Jul
30
2010
1

Wer mit der Angst der Menschen Profit macht / Hunger in Deutschland / Das Brokkoli-Patent

Längst sind es nicht nur vermeintlich spinnerte Ideen irgendwelcher Verschwörungstheoretiker, wenn man sich darüber Gedanken macht, wer eigentlich die Nutznießer von der konsequent geschürten Angst und Panik vor Pandemien, Terroristen usw. usf. sind. Eine richtige „Angst-Industrie“ ist entstanden, die vom Sicherheitsbedürfnis vieler Menschen lebt und davon, dass Medien und Politik und auch Reklame immer neue Säue durchs Dorf treiben, die unser aller Leben angeblich bedrohen. Das gutsituierte Handelsblatt stellte sich in seiner Ausgabe vom 23. Juli ebenfalls dieser Frage – „Die Suche nach Sicherheit – Wer mit der Angst der Menschen Profit macht“. Der komplette Artikel lohnt sich:

Der Terror hat die Menschen ängstlicher gemacht. Sie verlangen nach mehr Sicherheit – beim Reisen, beim Essen, beim Geldanlegen. Für die Bevölkerung birgt die Angst nur Negatives – doch für den Markt wird sie zum neuen Milliardengeschäft. […]

Experten schätzen den Sicherheitsmarkt schon heute auf einen dreistelligen Milliardenbetrag. In mancher Hinsicht facht sich die Branche selbst an. Die technischen Möglichkeiten, Daten zu sammeln und zu speichern, sind in den vergangenen Jahren um ein Vielfaches gewachsen. Doch je größer der Datenberg, desto dringender die Not nach Analyse. Dabei geht es nicht nur um die Erkennung von Gesichtern auf einer Überwachungskamera. Data-Mining, wie es im Fachjargon heißt, umfasst die Auswertung von Bildern genauso wie jene von mitgeschnittenen Telefongesprächen, überwachten E-Mails oder die Erkennung von verdächtigen Abbuchungen. Data-Mining hat viele Anwendungen: Terrorbekämpfung, Aufspüren von Kreditkartenbetrügern oder gezielteres Marketing durch Auswertung von Datensätzen. […]

Privatsoldaten sind die schillerndsten Mitarbeiter der Angst AG. Doch die Entstaatlichung des Gewaltmonopols hat viele Gesichter. In den USA etwa ist die Behausung von Straftätern längst keine hoheitliche Aufgabe mehr. Unternehmen wie die Corrections Corporation of America aus Nashville verwalten rund 80 000 Gefangene und bringen es auf einen Jahresumsatz von 1,7 Milliarden Dollar. Der Gewinn hat sich in den vergangenen fünf Jahren verdreifacht. […]

Um eine noch existenziellere Form der Angst ging es neulich auch beim MDR-Magazin Fakt – es zeigte, wie allen Jubelmeldungen von neoliberalen Wirtschaftlern wie dem INSM-nahen Ifo-Institut („Die deutsche Wirtschaft ist wieder in Partylaune“) die Realität vieler Menschen hierzulande anders aussieht. „Hunger in Deutschland“. Auf der MDR-Website kann man sich den dazugehörigen Beitrag (derzeit noch) online anschauen:

In Deutschland sind elf Millionen Menschen von Armut bedroht. Tausende leben bereits am Existenzminimum. Dabei handelt es sich nicht nur um Obdachlose, sondern auch um Rentner, Witwer, Alleinstehende und Alleinerziehende. Für viele gehört der Hunger inzwischen zum Leben dazu. Und ihre Situation scheint aussichtslos. […]

[…] Von Armut betroffen sind oft Menschen, die von Sozialleistungen leben. Nach Ansicht von Experten kann man mit den Regelsätzen für einen begrenzten Zeitraum auskommen, aber nicht auf Dauer. Doch anders als noch vor 20 Jahren ist Armut heute von langfristiger Natur. Das sagt Rudolf Martens, Wissenschaftler beim Paritätischen Wohlfahrtsverband. Er befürchtet, dass sich die Gesellschaft in Deutschland in Teilen auf amerikanische Verhältnisse zubewegt. […]

© lockstockb, stock.xchng

Apropos Ernährung – es gibt ebenfalls Neues von der „Genfood-Front“: nach dem irrsinnigen Plan von Monsanto, sich Schweinefleisch patentieren zu lassen, ist nun der Brokkoli ins Visier der Großkonzerne gerückt. Der Blog „Ratlosigkeit und Katzen“ schreibt in „Das Brokkoli-Patent“:

[…] Ich weiß ja, dass es das gibt; aber, dass ein britischer Konzern meint, er hätte einen Patentanspruch auf stinknormalen Brokkoli, war mir neu.
„Ja ist es denn!“, knirschte ich schon wieder, diesmal beim Zerhacken der Frühlingszwiebeln, denn diese britischen Forscher, und mit ihnen Monsanto und die anderen bösen Riesen, meinten ein Patent stünde ihnen dann zu, wenn sie im Labor einfach und schlicht ein paar Gene des jeweiligen Gemüses oder Geflügels (denn auf Tiere kann auch ein Patent angemeldet werden) lokalisierten. Ein Vorgang, der in den Laboren heutigentags trivial ist. […]

Der Deutschlandfunk brachte dazu eine eigene Sendung, in der u.a. Felix Löwenstein vom Bund ökologischer Lebensmittelwirtschaft zu Wort kommt:

„Also es ist meiner Ansicht, ohnehin problematisch, Patente auf Lebewesen zu erheben, auch auf gentechnisch veränderte. Und in Wirklichkeit ist es doch so, dass die Hauptmotivation ist, gentechnisch-veränderte Pflanzen herzustellen, dass man dann hinterher ein Patentschutz darauf haben kann. Was nun in den letzten paar Jahren passiert ist, ist, dass immer mehr Patente angemeldet werden auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere. Weil man ein Verfahren patentiert, dass irgendein Gen beschreibt und daraus leitet man dann weitreichende Ansprüche ab.“

Jibbet auch noch einen schönen Beitrag von quer zu dem Thema – „Wem gehört die Natur? Aufstand gegen Brokkoli-Patent“:

Das Brokkoli-Patent: Ein kleiner Schritt für das Patentamt, ein großer Schritt für die Menschheit? Wir von quer sind skeptisch. Kritiker warnen vor Monopol-Konzernen, die mit Hilfe von patentierten Zuchtverfahren die weltweite Lebensmittelindustrie kontrollieren könnten und damit, was bei uns auf den Tisch kommt und zu welchem Preis. Befürworter erwarten dagegen eine goldene Zukunft – und der Brokkoli zur Krebsprävention ist da erst der Anfang. Kommen bald Potenz fördernder Spargel, Schokokekse gegen Schlaganfall und Salami gegen Syphilis?

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