Geschlossene Gesellschaft

Es ist ja kein Geheimnis, dass die Schere zwischen Arm und Reich in der deutschen, aber auch anderen Gesellschaften in den letzten Jahrzehnten immer weiter auseinander geht. Auf Egoismus und Ehrgeiz getrimmte Menschen versuchen, ihre Stellung in der Gesellschaft unbedingt zu halten, was insbesondere auf die langsam ausdünnende Mittelschicht zutrifft. Über diese bedenkliche Entwicklung berichtete Arte letztes Jahr in der Dokumentation „Geschlossene Gesellschaft“, die anhand des Bildungs-/Schulsystems in Deutschland und Frankreich zeigt, welcher soziale Sprengstoff hier entsteht:

Die Mittelschicht fühlt sich zunehmend unter Druck. Die Angst, Job, Einkommen und damit auch den sozialen Status zu verlieren, führt bei vielen Familien zu einer Abgrenzung nach unten. Man sucht ein ruhiges und kultiviertes Wohnumfeld und setzt verstärkt auf private Netzwerke. Insbesondere die Ausbildung des Nachwuchses rückt stärker in den Fokus, denn auf dem globalisierten Arbeitsmarkt sind erstklassige Abschlüsse wichtig.

Die Sorge, dass staatliche Einrichtungen in Zeiten von Finanzknappheit und Reformstau den Anforderungen nicht mehr gerecht werden, hat Konsequenzen. Immer mehr Eltern schicken ihre Kinder auf Privatschulen. Dort erhoffen sie sich bessere Lernbedingungen, qualifizierteres Personal und gezielte Förderung – und damit den entscheidenden Vorteil für ihre Kinder im Konkurrenzkampf um Ausbildungs- und Arbeitsplätze. Soziologen prognostizieren, dass der soziale Klassenkampf künftig in der Schule beginnen werde.
Die Abgrenzung nach unten hat viele Gesichter. In den Städten entstehen immer mehr abgeschottete Wohnanlagen in attraktiven Lagen, die von gut verdienenden Mittelschichtsfamilien bezogen werden. Hier lebt man in einer sozioökonomisch homogenen Gruppe, in der sich die Lebensentwürfe ähneln und in der man sich sicher fühlt. Mit dem neuen Lebensumfeld wendet man sich vom alten Milieu ab, oft unbewusst, mitunter auch gezielt. Besonders in Deutschland wird diese Entwicklung als Zeichen für eine wachsende Entsolidarisierung und Intoleranz gesehen.

In der Dokumentation gewähren Mittelschichtsfamilien aus Deutschland und Frankreich Einblick in ihr Leben, das von einem Rückzug ins Private gezeichnet ist. Ein Phänomen, das offensichtlich mehr ist als nur ein Trend.

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12 Kommentare

  1. Besucher01

    Man muss schon ein ausgesprochener Menschenhasser sein um seine Kinder diesem System auszusetzen. Ein paar Stichworte: Krieg, Terror, Gewalt, Gier, Abzocke, Korruption, Gammelfleisch, Verdummung, BurnOut, Mobbing, Misshandlungen, Konsumsucht…….

  2. ed.saxum

    privatschule nicht gleich privatschule. Es gibt ja auch genügend Alternativschulen. Hier würde ich mir einen pool wünschen für sogenannte sozialschwache Familien. Bei einigen Eltern könnte man ja anbieten, dass sie das Geld an der Schule abarbeiten. oder man erhöht ein wenig den beitrag damit ärmere dort auch Kinder hinschicken können. Das fiese an den privatschule, diese zerstören den sozialen mix an den Schulen. das schürrt von oben und nach unten Vorurteile. man lernt sich nicht kennen. grenzt sich mehr ab. somit hat man sie. wieder Klassengesellschaft und man den Klassenkampf wieder. Das traurige ist. wohlhabende eltern zahlen für schulen und spenden dort auch noch. die spendenkraft verschwindet wieder in staatlichen schulen. Also wenn Privatschulen dann so, dass diese Plätze für alle anbieten müssen. Prozentual abgeleitet von den Gesellschaftlichen Gegebenheiten. also in einer Stadt wo jedes 2 Kind in Armut lebt muss es halt so gebaut werden, dass 50% für diese Menschen zur Verfügung steht.

