Genfood mal wieder in aller Munde

Man verzeihe mir den Kalauer in der Titelzeile. Eigentlich ist das Thema ja auch viel zu ernst, um darüber noch lachen zu können. Tatsächlich ist die Ausbreitung von genmanipulierten Nahrungsmitteln auf dem Vormarsch, auch gegen den Willen des Großteils der Bevölkerung und oft genug ohne, dass sich die Konsumenten dessen bewusst sind. Zwei Berichte gab es in den letzten Tagen dazu im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Zum einen „Gentechnik erkennen: Neues Logo soll helfen“ in der NDR-Sendung markt, die schon deutlich macht, dass man dem Genwahn kaum noch entkommen kann. Wobei es erstaunlich ist, dass der Autor des Berichts erst gegen Ende auf die Idee mit Biomilch kommt (da darf nämlich kein genmanipulierter Mais verfüttert werden). Und dass Lidl als erste der großen Ketten eine Milch ins Sortiment nimmt, die explizit ohne Genfutter erzeugt wird, ist zwar löblich, macht die geschmacksneutrale Discount-H-Milch-Plörre aber auch nicht wirklich schmackhafter. Vom ruinösen Preisdruck auf die Milchbauern durch die Supermärkte und Discounter will ich hier gar nicht erst anfangen.

Fleisch, Eier, Butter oder Milch – ob bei der Erzeugung tierischer Produkte gentechnisch verändertes Futter verwendet wurde, erfährt der Käufer nicht. Nach EU–Recht weiß bestenfalls der Landwirt, ob er Genfutter benutzt, so Heike Moldenhauer vom BUND. Weil es nicht auf der Verpackung steht, bleibt den Kunden verborgen, dass jährlich viele Tonnen gentechnisch veränderter Sojaschrot in Deutschland verfüttert werden.

(…) Ausbreitung gentechnisch veränderter Pflanzen

Dass Gentechnikfreiheit irgendwann auch gar nicht mehr möglich sein könnte, zeigt sich am Beispiel Raps in Kanada.  90 Prozent der kanadischen Rapspflanzen sind gentechnisch verändert. Analysen der Zeitschrift Ökotest ergaben, dass sich Spuren gentechnisch veränderter Rapspflanzen in kanadischem Rapshonig finden lassen. Ungewollt vermischen sich die gentechnisch veränderten  Rapspflanzen in Kanada auch mit Senfpflanzen. Spuren gentechnischer Veränderungen waren daher zum Beispiel auch im “Löwensenf extra” zu finden. Der Hersteller gibt zu: “Trotz größtmöglicher Sicherungsmaßnahmen ist der unbeabsichtigte Eintrag von gentechnisch veränderten Rapssaaten in Senf nicht mehr zu hundert Prozent auszuschließen.” (…)

Der zweite Bericht stammt aus dem kritisch-satirischen Wochenrückblick quer im Bayerischen Fernsehen und dreht sich um gentechnisch veränderte Kartoffelsorten, die nun auch hierzulande zum Thema werden – „Amflora-Angst. Bald Gen-Kartoffeln auf dem Teller?“:

Jetzt ist es soweit: In Deutschland darf laut EU die erste Gen-Kartoffel angebaut werden. Ihr Name: Amflora. Zwar wird sie nur zur Stärkeherstellung für Papier und Klebstoff genutzt, doch Kritiker weisen darauf hin, dass sie Menschen resistent gegen einzelne Antibiotika machen könnte. Außerdem herrscht auch in Bayern die Angst, dass Amflora nur den politischen Weg ebnen soll für eine weitere gentechnisch veränderte Kartoffel: Die sogenannte Fortuna. Aus ihr wird kein Papier gemacht, sondern schlicht Pommes.

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10 Kommentare

  1. Michael

    So weit ich weiß, ist Biomilch nicht gefeit gegen Verunreinigung mit gentechnisch veränderten Substanzen. Gilt nicht nach EU-Verordnung, daß alle Lebensmittel, die weniger als 1% gentechnisch veränderte Zutaten enthalten, als gentechnik-frei gelten?

