrmals täglich zu sich nimmt, wahrgenommen wird, sondern als eine Ausnahme oder als etwas Besonderes im Speiseplan. Ist ja für alle sinnvoller, auch für die eigene Gesundheit…
chapultepec
ich vermisse hier den internen Link zu “Der Preis ist billig, aber das Fleisch ist schwach” [ http://konsumpf.de/?p=7878 ].
ich wollte auch auf das Buch von J. Rifkin “Imperium der Rinder” hinweisen, das hier vom Bild am MOntag rezenziert wurde
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-18424227.html
Jana_Knops
Wieder einmal ein toller Artikel!
Ich bin selber seit einigen jahren Vegetarier – nicht weil mir Fleisch nicht schmeckt – sondern eher weil ich diesen ganzen massenzuchtwahnsinn nicht länger unterstützen mag.
Und genau das ist der Punkt: Die Achtung vor dem lebewesen geht unserer Gesellschaft vollkommen verloren. Tiere werden behandelt wie gegenstände, wie fliessbandware – das kann so nicht weitergehen! Wir räubern unseren Planeten aus wo es nur geht – Überfischung der Meere, Einsperren und/oder ausrotten der Tiere und so weiter.
Passend dazu finde ich auch das Buch von Frank Schätzing ‘Der Schwarm’ – ein toller Roman! Er hat darin auch einen schönen Satz geschrieben: Jeder dumme Schüler kann einen Käfer zertreten – aber kein noch so schlauer Professor kann einen erschaffen.
Ein guter Anfang ist – wei schon erwähnt das Fleisch teurer zu machen. man muss nicht jeden tag Fleisch essen. Aber heutzutage hat ja selbst der letzte Depp im gefängnis Anspruch auf sein tägliches Stück Fleisch. *kopfschüttel* Und das Billigzeug im Supermarkt sind ja eh meistens nur zusammengepappte Fleischabfälle. Bäh…
Und wie sagte Paul McCartney so schön? Wenn Schlachthäuser Glaswände hätten dann würden viele Menschen kein Fleisch mehr essen…..
Doreen
Ich als Veganerin begrüße es auf jeden Fall, dass das Thema in letzter Zeit immer mehr öffentlich behandelt wird. Foer ist mir natürlich bei weitem nicht konsequent genug, aber vermutlich trifft er genau den richtigen Ton, um eine breite Öffentlichkeit anzusprechen. Ich lese das Buch auch gerade und es steckt wirklich voller wichtiger Infos. Ich denke, wenn wir anerkennen, dass ein Tier etwas weniger grausam behandelt werden sollte, dann sehen wir ja damit ein, dass es ein empfindsames Wesen ist und bedeutet das nicht wiederum, dass es gar nicht erst getöten werden sollte, zumindest nicht nur zum Vergnügen? Ich will natürlich auch niemanden verurteilen, der wirklich für sein überleben und das seiner Lieben töten muss, aber niemand hierzulande braucht das Fleisch oder irgendein anderes Tierprodukt, das geschieht allein aus Gewohnheit, Bequemlichkeit und vor allem zum Vergnügen. Naja, wie gesagt, Foer trifft wahrscheinlich eher den richtigen Ton, um die Massen anzusprechen als ich und dafür danke ich ihm, er macht einen großen und wichtigen Schritt in die richtige Richtung.
lupo cattivo
wie immer gilt auch hier: alles was doktrinär verordnet wird , ist von Übel.
Man sollte überlegen, wo das Fleisch herkommt.
wenn es superbillig ist, kann es nur aus Massentierhaltung stammen.
wenn man das einfach nicht mehr kauft, stirbt die Massentierhaltung.
Es gibt Bio Fleisch und das wichtigste Argument vielleicht.
Fleisch transportiert einen hohen PH-Wert , der im Körper auf den regulären Blutwert von 7,35-7,45 reduziert werden muss. Das macht Stress insbesondere für die Bauchspeichledrüse. Krebszellen dagegen lieben diese sauren Nährstoffe.
mehr dazu unter http://lupocattivoblog.wordpress.com/2010/08/14/pankreas-tumor-ein-selbstversuch-unfreiwillig/
Martin W.