  3. Ja, das Schulsystem verkommt mehrfach:
    1. es diente schon immer dazu, unsere Kinder im Gehorsam zu erziehen (Bestrafung durch schlechte Zensuren, Hitlers Gesetz der Schulpflicht wurde nicht in eine Bildungspflicht gewandelt) und dabei weniger auf das Leben als auf die zukünftige Lohnarbeit vorzubereiten
    2. Die Spreu vom Weizen zu trennen: die zukünftigen Führer von den Dienern (Stress auszuhalten)
    3. Anreicherung mit unnötigem Wissen anstatt mit nützlichem, hin zum Mittelmaß anstatt individuell in Selbstbestimmung und im Spaß Lernen zu lassen.
    4. und so wie oben beschrieben, wird über die Privatschule die Trennung zwischen den wenigen Reichen und den vielen Armen zementiert.
    Und wie das am Ende in den Schulen aussieht, hat ein Vater in einem Brief an seine Tochter geschrieben:
    http://faszinationmensch.wordpress.com/2011/06/12/warum-schuler-unsinnig-buffeln-mussen-brief-eines-vaters-an-seine-tochter-zur-erklarung/

  4. Oh, gerade gefunden, der Entwurf einer Grunsatzerklärung für eine bessere Welt zum Unterschreiben:
    http://www.freeworldcharter.org/de/more

  5. So wichtig dieses Thema auch ist, so schlecht ist leider diese Dokumentation, die das Problem nicht wirklich beim Namen nennt und statt dessen gnadenlos verharmlost und in die Irre führt.

    Die Beißreflexe der “Mittelschicht” richten sich groteskerweise ausnahmslos nach unten – dabei wäre es doch die Aufgabe gerade einer solchen Dokumentation, diesen Unsinn beim Namen zu nennen und die Zuschauer darauf hinzuweisen – wenn sie es selber noch nicht bemerkt hat -, dass der Angriff auf ihren “Status” nicht von Armen, sondern von sehr reichen Menschen erfolgt. Hier wird jedoch wieder einmal der völlig absurde Eindruck erweckt, dass der schöne Wohlstand der “Mittelschicht” irgendwie diffus von der “Unterschicht” bedroht wird, so dass die zu verzeichnende Abschottung dagegen irgendwie nachvollziehbar wird.

    Die Wahrheit sieht indes anders aus. Die Superreichen führen Krieg gegen den Rest der Bevölkerung – und selbstverständlich sitzen die “Mittelschicht” und die “Unterschicht” im selben Boot und müssten sich dringend solidarisieren – was aber aufgrund solcher Propaganda, wie sie auch in diesem Film verbreitet wird, nicht geschieht.

    Die wichtigste und einfachste Lösung dieses Problems wird auch nicht angesprochen: Ebenso wie im Gesundheits- und Rentensystem müsste es einfach verboten werden, private Parallelstrukturen zu schaffen. Wir brauchen keine privaten Krankenkassen, keine privaten Rentenversicherungen und keine privaten Schulen – das ist doch einfach grotesk. Wir brauchen ein solidarisches System, aus dem sich niemand ausklinken kann – das hat so viele Jahre prächtig funktioniert und wurde in den letzten Jahrzehnten systematisch und gewollt zerstört.

    Diesem Vollidioten, der im Film davon schwadroniert, dass ein “Wettbewerb” zwischen privaten und staatlichen Schulen ein Segen wäre, möchte man doch unentwegt auf den Kopf schlagen. Was für ein Irrsinn. Die Ursache der neoliberalen Katastrophe erklärt er zu ihrer Lösung.

    Außerdem ist festzuhalten, dass das neoliberale Credo “gute Bildung bedeutet automatisch Wohlstand” heutzutage nichts weiter als eine Chimäre ist. Diese Zeiten sind lange vorbei – auch heute befinden sich schon Massen von Akademikern längst in den Mühlen der Hartz-Terror-Behörden. Und das wird weiter zunehmen. Die gesamte Ausgangslage der Doku ist also bereits Humbug. Die Probleme liegen nicht vornehmlich im Bereich der Bildung.

    Wenn die “Mittelschicht” nicht endlich begreift, dass nicht die Armen im Land ihre Gegner sind, sondern die Superreichen, wird es gewaltig krachen – mit dem Ergebnis, dass auch die im Film vorgeführten Kinder des “Mittelstandes” am Hungertuch nagen und um ihre nackte Existenz kämpfen werden.

