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Die Durchkommerzialisierung der digitalen Welt – Teil 2: Apple

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© michaelaw, stock.xchng

Nachdem ich im ersten Teil [2] meiner kleinen Serie über die Kommodifizierung und Konzernisierung der digitalen Medien (vor allem des Internets) Facebook und seine Auswirkungen auf die Art und Weise, wie wir mit dem Web umgehen, beleuchtet habe, ist heute ein anderer großer „Player“ an der Reihe – Apple. Apple sorgt in anderer Form dafür, dass sich das digitale Nutzungsverhalten der Menschen ändern kann und dem Kommerz Vorschub geleistet wird, denn das Unternehmen bringt mit dem iPhone und dem iPad Geräte auf den Markt, die proprietäre Software benutzen und bei denen Apple versucht, den Daumen auf die Datenströme zu haben. Dies könnte in letzter Konsequent eine Beschneidung der Meinungsfreiheit bedeuten, wie in den letzten Monaten in diversen Medien kritisiert wurde. Ein Beispiel für skeptische Berichte ist „Wenn Apple zensiert [3]“ im Medien-Monitor:

Nicht nur Regierungen oder Diktatoren herrschen über die Pressefreiheit in ihrem Land. Immer häufiger entscheiden auch Unternehmen darüber, welche Inhalte für die Öffentlichkeit bestimmt sind – vor allem Apple. (…)

Während die ungarische Regierung dem Druck der Öffentlichkeit nachgibt und seinen Medien-Knebel wieder lockern will, bleibt eine mächtige Zensurinstanz im Verborgenen: Weltweit beschränken Unternehmen und Konzerne gezielt Medieninhalte. In vielen Fällen unbeachtet von der breiten Masse. Politischen Druck oder lautstarke Proteste wie im Fall Ungarn müssen die Unternehmen daher nicht fürchten.

So tituliert der amerikanische Elektronikkonzern Apple seine Maßnahmen kurzerhand als Qualitätskontrolle. Bevor Apple für sein iPhone oder iPad die beliebten Apps zum Download zulässt, werden die kleinen Programme von Mitarbeitern des Konzerns auf Inhalte geprüft. Entsprechen diese nicht der gängigen Meinung des Unternehmens, können Nutzer die Progamme nicht im App-Store auf ihr Smartphone laden. Was nicht im Sinne des Unternehmens ist, bleibt der Öffentlichkeit also unzugänglich. Und Apple geht noch einen Schritt weiter: Vor kurzem kündigte das Unternehmen an, keine der beliebten Radio-Apps mehr von einzelnen Radiostationen zuzulassen. Im Internet wurde rasch der Ruf laut, dass es sich um die Zensur eines ungeliebten Mediums handele. Schließlich stehen die Radio-Apps in direkter Konkurrenz zum Download-Geschäft von iTunes. (…)

(…) Derartige Versuche dürften in Zukunft zunehmen. Denn je mehr Menschen sich im Netz bewegen und dabei die Dienstleistungen großer Unternehmen in Anspruch nehmen, desto mehr werden diese versuchen, die öffentliche Meinung aktiv zu beeinflussen oder zu beschränken.

Hier sieht man, was generell geschieht/geschehen kann, wenn Angebote einem Unternehmen nicht in den Kram passen und dieser Konzern gleichzeitig eine hohe Marktmacht besitzt – Unliebsames, Kritisches, vielleicht Kontroverses bleibt außen vor, und die Gefahr ist natürlich sehr groß, dass so eine Entdemokratisierung der Gesellschaft vorangetrieben wird. Und dies, ohne dass eine wirkliche Diskussion darüber stattfindet, sondern alles unter dem Radar der meisten Menschen, schleichend. Nicht nur ich muss hier an „1984“ denken, nehme ich mal an. „Der Schatten des Zensors [4]“ titelte die Hannoversche Allgemeine Zeitung letztes Jahr und betrachtet die Angelegenheit aus der Sicht der traditionellen Medien:

(…) Bedenklich ist, dass trotz der fabulösen Zahlen, die Apple erwirtschaftet, Marketing- und Medienprofis anscheinend bei den Geschäftspraktiken des Unternehmens ein Auge zudrücken. So jubelte etwa Axel-Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner [5] in einer US-Talkshow [6]: “Jeder Verleger sollte sich einmal am Tag hinsetzen, beten und Steve Jobs dafür danken, dass er mit diesem Gerät die Verlagsindustrie rettet.”

Dass Verleger und Redakteure den Chef eines Computerherstellers als Retter des Journalismus feiern, mag etwas über die Ratlosigkeit mancher in der Branche angesichts sinkender Abozahlen und schrumpfender Anzeigenmärkte sagen. Zumindest beweisen solch überschwängliche Lobeshymnen, dass Apple mittlerweile nahezu Narrenfreiheit zu genießen scheint.

