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Lesetipps: Fastfood-Mischgeschmack | Keimschleuder Agrar-Fabrik | Christiania | Ferrero

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© julosstock, stock.xchng

Na, Hand aufs Herz, wann war jemand von Euch zuletzt bei McDoof oder einer ähnlichen Fastfood-Bude? Früher sah man mich auch ab und an in diesen Läden auftauchen, und schon damals wunderte ich mich, wieso das Zeug eigentlich nach wenigen Minuten, wenn es etwas erkaltet war, nach nichts mehr schmeckte und man zudem eine Viertelstunde nach dem Essen bereits wieder Hunger hatte. Während des Essens fiel die Kost, die man sich da reinzog, nicht wirklich auf, sie kitzelte den Gaumen nur peripher und hinterließ keine geschmacklichen Nachwirkungen, lediglich der Magen fühlte sich etwas pappig an. Durch den Der Moustachio-Blog habe ich jetzt den passenden Fachbegriff für diesen Mullmampf kennengelernt: „Mischgeschmack [2]“. Das Äquivalent zu RTL, BILD und DJ Ötzi, sozusagen:

Mir ist speiübel. Ich habe gerade in zwölf Minuten 1000 kcal zu mir genommen, und zwar in Form eines BigMac, einer kleinen Pommes und einer 0,4l Cola. Ja, wer 1&1 zusammen zählen kann, liegt richtig – ich war bei McDonalds. Warum ich dort war will ich euch gerne erzählen…
…Während ich heute so durch die Stadt spaziert bin, habe ich über Geschmäcker nachgedacht, um genau zu sein über eine spezielle Art Geschmack – den sogenannten Mischgeschmack.

(…) Ganz anders ist es beim Mischgeschmack. Rein optisch und/oder haptisch sind die einzelnen Zutat noch mehr oder weniger von einander zu trennen. Bereits nach dem ersten Bissen jedoch fließen alle Geschmäcker, Konsistenzen und Aromen untrennbar zusammen und sind nicht mehr einzeln wahrnehmbar, sondern quasi nur noch als ein einziger Geschmack. Die typische Konsistenz des Mischgeschmacks ist der Brei. Die typische Geschmacksrichtung ist süß/sauer (bei Herzhaftem, mischt sich noch ein wenig Salz dazu). Bitterkeit ist selten in Mischgeschmäckern zu finden. Starke und spezielle Aromen sind auch nicht auffindbar. Der Mischgeschmack ist ein anspruchsfreier, geschlechtloser Geschmack. Er schmeckt v.a. unerfahrenen Essern (i.S. Kleinkindern und natürlich Babys) und man muss ihm keine besondere Aufmerksamkeit schenken, um ihn in all seiner vorhandenen „Tiefe“ wahrzunehmen. Er lässt sich perfekt so nebenbei wegschmecken. Tatsächlich ist es sogar so, dass sobald man ihm die volle Aufmerksamkeit schenkt und versucht ihn kritisch wahrzunehmen, „aufzubrechen“ und zu erschmecken, kommt man zu sehr nüchternem Ergebnis. Denn da ist nichts zu entdecken in dem androgynen Brei.

Das populäre Fast-Food basiert auf eben diesen Mischgeschmäckern. Ob Hamburger, Döner, Pizza, Fertiggerichte oder Sandwich – wenn als klassisches, billiges Fast-Food angeboten, ergibt sich aus der jeweiligen Vielzahl an Komponenten (Brot, Fleisch, Gemüse, Soßen, Käse etc.) ein hübscher Mischgeschmack. Meist sind die Zutaten, einzeln probiert, wenig schmeichelhaft. Die Schlüsselkomponente die meist für das Mindestmaß an Geschmack und Aromen sorgt, ist die verwendete Soße. Dank ihrer Konsistenz verteilt sie sich schnell gleichmäßig im Mund und gibt dem „Einheitsbrei“ dann seinen Geschmack. (…)