    Das hatten wir alles schon einmal – damals lautete das Ergebnis: Nazi-Terror, Diktatur, 2. Weltkrieg. Wohin mag es diesmal führen?

    • @ Charlie – Du hast natürlich Recht, dass die Mittelschicht weniger von „unten“ als von „oben“ bedroht wird – allerdings beschreibt die Doku halt nur, wie sich die Mittelschicht fühlt, ohne jetzt auf die Gründe für das Schrumpfen der Mittelschicht einzugehen. Es wird also m.E. nicht propagiert, dass die Gefahr von „den Armen“ droht. Man kann den Filmemachern vielleicht vorwerfen, dass dieses Thema nicht im Mittelpunkt des Drehs steht, sondern eben die Befindlichkeiten derjenigen, die ihre Kinder auf die Privatschulen schicken etc., aber das wäre dann halt auch wieder ein ganz anderer Film geworden. ich fand’s jedenfalls interessant, mal zu sehen, welche Entwicklungen sich da so abspielen, vor allem das mit den „gated communities“ ist ziemlich pervers…

  6. Ed Saxum

    Die Gefahr sind nicht “die Armen” sondern “Arm” zu werden. Darum werden dann “die Armen” weg gedrängt. wenn man sich nur genug abgrenzt dann kann einen auch nichts passieren.
    Außerdem wird nach unten gespuckt weil davor Angst hat nach unten zu Fallen. NAch oben gewunken und in die Ärs…. gekrochen weil man den fanatischen Glauben hat, dass man es mit nur genug Arbeit nach oben schaffen kann.

    Aber was mir auffällt. Ich gehöre ja zu den da unten und habe da unten viele mikro Sprünge gemacht. Die aber viele für etwas ganz großes halten. So werden Leute mit 1€ job nach der Zeit überheblich leuten gegenüber ohne 1€ job. Geringverdiener schimpfen über komplett arbeitslose. Dann gibt es noch 400€ jobber. irgendwie ganz mies was da abläuft.
    Aber auch in den Zeiten wo ich nen schlecht bezahlten job hatte, dafür verhältnismäßig viel Geld wegen Hotel Muddie, hab ich immer zu allen versucht Kontakt zu halten. Fühlte mich nie besser oder so. Komischer weise mit Job und Abendschule wurde ich auch nicht komisch. Dabei habe ich genug gesehen die fast alle ihre Arbeitslosen Freunde auf der strecke lassen haben und selbst nen 400€ hatten. Komisch. …. Teile und Herrsche.
    Was ich damit sagen möchte. Irgendwie spucken fast alle nach unten und versuchen mit “da unten” nichts zu tun haben wollen. auch wenn die Unterschiede minimal sind.

  7. mahnred

    In der Anbetung des Gewinn-Maximierungs-Monsters
    stirbt jeder Mit-Fühl-und Denk-Versuch.
    Solange wir dem “Besser-Sein-und Haben-Wollen” hinterherlaufen
    ist jeder Mist Gewinn-erbringend zu verkaufen.
    So verkommt jede “Eigen-Denk”-Aufgabe
    nur zu einer gesteigerten Konsum-Nach-Frage.
    und es fängt schon bei den kleinen Kindern an …

    “Teile und Herrsche.”
    “Etwas “Besseres” sein sollen/wollen”
    “Arbeits-Seminare” wie: “Macht-Kompetenz beweisen”
    (zu lernen, andere auszustechen, schlechtzumachen und möglichst effektiv auszugrenzen, dauerhaft Chef-konform –
    um dann in eigenem Oberflächen-Glanz zu brillieren und zu glänzen – Ahhhh… ICH bin auf der “Gewinner-Seite”
    na und ?!? der Verlierer ist dann eben pleite…
    bewirkt bei mir beinahe zwanghaftes Kot(z)-Gefühl, Übelkeiten am laufenden Band aufgrund dieses parasitären Ekel-erregenden Verhaltens…

    => Arbeits(Leben)-Zitate
    auf der Suche nach dem …”drum wend dich einem bessren zu, wer selbst nicht besser ist als du, der kann dich auch nicht weiter bringen”… gefunden:
    http://www.dohrendorf.de/pages/startseite/berufsleben/zitate-berufsleben.php
    hmmmm….

