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Denken mit Powerpoint – die Formatierung der Gedanken

In ihrer Reihe „Aula – Wissen 2.0 – Wie das Internet die Bildung verändert“ brachte der Rundfunksender SWR vor einer Weile einen sehr interessanten Beitrag von Burkhard Spinnen zur Powerpointisierung des Alltags und des Präsentierens: „Denken mit Powerpoint – vom Niedergang der Vortragskultur [1]“. Ich habe das nicht nur an der Uni, wo Excel und Powerpoint quasi als Allheilmittel zur Gestaltung und Vorlesungsbestreitung eingesetzt werden, erlebt, sondern sehe es auch fast täglich bei meiner eigenen Arbeit: Microsofts Office-Programme, neben Powerpoint vor allem auch Word, haben viele PC-Benutzer in den Stand versetzt, selbst Dinge zu schreiben und zu drucken. Was an sich ja erst einmal eine gute Sache ist, da es die Möglichkeiten des einzelnen erweitert und ihn unabhängiger von sogenannten bzw. selbsternannten Experten macht. Leider sind diese Programme so limitiert und forcieren ein fades, wirres 08/15-Clipart-Design, dass sie gleichzeitig auch den Geschmack vieler Menschen perforiert zu haben scheinen – zumal nicht wenige Menschen durch die massive Ausbreitung dieser „Ästhetik“ kaum noch etwas anderes kennen und ein mal eben runtergetipptes Worddokument deshalb schon für ein druckfertiges Produkt halten. Das führt zu Bulletpointlisten statt klar ausformulierter Gedanken, Times New Roman und Arial oder, oho!, auch mal einem „pfiffigen“ Comic Sans als Höchstem der typografischen Gefühle – und dazu bei vielen Usern der Eindruck, dass ein schlichtes, klares, zeitloses Design zwanghaft durch bunte Kästen und überflüssiges Gedöns „aufgepeppt“ werden muss. Das tut jedem, der sich ein wenig mit Design auskennt, in den Augen weh. Aber abseits von der ästhetischen Verlotterung ist, wie gesagt, vor allem der Einfluss auf das Denken nicht von der Hand zu weisen – diese Programme fördern unsaubere und halbgare Gedankengänge… Den SWR-Beitrag könnt Ihr HIER [2] als pdf herunterladen und HIER [3] als mp3.

(…) Oder soll man Eddi, der ja noch jung genug ist, um etwas lernen zu können, vielmehr von Herzen wünschen, dass ihm einmal jemand die Augen öffne für den gefährlichen Blödsinn, an dem er und ein paar Hundert Millionen anderer Zeitgenossen jeden Tag teilnehmen und den sie mittlerweile zu einem allerdings bejammernswerten Standard unserer momentanen Kommunikationskultur gemacht haben? (…) (…) Erster Grund: Ein Programm formatiert das Denken und Reden. Im Jahr 2007 hat ein Fachmann geschätzt, dass jedes Jahr weltweit 35 Millionen Präsentationen mit vielen Milliarden von Einzelseiten erstellt werden. Womöglich hat sich diese Zahl bis heute vervielfacht; Powerpoint ist auf Millionen von Rechnern installiert. Das heißt, bevor heute jemand überhaupt dazu kommt, darüber nachzudenken, wie er anderen Leuten etwas mitteilen will, ist dieses Programm schon da, erklärt sich zuständig und diktiert seine Gesetze. (…) (…) Es liegt vielmehr darin, dass die Allgegenwart des Powerpointens nach und nach die Vorstellung getötet hat, es könnte zu dieser Präsentationsweise überhaupt noch Alternativen geben. Die Formatierung des Denkens und Redens erfolgt nicht durch geheime Features des Programms, sondern – und ungleich stärker – über die fraglose Ineinssetzung von Kommunikationsakt und Programmgebrauch. Bald herrscht die Gleichung: Ich will etwas sagen – also werde ich powerpointen. Genau darin aber liegt ein Gutteil der Katastrophe Powerpoint: dass dieses Programm eine technische Möglichkeit zum Standard, eine Variante zur Regel erhoben hat. Gegen den Aufbau und die Angebote des Programms ist vielleicht wenig einzuwenden, alles ist ja irgendwie nützlich oder kann es wenigstens sein. Aber jede der Abertausend Powerpoint-Präsentationen, die stündlich weltweit durchgeführt werden, ist ein Fall mehr, in dem jemand, statt einen kommunikativen Akt selbst zu gestalten, sich auf eine Maschine und ein Programm verlässt. (…) (…) Und schließlich mein dritter und wichtigster Grund: Powerpoint treibt den Menschen aus seinem Sprechen (…) Aber auch ganz unabhängig davon, wie selbstbestimmt und kreativ das Programm im Einzelfall genutzt wird und wie wertvoll seine Inhalte sein mögen – es ist doch jede, aber auch jede Powerpoint-Präsentation ganz auf die programmeigene Dramaturgie verpflichtet. Und in dieser Dramaturgie sehe ich vor allem die Austreibung des Menschen aus seinem Sprechen realisiert. Denn was passiert: Aus dem Redner wird der Kommentator einer digitalen Diaschau. Aus den Zuhörern werden Zuschauer; ihre Blickrichtung ist nicht mehr am Sprechenden, sondern an der Wand neben oder hinter ihm ausgerichtet. (…)

EDIT: Danke für den Hinweis – hier noch ein paar schöne Lesetipps zum Thema:

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