(…) Also gehe ich zu McDonalds und will mir mal einen Mischgeschmack bestellen, gerne im Menü. Auf den bunten Tafeln über der Verkaufstheke lachen mich über zehn verschiedene Burger an, alle mit einem „ganz speziellen“ Mischgeschmack. Ich entscheide mich für den Klassiker, den BigMac, dazu eine kleine Pommes mit Mayo und eine 0,4l Cola. Zwölf Minuten esse ich (= Fast Food). Alle Theorien bestätigen sich. Die Soße gibt den Ton an. Es handelt sich um die Karikatur einer Senfsoße. Brötchen und Frikadelle geben dem Brei die Masse. Der Salat ist nicht wahrnehmbar. Die zwei winzigen Gurkenscheibchen bilden für einen Augenblick das gustatorische Highlight, als ihre Konsistenz und ihr Geschmack aufflammen. Die Pommes schmecken nach Salz und nach Frittiertem – nicht nach Kartoffel. Die Mayonaise stellt das Äquivalent zur Senfsoße für die Pommes dar. Die kalte sprudelnde süß/saure Cola ist der passende, unkomplizierte, flüssige Mischgeschmack.

Ich habe mich bewusst auf meine Mahlzeit konzentriert, was man in diesem Fall definitiv nicht tun sollte. Als ich die McDonalds Filiale verlasse, ist mir übel und meine Zunge und mein Gaumen sind taub und überreizt. Ich bin niedergeschlagen und müde, körperlich und psychisch. (…)

Wo wir schon mal beim Thema Nahrung sind – Der Freitag hatte neulich ein kleines Special zur Landwirtschaft und Nahrungsindustrie, in dem es vor allem um die Auswirkungen der Tendenz zu immer größeren und durchrationalisierteren Betrieben geht. In „Keimschleuder Agrarfabrik [3]“ wird der Landwirtschaftsexperte Götz Schmidt interviewt:

Der Freitag: Was müsste sich in der Nahrungsmittelproduktion verändern, damit die Kette von ­Lebensmittelskandalen endlich abreißt?

Götz Schmidt: Das dringlichste ist die Abschaffung der agrarindustriellen Tierhaltung. In den vergangenen 40 Jahren hat sich ein System entwickelt, das von extremer Spezialisierung und Arbeitsteilung geprägt ist. Um es an der Geflügelhaltung zu erläutern. Da gibt es nicht nur Tier­fabriken, sondern Futter­lieferanten, Zuchtbetriebe, Elternfarmen, Küken- Brütereien, Schlachthöfe, Zerlegebetriebe, Entsorger von Mist, Recyclingunternehmen für Schlachtab­fälle und Kadaver sowie den internationalen Handel der Eintagsküken. (…)

(…) Regional orientierte Lebensmittelerzeugung braucht vor allem kleine, bäuerliche Betriebe. Natürlich werden auch in kleineren Betrieben Fehler gemacht. Doch sie sind korrigierbar, eingrenzbar. Noch bestehende bäuerliche Betriebe müssen gestützt werden. Neugründungen mit jungen Leuten müssen möglich sein. Investitionen in die Erleichterung der Arbeit in kleinen Betrieben sollten gefördert werden – jedoch ohne die Betriebe ins Wachstum der Tierbestände zu zwingen.

Die Art der Erzeugung von Lebensmitteln hat entscheidenden Einfluss auf ihre Qualität. Auch deshalb sind tiergerechte Haltung und Fütterung, Tageslicht, genügend Platz im Stall, Weidegang so wichtig. Pro Arbeitskraft dürfen nur so viele Tiere gehalten werden, dass das einzelne Tier wahrnehmbar ist. Wenn Medikamente regelmäßig als Reparaturmittel erforderlich sind, dann verkommt die Lebensmittelaufsicht zur Dopingkontrolle. (…)

Was verhindert dann die Agrarwende?

