Feb
24
2009
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Buchbesprechung: John Stauber & Sheldon Rampton „Giftmüll macht schlank“

Giftmuell macht schlankDies ist ein schreckliches Buch, dessen Lektüre mir manches Mal nicht gerade leicht gefallen ist. Nicht etwa weil die beiden US-Amerikaner John Stauber und Sheldon Rampton einen schwerverständlichen Stil am Leibe hätten oder das Thema langweilig wäre. Nein, ganz im Gegenteil – es liegt vielmehr daran, dass einen die Abgründe, die dem Leser hier verdeutlicht werden, des öfteren den Atem stocken und unbändige Wut und Abscheu aufkommen lassen. In „Giftmüll macht schlank. Medienprofis, Spin Doctors, PR-Wizards. Die Wahrheit über die Public-Relations-Industrie“ (in den USA bereits 1995 erschienen) geben die Autoren einen bestürzenden Einblick darin, wie tief sich Propaganda und Desinformation in den letzten Jahrzehnten schon in unsere Gesellschaft, die Medien und das, was wir zu wissen glaubten, gefressen haben.

Stauber und Rampton steigen in ihrem Buch hinab in die morastigen und schlammigen Untiefen einer Industrie, die unser aller Leben mehr bestimmt, als wir uns das bewusst sind, und die offensichtlich keine Skrupel kennt, wenn es nur in der eigenen Kasse klingelt – Public Relations, kurz: PR. Die „reguläre“ Dosis an Fehlinformation und Lügen erhält der moderne Konsument tagtäglich ja bereits durch normale Werbung & Reklame. Hier weiß aber inzwischen eigentlich (fast) jeder, dass die Firmen in ihren Anzeigen gerne Märchen erzählen und uns mit ihren Floskeln für dumm verkaufen wollen. Sehr viel subtiler und deshalb wirkungsvoller und noch gefährlicher ist jedoch das, was im Bereich der PR-Arbeit rund um die Uhr geschieht. Denn anders als bei offener Werbung passiert hier vieles quasi im Verborgenen – Auftraggeber bleiben für den Bürger unsichtbar, die PR-Unternehmen selbst in der Regel auch. Dafür tarnen sie sich mit unterwanderten Aktivistengruppen, mit eigens dafür initiierten Bürger- oder Umweltgruppen, sie kaufen Experten und Politiker, sie sorgen für eine beschönigte Presse, machen Kritiker mundtot usw.

In insgesamt 12 Kapiteln greifen die Autoren einige besonders krasse und erschreckende Fälle von PR-Arbeit (überwiegend in den USA bzw. Südamerika) auf. Schnell wird klar, dass PR sich nicht nur auf wirtschaftliche, sondern auch politische Bereiche erstreckt und bereits seit vielen Jahrzehnten intensiv praktiziert wird. Alle Beispiele/Konzerne hier im einzelnen zu behandeln, würde den Rahmen meiner Rezension sprengen, aber um nur einige zu nennen: die amerikanische Atomindustrie, Pharmariesen, Genfirmen wie Monsanto, oder die dem Buch den Titel gebende Kampagne der Großindustrie, in der sie den Bürgern und Bauern ihren giftigen, bleikontaminierten Klärschlamm als gesunden Dünger zu verkaufen versucht (kein Scherz!), um so die teure Entsorgung zu umgehen und dafür bestellte Gutachten vorlegt und Aktivisten lahmlegt. Das schlimme ist – selbst mit solch für den gesunden Menschenverstand absurden Ansinnen haben PR-Firmen und damit ihre Auftraggeber Erfolg. Es wird schnell klar, dass die großen der PR-Branche wie Burson-Marsteller keine Skrupel haben, die widerlichsten Konzerne wie Philip Morris, Eli Lilly, Nestlé, Pfizer, Genentech etc. und selbst Diktaturen zu vertreten. Wenn man en detail liest, mit welchen Methoden PR-Profis Umweltgruppen unterwandern oder Politiker auf ihre Seite zu ziehen versuchen, kann man eigentlich nur noch Ekel und Verachtung für solches Geschäftsgebaren empfinden. Ein Beispiel von vielen aus dem Buch:

CAST (Council for Agricultural Science and Technology) wurde 1972 gegründet und wird von Hunderten von Unternehmen finanziert, die alle mit genetisch veränderten Lebensmitteln, Agrarchemie, Additiven für Lebensmittel und industrieller Landwirtschaft zu tun haben. Darunter finden sich Firmen wie Dow, General Mills, Land O’Lakes, Ciba-Geigy, Archer Daniels Midland, Monsanto, Philip Morris und Uniroyal. (…) CAST ist eine klassische Tarnorganisation der Industrie, die behauptet, „aktuelle, unverfälschte und wissenschaftlich Informationen über Nahrungsmittel und Agrarwirtschaft zu liefern“. Tatsächlich hat CAST über zwei Jahrzehnte lang heftig für pestizidverseuchte Nahrung, bestrahltes Obst und Gemüse sowie den Einsatz von Hormonen und Pharmazeutika in der Tierzucht gekämpft. Die Hunderte von Wissenschaftlern aus Industrie und Forschung, die CAST angehören, sind oft Empfänger großzügiger Drittmittel und anderer Gelder, die von den gleichen Konzernen stammen, de CAST finanzieren.