    • Schon, aber es darf kein Genfood an die Tiere verfüttert werden, also wenn überhaupt diese Silage verwendet wird, muss man da halt welche extra kaufen. Bei Heumilch hat man das Problem aber nicht. ;-) Schmeckt auch besser… Bioland-Siegel etc. sind auch schärfer in ihren Richtlinien als das inzwischen verwässerte EU-Bio.

  2. Dirk

    Ich bin etwas verwirrt ob der Bemerkung über die Discount-H-Milch-Plörre. Ich habe in einer Marketingvorlesung mal gelernt, dass gerade Milch (Landliebe, etc…) ja immer das gleiche Produkt ist und somit da eine Marketingdifferenzierung vorgenommen wird, obwohl kein Unterschied besteht. Ist das falsch oder schmeckt die Discount-H-Milch-Plörre nicht vielmehr genauso wie die Bioladen-H-Milch-Plörre?

    • H-Milch schmeckt halt nach Plörre, die ist nicht mit richtiger Milch zu vergleichen (gibt’s überhaupt Bio-H-Milch?), darauf bezog sich meine Bemerkung. Ansonsten gibt es einen spürbaren Unterschied zwischen Industriemilch und Biomilch, was auch daran liegt, dass sie anders produziert wird – von “das gleiche Produkt” kann da also keine Rede sein. Vom Unterschied zwischen Industrie-H-Milch und Bio-Heumilch brauchen wir gar nicht erst zu sprechen, das eine ist weißes Wasser, das andere ist rahmig-cremige Milch…
      Da sieht man übrigens mal, wie weltfremd Marketing-Vorlesungen sind. ;-) Aber ich entsinne mich schwach auch an mein Marketingstudium – in BWL hat man nicht so den Durchblick, was den Wert und den Anbau von Nahrungsmitteln angeht, deucht mir. ;-))

  3. tordis

    soviel zu deutschland. wie sieht es aber in österreich aus? gibts dort nicht (noch) strengere richtlinien?
    so viel ich weiß ist bei uns (Ö) genfrei gesetzlicher standard. oder bin ich falsch informiert?
    wo könnte ich denn verlässliche infos finden?

  4. Dirk

    Aber sowohl die Industriemilch als auch die Biomilch kommt doch wohl bitte noch aus der Kuh, oder? Ich habe doch noch die Hoffnung, dass selbst Lidl und co diese nicht per Industriesynthese herstellen… :-)
    Ich muss nämlich offen gestehen, dass ich gerne zu dieser H-Milch-Plörre greife, sogar der mit nur 1,5% Fett. Vollmilch schmeckt mir einfach “zu milchig”. Ich finde auch “weißes Wasser” keineswegs eine Beleidigung, da ich meinen Durst eigentlich ausschließlich mit Wasser stille und nicht sehe, was daran schlimm sein soll. Deshalb mein Appell, liebe Bioläden: Macht doch mal Bio-H-Milch, dann hättet ihr einen Käufer mehr :)
    Und ja, Marketingmenschen und BWLer haben davon keine Ahnung. Also meine Entschuldigugn sei gesagt, dass ich wirklich nichts auch nur annähernd mit Wirtschaft studiere, diese Vorlesungen aber heutzutage fast überall zum Curriculum gehören. Leider.

    • Sorry, aber fettarme H-Milch ist für mich echt keine Milch mehr, das ist so denaturiert wie eingeschweißter Schnittkäse oder grell schmeckende Industriejoghurts und hat für mich nur noch entfernt etwas mit Lebensmitteln zu tun… :-/ Es macht geschmacklich einen spürbareb Unterschied, ob eine Kuh biomäßig aufgezogen wird oder eben nur mit Chemie und Silagefutter aufgepäppelt – wollte ich früher auch nicht glauben, aber man kann es mittlerweile tatsächlich merken, da die Industremilch immer geschmackloser geworden ist. Das liegt aber zum Teil natürlich auch an der späteren Weiterverarbeitung, also Pasteurisierung etc., klar.