Die Ernährungsindustrie ist – gleich hinter der Automobilindustrie – der viertgrößte Gewerbezweig. Und ihre Lobby arbeitet effektiv. Bei den Auseinandersetzungen um die Käfighaltung von Hühnern gelang es ihr zum Beispiel, mehrere Landesregierungen zum Sprachrohr ihrer Interessen zu machen.

Der Deutsche Bauernverband wiederum ist in allen wichtigen Fragen ein Sprecher der Agrarindustrie. Er sabotierte den Kampf für einen besseren Milchpreis. Auch die von der EU erwogene Kürzung der Subventionen für Großbetriebe wusste er zu verhindern.

Doch selbst für die Agrarlobby gilt: Wenn sie gegen den Willen der Bürger agiert, dann bringt sie die Bürger gegen sich auf. (…)

Vorletzte Woche war es wieder mal soweit – Foodwatch hat den Goldenen Windbeutel für die größte Werbelüge des Jahres verliehen. Diesen Schmähpreis erhielt diesmal Ferrero für seine irreführende Reklame, die die Milchschnitte als „leichte Zwischenmahlzeit“ anpreist, obwohl sie extrem viel Fett und Zucker enthält. Herzlichen Glückwunsch (und mein Beileid allen denen, die tatsächlich glauben, sich selbst oder den Kindern etwas Gutes zu tun, indem man diesen Mist futtert)! Aber natürlich hat sich Ferrero diesen Preis redlich verdient, zumal der Konzern noch ganz andere Sachen zu verantworten hat. Der Direkte Aktion-Blog stellt in seinem Beitrag „Ferrero: Nicht nur größter Werbelügner, sondern auch gewissenloses Unternehmen [4]“ klar, wo die wunden Punkte dieser Firma liegen:

(…) Doch die Milchschnitte ist nicht Ferreros einziges Verbrechen. Als eine der großen Süßwaren-Hersteller Europas verarbeitet Ferrero viel Schokolade – für die Kakao direkt aus Afrika bezogen wird, wo er von Kindern in Sklaverei oder Sklaverei-ähnlichen Arbeitsverhältnissen und unter schweren Schäden für die Gesundheit dieser Kinder angebaut und geerntet wird.

Mehr Infos: http://direkteaktion.over-blog.de/article-32135413.html [5]

Ferrero ist das bekannt [6], doch der Konzern beabsichtigt nichts an diesen für ihn sehr vorteilhaften Produktionsbedingungen zu ändern. Denn Kakao aus Kindersklaverei ist besonders günstig und erhöht damit den Profit für die Aktionäre von Ferrero und die Boni der Manager.

Auch die Milchschnitte enthält übrigens solchen Kakao – und nicht wenig, wie wir nun wissen.

Ferrero outet sich damit als besonders gewissenloser und nur auf Profit ausgerichteter Konzern, der seine Kunden hintergeht und seine Lieferanten ausbeutet. (…)

Zum Abschluss noch zwei kurze positive Randnotizen aus der Mainstreampresse – bestimmt hat der eine oder andere von Euch schon mal von Christiania gehört, diesem quasi autonomen Viertel in Kopenhagen, das seit Jahrzehnten im Dauerclinch mit der Stadt liegt, da dieser die alternative Lebensweise, die dort gepflegt wird, ein Dorn im Auge ist. Das Hamburger Abendblatt (dass ich mal einen Link auf diese Zeitung setzen würde hätte ich auch nicht gedacht!) berichtet nun über den (wohl) endgültigen Erfolg von Christiania – „Hippie-Stadt Christiania kauft sich frei [7]“:

In der “Freistadt Christiania” in Kopenhagen gelten andere Gesetze. Autos sind verboten, alle zahlen in eine Gemeinschaftskasse ein, Entscheidungen werden gemeinsam getroffen, die dänische Polizei darf nur mit Genehmigung rein. Der Staat und die Stadt lieferten sich 40 Jahre einen Kleinkrieg mit dem alternativen Wohnprojekt. Nun wurde es offiziell legalisiert. Christiania ist frei.