    Es ist doch immer wieder nur das Gleiche:
    Wohl-Stand immer nur für Reiche.
    Wen kümmert da schon
    eine erfrorene Menschen-Leiche ?!?
    Gladen-los
    ob-Dach-los
    oder nicht
    kümmert kein Noch-Wohl-(An)Stands-Gesicht
    bis es selber am Arbeits-Erhaltungs-Versagen zerbricht
    und in die Armuts-Falle läuft
    und den Ver-Achtungs-Schmerz nur noch ersäuft
    der sich in den Wert-Gefühlen auf-häuft
    und zum Innen-Feind wird
    auch wenn es sich
    in der Selbst-Be-Wertung
    gründlichst dabei irrt
    weil diese Menschen-Verachtende WERBUNG
    dir ständig erzählt:
    Du hast immer noch nicht genügend “Konsum” ausgewählt.
    Ein “Wir dürfen die Märkte doch nicht erschrecken !”
    wird keinen Toten wieder zum Leben erwecken.

    Was zählt denn heute eigentlich noch *Liebe*
    in diesem Menschen-Verachtungs-Getriebe ?!?

    Was ein bewußter Verzicht,
    der dir dein Herz
    zum Mit-Fühlen
    endlich wieder aufbricht ?

  8. Lieber Peter,

    diese Doku “beschreibt” nicht, sondern zeichnet ein Zerrbild – siehe oben. Es macht doch keinen Sinn, die “Befindlichkeiten der Mittelschicht” so ausführlich darzustellen, ohne Hintergründe zu liefern und zumindest darauf hinzuweisen, dass diese Haltung schlicht grotesk ist. Man könnte analog auch eine Doku über die Ängste und Probleme der Superreichen drehen – wenn man die aber nicht in einen sinnvollen Bezug zur restlichen Gesellschaft setzt, wäre auch eine solche Doku ohne Aussagewert.

    Dass die Entwicklungen an sich pervers sind, steht außer Frage. Das wird im Film aber nicht kritisch thematisiert – ganz im Gegenteil. Gerade von Arte sind wir da doch deutlich höhere Qualität gewohnt – auch wenn das wohl bald Vergangenheit sein dürfte, wie ich kürzlich las, denn der Sender soll “reformiert” werden. Und was das bedeutet, wissen wir inzwischen hinlänglich …

    Viele Grüße
    Charlie

  9. Lieber Ed Saxum,

    das ist wieder ein Thema für sich – die Ellbogenmentalität im Kapitalismus, die sich stets gegen (vermeintlich) Schwächere oder hierarchisch weiter unten Stehende richtet, ist ja schon seit langem bekannt. Natürlich ist das absurd – deswegen ist es meines Erachtens ja so wichtig, dass immer wieder darauf hingewiesen wird.

    Dieses gesamte hierarchische Denken ist eine üble Geißel der Menschheit. Es ist mir ein vollkommenes Rätsel, wieso auch in katastrophalen Zeiten wie diesen so viele Menschen immer noch diesem kapitalistischen Egoismuswahn anhängen, anstatt sich endlich zu solidarisieren.

    Viele Grüße
    Charlie

  10. Janos

    Hallo zusammen,

    ich habe oft das Gefühl das wir nur nach hinten schauen. Wir brauchen keine Aufzählungen und keine Belehrungen über die Dinge die auf der ganzen Welt falsch laufen, wir alle hier sehen die Sache ähnlich. Wir brauchen jetzt Zusammenhalt und kreative Ideen, mit einfachen Lösungsansätzen. Vor allem ist es wichtig die Menschen in unserem Umfeld aufzuklären, ihnen klar zu machen das die Menschheit, und damit ein jeder von uns, auf einen Abgrund zusteuert. Wir müssen etwas ändern !!! Bürgerfeste, Hausgemeinschaftsfeste, Dorf und Stadt Umgestaltungsvereine, Konsumverweigerungsvereine, Aufklärungsvereine alles natürlich in losen Zusammenschlüssen ohne die Endung e.V. und ohne Genemigung. Bitte nicht lachen, ich bin eben auch nur ein kleiner Utopist. Doch ich möchte, nein ich muß die Welt verändern. Nicht für mich, sondern für unsere Kinder.

    Gruß Janos

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