Was im App Store angeboten wird, bestimmt Apple. Und dabei wird nicht etwa nur [7] die Funktion einer App beurteilt, sondern auch deren Inhalt. Wer meint, die Grenzen des engstirnigen Regelwerks austesten zu müssen, erlebt, wie schnell ein Programm gelöscht, gesperrt oder gar nicht erst zugelassen wird. Denn Apple, das romantisch verklärte Unternehmen, das in einer Garage gegründet wurde, mutiert zunehmend zu einem Zensor digitaler Angebote. (…)

Der Sender ZDF info befasste sich in der Sendung mit dem etwas reißerischen Titel „Großmacht Apple: Segen oder digitale Diktatur?“ mit genau diesem Verhalten Apples:

Vielleicht am umfassendsten analysiert Frank Schirrmacher in der FAZ die Problematik, die mit der wachsenden macht Apples für eine freie digitale Kultur einhergeht – „Apples Macht: Die Politik des iPad [8]“. So besteht die Gefahr, dass dadurch, dass immer mehr Menschen auf die von Konzernen bereitgestellten Plattformen wechseln und nur die dort zugelassenen Medienangebote konsumieren, die Bedeutung von alternativen Medien wie Blogs etc. zurückgeht und es so immer schwieriger werden könnte, Aufklärung und Hinterfragen zu einer größeren Aufmerksamkeit zu verhelfen.

(…) Der Preis dafür – und das ist das Zweite – könnte die Kultur digitaler Kommunikation völlig verändern. Warum hat der iPad keine Tastatur? Warum keine Entwicklertools? Warum setzt Jobs auf ein geschlossenes System? Es ist faszinierend zu sehen, wie Teile der digitalen Intelligenz auf diese Vorgaben reagieren. Es ist wie in der Geschichte, wo das Mädchen von den Stiefeltern ins sein Zimmer geführt wird und feststellt, dass es kein Licht gibt. Warum? Weil es, wenn es dunkel ist, schlafen soll.

Sollte der iPad evolutionär den Laptop ersetzen, heißt Apples Botschaft: Kommunikation ist minimalistisch, beschränkt sich auf Tweets und E-Mails, aber zielt nicht mehr auf Blogs. Warum? Weil das Netz der Zukunft womöglich viel weniger partizipativ ist, als man heute glaubt, wo die Wahrnehmung dadurch getrübt wird, dass man all die Benutzer nie kennenlernt, die im Netz nicht kommunizieren, aber seine Masse darstellen. Das Gerät, so lautet die erstaunlichste Metapher, sei „zynisch“; andere bemängeln, dass es keine Kreativität zulasse. Sehr klug und sehr wütend hat das Jörg Kantel formuliert: Für ihn sei das neue Gerät nichts anderes als eine Fernbedienung. Was tut eine Fernbedienung mit Kommunikation? Was sie mit dem Fernsehen tat, wissen wir. Vielleicht muss man es sich so vorstellen: Künftige Generationen erleben die Organisation ihrer Freundschaften und sozialen Netzwerke nicht mehr wie bisher über das immer noch haptische Eintippen von Worten, sondern wie ein Fernsehprogramm, durch das man sich mit einer Fernbedienung bequem durchzappt. (…)

(…) Zwingend, um den Wandel zu beschreiben, wäre es, dass die in Vodafonegoogleapple und sogar in Microsoft verliebte Teilwelt der deutschen Medien ihren Blick darauf richtet, dass Giganten entstehen, während sie immer noch von der Partizipation aller redet. Die Dimension der neuen Bewusstseinsindustrie ist noch kaum verstanden. Das liebedienerische Niveau, auf dem heute allenfalls Kritik geäußert wird, zeigte legendär der Technologiereporter Dirk Liedtke, der den Google-Gründer Sergey Brin mit folgender Frage in die Ecke trieb: „Ist aus dem David ein Goliath geworden?“, und nach einem völlig inhaltlosen Gespräch folgendes Resümee zog: „Nach dem Ende des Interviews verabschiedet sich Sergey Brin, ohne aufzustehen, und nach einem kurzen Geplänkel kleben seine Augen wieder an dem Display seines Notebook. Eine spannende Begegnung mit Brin, für ihn eher eine Pflichtübung.“ Bei solchem Journalismus, da muss man der Blogosphäre recht geben, ist der Widerspruch der vielen Einzelnen wichtiger denn je. (…)

EDIT: Es ist auch Kritik an den von mir zitierten Beiträgen sowie meinen Schlussfolgerungen laut geworden, die ich hier nicht verschweigen will – wer sich die (zumindest teilweise) Richtigstellung anschauen will, sollte sich den Beitrag „Apple zensiert das Internet? [9]“ im Zanjero-Blog durchlesen. Abgesehen von der unangebrachten Verallgemeinerung, dass Apples Erfolg „einzig“ mit den überzeugenden Produkten zu tun habe, wird dort einiges korrigiert, was ich (und die von mir zitierten Autoren) halbkorrekt oder falsch dargestellt haben.

Um das Ganze mit einer heiteren Note zu beenden – das US-Satiremagazin The Onion berichtete vor einiger Weile vom (fiktiven) neuen MacBook, ganz ohne Tastatur:

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