Sorry für die polemische Überschrift, aber als ich diese beiden Meldungen gestern gelesen habe, musste ich doch mehrfach nach Luft schnappen. Da war zum einen die „Nachricht“, dass zwei Meinungsumfragen zu dem Ergebnis gekommen sind, dass der gegelte CSU-Adelige, unser Wirtschaftsminister von und zu Guttenberg mittlerweile der beliebteste Politiker bei den (befragten) Deutschen ist und sogar (!) Angela Merkel noch überholt habe. Man kann sich nur an den Kopf fassen, vor allem aber, wenn man das hier liest:
(…) auch danach ist Guttenberg inzwischen der populärste Bundesminister. Von den Befragten beurteilen bei Emnid 66 Prozent seine Arbeit als gut; hier kommt Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) als Zweitplatzierte auf 58 Prozent. [Quelle]
Wie kann so etwas sein, wer wurde denn da befragt, unter welchem Stein haben diejenigen die letzten Monate verbracht?? Sollten diese Umfragen tatsächlich die Stimmung im Lande repräsentativ widerspiegeln (und nicht bloß geschickt lancierte Meinungsmache sein), so muss man wohl alle Hoffnung auf Besserung und einen Umschwung fahren lassen. Apropos vdL – als hätte sie mit den Internetsperren nicht schon genug Schaden in der Gesellschaft angerichtet, kommt sie nun mit einem neuen gloriosen Vorstoß aus der Deckung: „Von der Leyen fordert Benimm-Regeln fürs Internet“:
Die Familienministerin will einen Verhaltenskodex fürs Internet. Zusammen mit den Verantwortlichen und Jugendlichen müsse ein Benimm-Katalog erarbeitet werden.
Äh… ja. Wäre doch gelacht, wenn unsere Regierung das Netz nicht zu einem antiseptischen, klinisch sauberen und rein konsumorientierten Raum machen kann… Hilfe, wer stoppt diese Frau?!
Sisyphos
Zu Deinem letzten Satz: Wir, die Wähler!
Peter M.
@ Sisyphos: ja, schön wär’s. Aber wenn die Mehrzahl der Deutschen wirklich Guttenberg und vdL für fähige Politiker hält, dann werden sie wohl kaum abgewählt werden. Deprimierend…
Jacob
Auf den Nachdenkseiten ist ein interessanter Hinweis zu Guttenberg:
http://www.nachdenkseiten.de/?p=4089
“ls uns vor kurzem der neuen Wirtschaftsminister Karl-Theodor von und zu Guttenberg präsentiert wurde, stellte sich bald ziemlich alles, was über seine angebliche Erfahrung in der „freien Wirtschaft“ berichtet wurde, als falsch heraus. Aus den Medien war und ist außer nachweislichen Falschinformationen und Plattitüden kaum etwas Sachdienliches zu erfahren. Wer aber ist zu Guttenberg wirklich, woher kommt er? Und wofür steht er? ZeitGeist-Autorin Friederike Beck begab sich auf Spurensuche und fand erstaunlich Brisantes.”
sabine
@Jacob: Ist das dieselbe Friederike Beck, die sich für Dr. Hamer (Erfinder der “Neuen Germanischen Medizin”) stark macht? (siehe ihren Artikel auf: http://www.pilhar.com/Hamer/NeuMed/Sonderpr/Volksges.htm)
Überhaupt frage ich mich, wie seriös die Seite ZeitGeist wohl sein mag.. unter den Links findet sich eine Rubrik “Kritische Positionen zum Klimawandel und der Umweltdebatte” (wo man dann auf Seiten landet, die über “das Märchen von der Klimakatastrophe und ihre angebliche Ursache, die vom Menschen erzeugten „Treibhausgase”” aufklären) & Links zu spannenden Produkten wie z.B. “Symbolsteinen für systemisches Aufstellen” & einer “Energievitalitätspumpe”.
Peter M.