      Mich würde es absolut nicht wundern, wenn Lidl & Co. irgendwann Kunstmilch herstellen, passend zum ekligen Analogkäse. ;-) Hauptsache billig! Solange man die Bauern aber im Preis immer noch drücken kann und damit die Haltung der Tiere in Richtung Massenbetrieb und tierunwürdige Ställe etc. fördert, ist Milch von der Kuh vermutlich noch günstiger für die Supermärkte & Discounter – wenn auch zum Schaden der Tiere und der Vielfalt. Was anderes als Biomilch kommt mir deshalb auch nicht auf den Tisch, wenn’s denn unbedingt Milch sein muss. (Ich substituiere die mittlerweile zum Teil mit Bio-Soja-Reis-Drink.)

      Übrigens gibt es Bio-H-Milch, habe ich im Supermarkt gesehen (wenn ich mich nicht verguckt habe).

  5. Ich würde toll finden, wenn sprachlich konkreter zuginge und Begriffe wie Genfood oder Gensoja oder Genmais oder Genkartoffel vermieden würden. Das impliziert nämlich, dass andere Kartoffeln, Mais oder Soja irgendwie ohne Gene auf den Markt kommen. Tun sie ja nicht. Und auch “genverändert” oder “genmanipuliert” führt in die Irre. Jede (neue) Züchtung auf herkömmlichen Wege ist eine Genveränderung, eine Genmanipulation. Jede neue Apfelsorte müsste das Label “genmanipuliert” tragen, weil eine andere Gene verändert wurden. Bei Gentechnik passiert das gezielt im Labor, bei klassischer Züchtung durch Auslese bestimmter Pflanzen. Genetisch bzw. auf molekularbiologischer Ebene passiert genau das gleiche.

    Ich habe nichts gegen ein Label für gentechnikfreien Landbau und ich bin auch dafür, konkrete und nachweisbare Risiken der Gentechnik zu thematisieren. Was mich aber stört ist dieses diffuse Angstmachen mit der Gentechnik und dazu trägt dann eine undifferenzierte und falsche Wortwahl bei.

    • Wenn das, was man als “Gentechnik” bezeichnet, wirklich genau das gleiche wäre wie eine “normale” Züchtung, wieso gibt es denn dann so viel Wirbel darum?
      Bedenklicher als unklare Gesundheitsrisiken finde ich aber bei der ganzen Geschichte sowieso die Entwicklung, dass sich einige wenige große Konzerne die Patente auf solche Pflanzen sichern lassen und damit den Weltmarkt überziehen und beherrschen – zum Nachteil der Landwirte und letztlich auch aller Konsumenten.

  6. Warum da so ein Wirbel drum gemacht wird, verstehe ich auch nicht. Wahrscheinlich wissen viele Menschen nicht, dass hinter der jahrhundertealten Technik der Züchtung von Kulturpflanzen auch nichts als “Genmanipulation” steckt. Vielleicht verstehen sie auch nicht, was Gentechnik ist und was sie tut. Dinge, die man nicht versteht, können leicht diffuse Angstgefühle auslösen.

    Die Sache mit den Großkonzernen und der Patentierbarkeit von Pflanzen(samen) ist ganz sicher ein Problem, weil man sich in Abhängigkeit von weniger Agrarkonzernen begibt. Für Landwirte im “Westen” sicher weniger ein Problem, weil sie mit ihren Düngemitteln und Spezialmaschinen etc. eh schon von Konzernen abhängen und sich das spezielle Saatgut auch leisten können. Problematisch wird es für Kleinbauern in ärmeren Ländern oder für Bauern, die unabhängig sein wollen.
    Solche Tatsachen zu thematisieren ist vollkommen ok, richtig und wichtig. Was ich aber kritisieren wollte, war der negative Grundton, in dem von “Genfood” gesprochen wird (nicht mal in obigen Eintrag, eher schon in den verlinkten TV-Beiträgen).

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