Rückblick: 1971 rissen einige Bewohner des Kopenhagener Stadtteils Christianshavn die Planken zu einem bis dahin für die Allgemeinheit unbekannten Paradies ein. Hinter einem hohen Holzzaun gab es, quasi im Herzen der Altstadt, ein 34 Hektar großes ehemaliges Militärgelände mit romantischem Wallgraben, mit Hügeln, Wiesen, Bäumen und einigen alten Gebäuden. Der dänische Staat hatte das Kasernengebiet stillgelegt, die Anwohner, die meist nur auf karge Hinterhöfe blickten, eroberten sich Platz und Grünflächen für ihre Kinder. Hippies schlossen sich an, besetzten die Kasernen.

An eine Räumung war vor 40 Jahren aufgrund der Weitläufigkeit des Geländes nicht zu denken. Anarchie machte sich breit. Haschverkäufer konnten hier ungestraft ihre Waren anbieten. Die Christiania-Bewohner (Christianiter) zahlten weder Miete noch sonstige Abgaben. 1973 wurde es den Stadtoberen zu bunt. Sie versuchten, die “Freistadt” erstmals zu räumen – vergeblich. Die Lage beruhigte sich, spitzte sich zu, beruhigte sich. Mit diesem politischen Hickhack lebten die Dänen und die Christianiter vier Jahrzehnte. Bis nun im April der Staat mit einem erstaunlichen Kaufangebot kam. (…) Weil in der Gemeinschaftskasse natürlich keine zehn Millionen sind, überlegt man nun, ganz neue Wege zu gehen. “Im Moment denken wir darüber nach, eine Art Volksaktie einzuführen, mit der man die Stiftung unterstützen kann”, erklärt Christiania-Sprecher Thomas Ertmann. Mit Unterstützung von außen können die Christianiter rechnen. Denn die Kopenhagener lieben ihre “Freistadt”. (…)

Und auch noch dies – selbst in provinziellen konservativen Zeitungen erkennt man den Trend hin zu mehr Nachhaltigkeit, z.B. auch in der Mode (obwohl ökologische Mode leider nach wie vor eine reine Nische ist und man außerhalb der Metropolen nur wenig Chancen hat, solche zu finden) – die Hannoversche Allgemeine Zeitung berichtete unlängst: „Modedesign-Studentin entwirft ökologische Outfits [8]“:

Ein paar Handgriffe noch, dann sitzt er perfekt: Luftig und grazil umfließt der Seidenoverall das Bein des Models und modelliert mit dem dünnen Gürtel aus dem eigentlich weiten Schnitt eine weibliche Silhouette. Simone Austen nickt zufrieden. Nein, das sieht wirklich nicht „öko“ aus – und das ist auch der Anspruch der Modedesign-Studentin der Fachhochschule Hannover (FHH): Ökologisch korrekte Kleidung, die aber ästhetisch wirkt. Der Overall ist aus nur einer einzigen Stoffbahn Bioseide gefertigt und so produziert, dass nicht ein Fetzen des teuren Stoffs im Abfall landet. Zero-Waste-Fashion nennt sich die Methode, Mode ohne Müll. Und wenn bei einem Schnittmuster doch Stoff übrig bleibt, verarbeitet die 24-Jährige die Reste zu einem Rock, einer Bluse oder einem Gürtel.„Mit dieser Produktionsart können Zeit, Energie und vor allem Rohstoffe gespart werden“, sagt Austen. Ihre eigene Maxime: „Mode soll Spaß machen, aber man soll kein schlechtes Gewissen haben, weil man nicht weiß, wie dieses Fünf-Euro-T-Shirt aus der Modekette nun eigentlich entstanden ist.“ Damit greift Austen eine Diskussion auf, die derzeit aktuell ist: Faire, ökologische und nachhaltige Produktionsweise wird immer wichtiger – und erweist sich als neues lukratives Feld im Modebusiness. (…)

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