Die Skandalisierung der Medien

© VinnyPrime, stock.xchng

Auch wenn mein Blog eigentlich Konsum(kritik) und Gedanken zu Reklame, Markenfetischismus und Konsumhörigkeit zum primären Thema hat, habe ich doch von Anbeginn an immer auch einen forschenden Blick auf das generelle Medientreiben geworfen. Dies hat natürlich vielerlei Gründe – zum einen leben wir in einer Art „Mediendemokratie“, in der Medien und ihre Kampagnen gezielt dazu eingesetzt werden, Politik und Politiker zu machen (siehe das aktuelle Beispiel des Freiherrn von und zu Guttenberg, der ja gerade zu einer Art Supermann aufgeblasen wird), so dass es für das Verständis der Vorgänge in unserer Welt unverzichtbar ist, auch das mediale Treiben zu berücksichtigen. Zum anderen sind gerade Fernsehen und große überregionale Presse dafür verantwortlich, welche Trends und Moden nach vorne gespült werden, welche Stars man bewundern soll, welche Produkte von den Redakteuren zum „must have“ hochdeliert werden usw., und sie beeinflussen über Reklame und Imagekampagnen der Konzerne auch das Konsumklima und die Einstellung vieler Menschen zu Firmen und Produkten. Von daher bedeutet Konsumkritik in unserem System fast automatisch auch Medienkritik – werbefinanzierte Privatsender korrelieren stark mit z.B. dem Ankurbeln oft nutzlosen Konsums, mit kranken Frauenbildern, kurzzyklischen Trends unterworfenen Markenimages usw. usf.

Um eine adäquate Reichweite, Klickzahlen und Zuschauerquoten zu erreichen, setzt man in vielen Stationen auf immer schnellere Moden, auf Sternchen, die in Castingshows zum nächsten heißen Ding hochgejubelt werden, um schon wenige Monate später wieder vergessen zu sein – und natürlich auch auf Skandale und Skandälchen, die ebenfalls in knapp bemessenen Abständen auf das Publikum einprasseln und eher für Verwirrung denn für Information und Aufklärung sorgen. Bei der permanenten Jagd nach dem nächsten Skandal (etwas, wovor auch die Internetgemeinde abseits der Mainstreammedien nicht gefeit ist) wird journalistische Sorgfalt und vor allem auch der Blick für die Zusammenhänge, fürs große Ganze, für komplexe Abängigkeiten und Strukturen gerne mal geopfert. Wie jetzt beim aktuellen Dioxin-Skandal zu bewundern, der in ähnlicher Form alle paar Jahre über die Bildschirme flimmert und die Tierställe wabert, ohne dass abgesehen von viel Aufregung den tatsächlichen Ursachen auf den Grund gegangen wurd geschweige denn diese abgestellt werden.

In der letzten Zapp-Sendung auf N3 ging es genau darum – nämlich um „Die Medien-Gier nach dem täglichen Skandal“, die in Zeiten von Internet und Verdrängungswettbewerb auf dem Zeitschriftensektor um so stärker ausgeprägt scheint als sowieso schon (denn natürlich haben sich auch schon in früheren Jahrzehnten & Jahrhunderten Katastrophen und Skandale besonders gut verkauft):

Gott sei Dank, das neue Jahr fängt mit einem Skandal an. Muss man sich als Journalist nicht erst groß ein Thema suchen, ist ja schon da. Dioxin in Futtermitteln, ein Klassiker unter den Skandalen. 1998 groß rausgekommen, dann wieder in den Schlagzeilen 1999, 2003, 2008, 2010 und jetzt 2011 neu aufgelegt. Womit das Dioxin vielen anderen Skandalen einiges voraus hat. Die meisten Aufreger sind nämlich sozusagen One Hit Wonders, Eintagsfliegen. Einmal von den Medien hochgejazzt, durchberichtet und dann fallengelassen. Hört man nie mehr von. Zapp über unsere Skandalisierte Republik.

Sie kommen und gehen und bleiben nur kurz. Aufreger ohne Ende. Skandale und Skandälchen. Oft Fast-Food für Journalisten.

Der freie Journalist Ralf Geißler meint: “So oft, wie wir ‘Skandal’ schreien, so schnell kann Politik gar nicht agieren.”

Frank Bösch, Professor für Geschichtswissenschaft, erklärt: “Auffällig ist, dass nicht alles, was als Skandal bezeichnet wird, tatsächlich auch ein Skandal ist.”

Evelyn Roll, Redakteurin der “Süddeutschen Zeitung”, sagt: “Es ist eine wirkliche Gefahr für den Journalismus, und ich glaube, es ist auch eine Gefahr für die Demokratie.”


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10 Kommentare

  1. Max

    Der Beitrag beschreibt genau das, was mir in letzter Zeit auch immer häufiger aufgefallen ist. Der pure Drang nach neuen Skandalen. Hauptsache blutiger und aufregender als der Letzte.
    Und ich stimme Evelyn Roll zu, wenn sie meint, dass Geschichten zu Ende erzählt werden sollen. Das ist nämlich auch ein Punkt der mich stört. Erst wird groß über ein Thema berichtet und wenn man dann wissen möchte wie es ausgeht muss man selber zum Journalist werden und recherchieren. Das kann es doch nicht sein!

  2. Habnix

    Die Mainstreammedien gehen dem Faschismus immer voraus.

  3. Philipp

    und jetzt der “dioxin” skandal..
    Perfekt um das neue Jahr “einzuläuten”.