Über die Seriosität von ZeitGeist bin ich mir auch nicht im Klaren, das wirkt doch oft sehr dubios. Wer weiß, welche Interessen dahinter stecken!? Was auch nicht heißen soll, dass deshalb alles, was dort steht, grundlegend falsch wäre.
Harald
Also mich wundert es nicht! Erstens kennt der gemeine Bild-Leser doch nur wenige Minister und diese auch nur durch die Lobeshymnen in der Mainstream-Presse (so hat doch der Herr zu Guttenberg Opel gerettet!???) und die Frau von der Leyen rettet ja gerade die Kinder. Und solche Leistungen werden halt belohnt.
Und außerdem kommt es immer auf die Fragestellung an und darauf wen man fragt, und …
Also mal so gesagt: “Man nenne mir das gewünschte Ergebnis und ich mache die dazu passende Umfrage.” (Aber nur wenn die Bezahlung stimmt!)
Erik
Eine höchst interessante Faktenzusammenstellung über die Vita unseres Wirtschaftsministers findet sich hier:
http://www.bleib-passiv.de/beitraege/artikel/66-zur-person-karl-theodor-zu-guttenberg.html
Sisyphos
@Peter M.
Das ist das Diktat der Mehrheit in einer Demokratie. Schafft man es, die Mehrheit durch Aufklärung zu verringern oder in eine Minderheit zu verwandeln?
Michael Maag
Yep, sie sind bescheuert. Und definitiv NICHT lernfähig:
Ard-Börsennachrichten: http://boerse.ard.de/content.jsp?key=dokument_366960
“Zwar hat die Deutsche Bank im zweiten Quartal dank des brummenden Investmentbankings einen Milliardengewinn eingefahren. Der Börse missfällt aber die deutlich höhere Risikovorsorge des Branchenprimus.”
Weite im Text heisst es u.a.: “Um den Milliardengewinn zu erzielen, mussten die Banker höhere Risiken im Eigenhandel eingehen.”
Soviel zu den “Selbstheilungskräften” der Wirtschaft. Selbstheilungskräfte der Quartalsgewinne und Boni-erhalter auf Teufel komm raus trifft es besser.
Anonyme_Paranoia
zum Verhaltenskodex:
Hier wird wieder mal versucht, das Rad neu zu erfinden, denn diese “Benimmregeln” gibt es bereits!
siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Netiquette
Peter M.
Ja, das stimmt – und nun krampfhaft einen solchen “Katalog” zu erarbeiten klingt nach reinem Wahlkampfgetöse – weil die Uschi offenbar bei vielen Leuten so gut mit ihren Zensursachen ankommt, legt sie halt schnell noch nacht…
Konsumkritiker
Als interessierter und meist auch zustimmender Leser dieses Blogs, muss ich bei diesem Thema die vertretene Meinung zumindest mal hinterfragen.
Bei vdL kann ich die Antipathie nachvollziehen, vieles sieht doch deutlich nach (ahnungslosem) Aktionismus aus. Das Thema Zensur und Internetsperren muss man wohl nicht näher erläutern.
Bei unserem Minister Guttenberg kann ich die Kritik allerdings nicht ganz nachvollziehen. Spontan fällt mir kein Politiker ein, dem ich mehr Sympathie entgegenbringen kann, und das obwohl ich definitiv kein CDU/CSU-Wähler bin.
Für mich ist er einer der wenigen, bei dem nicht alles nach Populismus und Wählerfang aussieht – seine Meinung in Bezug auf Opel z.B. war unpopulär (aus der Insolvenz heraus ein halbwegs gesundes Unternehmen starten), aber wirtschaftlich sicherlich sinnvoller, als die jetzt umgesetzte Lösung.
Guttenberg schwafelt nicht, bringt seine Meinung auf den Punkt und vermittelt Kompetenz, was, im Vergleich zu anderen Politikern, keinem wirklich gelingt.