Ein besonders schlimmes Kapitel befasst sich mit den Verquickungen von Public Relations mit den Medien. Es ist klar, dass das Gerede von einer „freien Presse“ ohnehin nur eine Illusion ist. Doch die PR-Firmen treiben die Abhängigkeiten von Presse und Wirtschaft noch einen Schritt weiter, in dem sie für ihre Kunden eigene Beiträge, teils auch schon fertig geschnittene Filme, vermeintliche Nachrichten (die eigentlich nur Pressemitteilungen von Firmen darstellen) produzieren und diese dann kostenlos an die Medien weitergeben. Und die Sender und Redaktionen greifen freudig und begeistert zu – kritische journalistische Recherche findet in solchen Fällen kaum mehr statt, so dass die Sender zu reinen Verlautbarungsstationen der Konzerne verkommen. Wer beispielsweise hierzulande den sog. „Nachrichtenkanal“ N24 einschaltet und dort die rund um die Uhr laufende Militärpropaganda sieht, ahnt vielleicht schon, woher diese Beiträge eigentlich stammen…

Die PR-Abteilungen von Unternehmen haben einen enormen Einfluss auf die Gestaltung der Nachrichten, auch wenn Redakteure das Gegenteil behaupten. Großunternehmen pumpen allein in den USA jedes Jahr hundert Milliarden Dollar in die Kassen der Medienunternehmen. Ben Bagdikian betont „Die Auswahl von Nachrichten nach dem Kriterium der optimalen Werbeunterstützung ist mittlerweile  so normal geworden, dass man inzwischen mit wissenschaftlicher Präzision darangeht und es zum alltäglichen Handwerk der Medien gehört.“ Der PR-Manager Robert Dilenschneider gibt zu: „Der Glaube, betriebswirtschaftliche und redaktionelle Entscheidungen in der Presse und den Medien würden völlig getrennt voneinander getroffen, ist in weiten Zügen in Mythos.“

Wer es bis zum letzten Kapitel „Den eigenen Hinterhof erobern“ geschafft hat, ohne vollends an der Welt dort draußen zu verzweifeln, bekommt am Ende dann doch auch ein paar versöhnlichere und aufbauendere Töne zu hören. Dass beispielsweise PR nicht per se „böse“ sein muss, sondern natürlich auch für viele gute Aktionen und Ideen PR betrieben wird, um ihnen Gehör zu verschaffen. Und Stauber & Rampton machen uns Mut, sich gegen die Desinformationsmaschine zu stellen und vor allem im lokalen Bereich aktiv für die eigenen Rechte und die Kommunen einzutreten, weil diese „NIMBY (Not In My Backyard)“-Bewegungen tatsächlich gute Chancen haben, selbst große, übermächtig erscheinenden Gegner, die mit dem ganzen Waffenarsenal der PR kämpfen, aufzuhalten oder zumindest Sand in deren Getriebe zu streuen. Außerdem rufen sie dazu auf, dass wir uns abseits der Mainstreammedien eine Meinung bilden und bei allen Meldungen, die wir so lesen, im Hinterkopf behalten, dass dahinter eventuell gewaltige Interessensgruppen stehen, die diese Nachrichten mit voller Absicht verbreiten (oder manches bewusst unterdrücken).

cmd-radioDie Tatsache, dass sich Unternehmen und Regierungen bemüßigt fühlen, jedes Jahr Milliarden für die Manipulation der Öffentlichkeit auszugeben, ist eine perverse Hommage an die menschliche Natur und an unsere eigenen Moralvorstellungen.

Die beiden Autoren betreiben übrigens die Website SourceWatch und geben in ihrem Center for Media and Democracy das vierteljährlich erscheinenden Magazin PR Watch heraus, auf der man sich eingehender über die aktuellen Verflechtungen von PR, Lobbyarbeit, Politik & Wirtschaft informieren kann.

John Stauber & Sheldon Rampton „Giftmüll macht schlank“. orange press 2006, 319 S., 20,– €, ISBN 978-3-936086-28-7

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