  4. ich finde bedenklich, dass mancher skandal vor lauter skandalen gar nicht mehr als skandal wahrgenommen wird und die menschen nicht entsprechend empört darüber reagieren…das ganze nur noch als medienübertreibung wahrnehmen und nicht begreifen, dass es sich um einen wirklichen skandal handelt…das ist ein skandal, finde ich…
    ;-)

  5. Sven

    Vorab: Ich bin ein großer Fan Deines Blogs, der so manchen Nagel gezielt auf den Kopf trifft!

    Die Presse braucht jeden Tag ihren “Aufhänger”, so wie im Moment Tunesien. Das muß wohl so sein, um den Marktanteil zu sichern. Und im TV ist das ja auch nicht anders, auch nicht bei ARD und ZDF. Was einen kritischen Geist nicht verwundert. Leider sind die wenigsten Menschen kritisch und glauben dann tatsächlich, eine Revolte in Tunesien würde ihr Leben gefährden oder in sonst einer Form beeinträchtigen. Und schon muß man nicht mehr über Dioxin-Eier und -Fleisch nachdenken, was ja ohnehin sehr lästig war (nicht, daß man am Ende noch etwas ändern muß …!).
    Stammtisch-Journalismus. Die BILD war der Vorreiter, aber welches Massenmedium unterscheidet sich heute noch davon ?

    Tunesien ist sicher einen Blick wert, wenn man vor allem hinter die Kulissen schaut. Aber dazu muß man wie immer das Kleingedruckte lesen. Auch sehr lästig ;-)

  6. OliR64

    Das Wort “Skandal” soll den Eindruck erwecken, als handele es sich um eine AUSNAHMEerscheinung und man würde sich um die Angelegenheit kümmern.

    • So sieht das aus. Man vertuscht damit mehr oder weniger geschickt, dass zB der Dioxin-“Skandal” letztlich eine ganz alltägliche Folgeerscheinung der industrialisierten Landwirtschaft und des Billigbilligbillig-Prinzips sind…

  7. Ja ja, die lieben Medien … ich habe mir schon die Finger wund getippt, um auf diese Zusammenhänge hinzuweisen, und muss es sicher auch weiterhin tun. Es tut gut zu erfahren, dass es anscheinend immer mehr Menschen gibt, die ähnliche Schlussfolgerungen ziehen.

    Erinnern wir uns doch einfach beispielsweise an die angebliche “Grippe-Pandemie” vor einem Jahr, die in den Medien extrem hohe Wellen geschlagen hat. Eine alarmistische Meldung jagte die nächste – und heute wissen wir, welche Absicht sich dahinter verborgen hat: Die Pharma-Lobby wollte ein unwirksames Medikament vergolden und Unsummen daran verdienen, und sie hat dies auch geschafft.
    http://narrenschiffsbruecke.blogspot.com/2011/01/grippe-pandemie-lugen-und-nicht.html

    Das ist nur ein Beispiel von sehr, sehr vielen. Was den aktuellen Dioxin-Fall betrifft, gibt es ja ein sehr schönes Extra-3-Video dazu, das man nicht weiter kommentieren muss:
    http://www.youtube.com/watch?v=LL3WHCh8BMI

    George Orwell lässt grüßen …

  8. gnu

    Na, ich glaube eher, dass Huxley uns grüßen würde …

    Schließlich unterwerfen wir uns freiwillig dem Skandalgehechel, der Nachrichtenhyperventilation, glauben wir seien bestens informiert, wo doch keine Nachricht, keine sogenannte Information überhaupt noch eine Bedeutung für uns hat. Oder habt ihr auf Grund dieser Skandale euer Verhalten geändert, eure Tagesplanung umgeworfen, demonstriert?

    Wir werden auf Trab gehalten, künstlich beschäftigt, mit Worthülsen zugemüllt, sodass es kaum noch Leute gibt, die des Lesens und Verstehens von mehr als einer Seite fähig sind, geschweige denn eigene Ideen entwickeln und diese schlüssig aufzuschreiben vermögen.

    In einem Buchgeschäft, wo ich erfolglos ein 2006 erschienenes Buch suchte, wurde mir neulich mitgeteilt, dass die Halbwertszeit aktueller Bücher bei 3 Jahren liegt …

    Worauf ich hier gerne eine ältere Schrift empfehlen möchte, die sehr gute Argumente dafür liefert, dass wir bereits in Huxleys schöner neuer Welt leben: Neil Postmans – Wir amüsieren uns zu Tode

  9. @ gnu:

    Nun ist dies zwar kein Literatur-Blog, aber Deine Abgrenzung von Huxley zu Orwell ist mir nicht ganz klar – handelt es sich bei beiden in Rede stehenden Romanen doch um so genannte Dystopien, in denen totalitäre Staats- und Gesellschaftsformen beschrieben werden. Es gibt noch viele weitere solcher Bücher, von denen beispielsweise Ray Bradburys “Fahrenheit 451” eines der bekannteren ist. Im Kern – und in diesem sinngebenden Zusammenhang – ähneln diese Bücher sich und es macht aus meiner Sicht wenig Sinn, an dieser Stelle eine Abgrenzung vorzunehmen.

    Neil Postmans Buch hingegen ist ein Sachbuch – ein wichtiges zwar, aber dennoch nichts, das sich mit fiktionaler Literatur vergleichen ließe. Um den Reigen der Medien aber zu erweitern, will ich auch noch darauf hinweisen, dass es eine recht gelungene Vertonung dieses Buches gibt, und zwar das Werk “Amused To Death” von Roger Waters. Wer mal reinhören will:
    http://www.youtube.com/watch?v=V_ECvy9UPwM

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