Natürlich kann man grundsätzlich die Handlungsweise und die Hintergründe dazu bei Politikern in Frage stellen, gängige Mechanismen der Politik sind nunmal leider immer vorhanden, aber das wäre bei keinem von uns anders.
Ich unterstelle ihm nicht, dass er Deutschland “retten” kann/wird, jedoch geht es hier um eine Umfrage bezüglich aktuell aktiver Politiker – und da sehe ich keinen, dem ich im Verhältnis ein besseres Zeugnis ausstellen, bzw. mehr Sympathie entgegen bringen kann.
Daher die Frage, worin liegt die Abneigung begründet und wer ist “besser”?
Peter M.
Nun, also Sympathie kann ich Herrn von & zu Guttenberg nun wahrlich nicht entgegenbringen, dafür macht er auf mich viel zu sehr den Eindruck eines gegelten Jungadeligen, der Dank Protektionierung und “Elitenförderung” schnell nach oben gespült wurde. Zwar ist er offenbar nicht so inkompetent wie sein Vorgänger Glos (was für eine Flitzpiepe, und das in so einem Amt!), allerdings scheint er sich auch an das Motto von Angela Merkel zu halten – gerne mal schwammig und unbestimmt bleiben, damit man am Ende für nichts belangt werden kann und “irgendwie” immer Recht hatte. Einige der Links hier in den Kommentaren, vor allem der zu dem Artikel bei Bleib passiv!, machen ja auch deutlich, welchen Hintergrund vG so hat – da darf man doch mehr als skeptisch sein, was seine Motive und Ziele angeht. Zumindest bin ich das. Dass er vielleicht nicht so um Populismus buhlt wie viele andere in der Regierung (vdL, Steinmeier), ist sicherlich ein Pluspunkt, da hast Du Recht.
Konsumkritiker
Wie gesagt, ich stimme grundsätzlich zu, dass auch Herr Guttenberg nicht zwingend eine „weiße Weste“ hat, dass er aufgrund besonderer Leistungen oder Qualifikationen zu Recht Minister wurde oder man in ihn große Hoffnungen setzen sollte. Letztendlich zählt aber die aktuelle Leistung (die es wahrlich erst noch zu beurteilen gilt), nicht die Vergangenheit!
Aber so richtig fundierte Kritik ist das alles auch nicht. Seine Herkunft kann man ihm nicht vorwerfen, seinen Wehrdienst bei den Gebirgsjägern auch nicht (ich zweifle nicht unbedingt an seinem Traditionsbewusstsein, aber nur weil die dort jährlich Gefallene ehren, heißt das ja nicht zwingend, dass er da dabei ist oder, wie zumindest in dem Artikel mitschwingt, die Weltkriege „verherrlicht“), die Zugehörigkeit zu elitären Organisationen wirkt seltsam, muss aber nichts Schlechtes sein, in Sachen Opel war er, meines Wissens nach, für eine Insolvenz, die Aussage, er unterstütze RHJ, weil hinter Magna „die Russen“ stehen, bleibt auch mehr Spekulation als Tatsache, die Nähe zu Bild ist natürlich immer kritisch, aber lässt sie sich immer vermeiden?
Nur um es klarzustellen, meine grundsätzliche Meinung deckt sich größten Teils mit der in diesem Blog, allerdings sollte man bei aller berechtigten Kritik gegenüber Wirtschaft und Politik, auch die Artikel hinterfragen, die einem vermeintlich Recht geben. Und das schien mir hier auf den ersten Blick nicht ganz gegeben zu sein. Aber nichts für Ungut – und immer weiter machen, ich denke, irgendwann wird es sich auszahlen…
Peter M.
Wir müssen ja auch nicht in allen Punkten einer Meinung sein. :-) Sympathisch ist mir der Herr Guttenberg jedenfalls nicht, wie gesagt, und wenn er der beliebteste Regierungspolitiker ist, sollte einem das zu denken geben…