Als Selbständiger habe ich mir über so manches, was im steuerlichen und wirtschaftlichen Alltag so abläuft ehrlich gesagt noch nie so richtig Gedanken gemacht. Ich bin immer froh, wenn ich meine Steuererklärungen pünktlich abgegeben habe, das Finanzamt sich ausnahmsweise mal nicht zu meinen Ungunsten verrechnet (wie in den letzten zwei Jahren geschehen, aber zum Glück von mir rechtzeitig bemerkt und dann auch vom Amt zähneknirschend korrigiert) und ansonsten vom Staat in Ruhe gelassen werde. Auf irgendwelche Vorteile oder Vergütungen braucht man, wenn man selbständig tätig ist, in Deutschland sowieso gar nicht erst großartig zu hoffen, denn hierzulande gilt man als nicht abhängig Beschäftigter eher als Staatsfeind (da man ja vergleichsweise unabhängig von den sonstigen Zwängen des Systems agieren kann) und muss dementsprechend auch gepiesackt werden. Das ist der Preis der (vergleichsweisen) Freiheit, über die eigene Zeit und den Tagesablauf und auch das Arbeitspensum zumindest teilweise selbst bestimmen zu können.
Etwas so Exotisches wie das sogenannte „Dienstwagenprivileg“ kommt in meinem Kosmos eigentlich nicht vor – zu absurd erscheint mir dieses Konstrukt, bei dem der Staat Unternehmen steuerliche Vorteile dafür einräumt, dass seine Mitarbeiter dicke Schlitten für fast lau fahren können, so dass sich offenbar viele Firmen animiert fühlen, teure und übermotorisierte Autos zu kaufen. Auf Kosten der Steuerzahler, versteht sich, die diese Steuerersparnisse schließlich gegenfinanzieren müssen. Die Autoindustrie freut sich darüber natürlich, erhält sie so doch indirekt staatliche Subventionen, um noch mehr von den Blechkarossen von den Fließbändern laufen zu lassen. Das nun ausgerufene Zeitalter der Elektromobilität wird daran leider nichts ändern, sondern päppelt die Autofirmen weiter auf, da sie auf Staatskosten an Prototypen herumwurschteln können, wie der Beitrag des ARD-Magazins Kontraste neulich zeigte – „Teure E-Autos als Steuersparmodell – Dienstwagenprivileg macht’s möglich“. Wer so etwas jetzt zum Kotzen findet hat meine volle Sympathie:
Die Bundesregierung will Elektroautos fördern. Ihre Ziele: weniger CO2-Ausstoß und mehr technologische Innovationen. Dabei sollen auch Steuersenkungen helfen. Wie KONTRASTE zeigt, profitieren davon am meisten die Besitzer teurer Elektro-Dienstwagen. Den Schaden trägt der Steuerzahler. (…)
Harry Lehmann, Umweltbundesamt
„Weil das Dienstwagenprivileg die Anschaffung von Fahrzeugen, die groß sind und die viel Verbrauch haben fördert. Deswegen denken wir neben vielen anderen Maßnahmen gehört dieses Dienstwagenprivileg abgeschafft oder ökologisch angepasst.“Übrigens: Die Bundesregierung will den E-Mobilen auch mit anderen Privilegien zum Durchbruch verhelfen. Sie sollen auf jeder Busspur fahren dürfen, fordert die Kanzlerin. Freie Fahrt für Elektrofahrzeuge und private Spritztouren auf Kosten der anderen Steuerzahler. (…)
Magda
Immer wieder spannend. Und, ja, auch durchaus ein wenig zum Kotzen. Danke fürs Aufführen vom ‘Kleingedruckten’.
Bin auch “Selbständige” und fühle mich im Einklang mit meiner Sekte aus Selbständigen auch schon wie ein Mensch zweiter Klasse.
chapultepec
wenn wir schon beim Thema sind…
Großprojekte: Rechnung an den Steuerzahler
07.06.11 – Ulf J. Froitzheim
Staatliche Eingriffe geißelt die Industrie oft als wettbewerbsverzerrend. Wenn’s drauf ankommt, verlassen sich die Entwickler neuer Technologien jedoch sehr gern auf die Politik.
http://www.heise.de/tr/artikel/Grossprojekte-Rechnung-an-den-Steuerzahler-1256169.html
gnu
Wenn ich den Kretschmann so im E-Porsche sitzen sehe, wird mir das grundlegende Problem wieder klar: Nicht Elektrosportwägen brauchen wir, sondern weniger Konsum- und Luxusschwachsinn.
Im klimatisierten Luxuswagen durch die Stadt zu rollen, während andere Menschen verhungern ist einfach unmoralisch. Denn allein ein Bruchteil des Gelds was in der ersten Welt für Luxus ausgegeben wird, wäre genug, dass niemand mehr verhungern müsste. Aber Kretschmann ist es scheinbar scheißegal, dass jeden Tag 20000 Menschen verhungern. Porschefahren macht ihm offensichtlich mehr Spaß.
Vor dem 17. Jahrhundert war Luxus übrigens verpönt und galt als Laster. Die Akzeptanz kam erst als verrückte Ökonomen Luxus als wirschaftsfördernde Binnennachfrage bewarben und Werbung uns ein unstillbares Luxusbedürfnis eingehämmert hat. (phil. Lexikon)
Ich jedenfalls würde einen Porsche nicht geschenkt nehmen; mitfahren in so einer Spritschleuder, und damit stille Akzeptanz für solchen Protz bekunden, werde ich auch nicht. Bisher habe ich es geschafft ganz ohne Auto auszukommen und das habe ich auch für mein weiteres Leben vor.
Flo
So was ist die Zukunft:
http://keimform.de/2012/wikispeed-verteiltes-autobauen/