Also ich weiß mitunter nicht weiter…
Jetzt lese ich hier, dass Fleisch einen hohen Ph-Wert hat. War mir neu. Heute habe ich aber auch irgendwo gelesen, dass die Nährstoffe in Gemüse (gerade in den angebauten Ackersorten) in den letzten 20 Jahren massiv -bei Erdbeeren um bis zu 90%- abgebaut wurden, weil die Industrie so tollen Dünger produziert, der eben die Böden und damit den Nährstoffen den Garaus macht.
Was esse ich denn nun? Bedenkenlos? Die Frage ist durchaus ernst gemeint.
Idealistin
@ Martin W.,
genau das ist der Punkt und die Frage ist vollkommen berechtigt, in jeder Hinsicht.
Massenproduktionen unter Einsatz von Kunstdüngern, Pestiziden, Antibiotika verändern die Natur…
Ein Bekannter von mir ist Milchbauer- der muss den Stallmist als Sondermüll abtransportieren lassen…weil das Kraftfutter, Medikamente evtl. Antibiotikagaben die Zusammensetzung (Mikroorganismen/Darmflora) des Kuhfladens derart verändern, dass er sich monatlelang nicht zersetzt- also als Dünger untauglich geworden ist. Nur Jauche kann noch auf die Felder gesprüht werden, die sickert aber ins Grundwasser…..
In der Pflanzenwelt, einschließlich des Bodens, verursachen Massenproduktion (Ernterertragssteigerungen)ebenfall für negative Entwicklungen- irgendwann werden die Böden derart ausgelaugt sein, dass das Gegenteil einttreten wird- Ernteeinbußen….
MAHLZEIT!
http://www.utopia.de/magazin/glueckliche-tote-tiere-essen-plaedoyer-fuer-bewussten-konsum-jonathan-safran-foer-buch-verlosung-fleisch-vegetarismus?all#comment-317155
Übrigens Vegetarierer machen auf die unhaltbaren Zustände in der Tierhaltung aufmerksam und verweigern oftmals nur aus diesem Grund den Fleischkonsum….
Arnold
Wer Vegetarier werden möchte, kann dies ganz einfach tun:
1) “Tiere essen” lesen
2) Sich im Netz das Video “Meet Your Meat” anschauen
Leider wollen die wenigsten sich so etwas antun. Da passiert das alles lieber, ohne das man zu genau weiss, woher die Nahrung kommt.
Peer
Warum wird erst so spät realisiert, dass die Überfischung ein wirklich dramatisches Problem für unsere Zukunft bedeutet. Ich verstehe das nicht. Wenn das so weitergeht, steuern wir zielgerichtet auf das unheilvolle Jahr 2012 zu :)
Peter M.
So oder so steuern wir auf das Jahr 2012 zu, daran ist nichts zu ändern, die Zeit tickt einfach unerbittlich weiter. ;-)
chapultepec
Ich habe mal nen Vortrag mit David Morrison bei fora.tv gesehen und da erwähnt er, dass man die Mayas gefragt hat, was nach 2012 kommt und die haben geantwortet: dann fängt das Kalender wieder von neuem!. Das ist so als ob man Panik kriegen würde weil der 31 Dezember näher kommt. Was soll danach kommen? Der 1. Januar natürlich! (http://fora.tv/2010/04/24/David_Morrison_Surviving_2012_and_Other_Cosmic_Disasters#Is_2012_the_End_of_Time_Modern-Day_Mayans_Say_No )
Peter M.
Tja, aber in gewissen Kreisen (z.B. beim Extrawagandt) ist 2012 ja fast schon mystisch verbrämt… finde ich auch “etwas” albern, ehrlich gesagt.
idealistin
http://www.youtube.com/watch?v=aoVeVtnXFhE