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Lesetipps: Nano-Haus | Gemeinschaftskonsum | Grüne Palme 2011 | C2C

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© benjipie, stock.xchng

Ich habe ehrlich gesagt eine Weile mit mir gerungen, ob ich die Verleihung der Grünen Palme 2011 hier im Blog erwähnen soll, wird sie doch vom Gruner+Jahr-Verlag verliehen, der bekanntlich zu Bertelsmann gehört. Da die Preisträger aber nichts mit Bertelsmann zu tun haben und eine sehr löbliche Sache nach vorne bringen, will ich es dann dennoch tun. Gewonnen hat die Grüne Palme in diesem Jahr nämlich Fabiano Prado Barretto, Fotograf aus Salvador da Bahia in Brasilien, wie die Lighthouse Foundation, die sich für den Schutz und Erhalt der Meere einsetzt, in „Lokaler Strand – globaler Müll [2]“ berichtet. „Local beach – global garbage [3]“ ist ein internationales Projekt, die dem Phänomen der Verschmutzung der Strände Südamerikas durch aus der ganzen Welt stammenden Müll auf den Grunde geht:

(…) Es ist ganz eindeutig, dass dieser Müll von den ausländischen Schiffen ins Wasser geworfen wird, wobei es sich dabei um Segelboote, Kreuzfahrtschiffe und Frachter handeln kann. Von der Meeresströmung wird er dann an Land gespült. Dass der Müll nicht direkt von Touristen an den Strand geworfen wurde, erklärt sich durch die Vielfalt der Produkte, sowie durch die Tatsache, dass auf den Etiketten kein brasilianischer Importeur vermerkt ist. Und es ist nahezu ausgeschlossen, dass Touristen, die nach Brasilien kommen, Glühbirnen, Milch, Insektizide usw. mitbringen. (…)

Laut den Bestimmungen der Marine gilt der Abladen von Müll ins Meer innerhalb eines Küstenstreifens von 200 Seemeilen, also in brasilianischen Gewässern, als eine Straftat, die mit einer Geldstrafe von bis zu € 25 Millionen geahndet wird. “Diese harte Strafe existiert zwar, aber es ist fast unmöglich, jemanden auf frischer Tat zu ertappen”, erklärt Fregattenkapitän und vorübergehender Kommandant der Administrationsbehörde der Häfen von Salvador, Sérgio Silveira. Um die 950 Kilometer lange Küste Bahias zu kontrollieren, hat die Marine gerade mal neun Schiffe und 50 Mann zur Verfügung. “Das Abladen von Müll im Meer ist an der Küste von Bahia etwas ganz Alltägliches”, sagt Greenpeace-Umweltschützerin Viviane Silva.

Der Müll kann außerdem zur Gefahr für die Meeresfauna werden. “Plastikverpackungen und Glas sind besonders für Schildkröten und Meeressäuger gefährlich”, erklärt der Biologe Gustavo Lopez, technischer Koordinator in Bahia für das Projekt Tamar, dessen Ziel die Rückzüchtung von Meeresschildkröten ist. Lopez erinnert an ein Video, das eine Schildkröte zeigt, die Schwierigkeiten hatte, zu laichen, ihre Kloake von einer Plastiktüte verstopft war. Denn diese, so Lopez, “werden häufig von den Tieren verschluckt, die sie mit Algen verwechseln.” (…)

Fabiano Prado Barretto hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Geschehen auch außerhalb Brasiliens bekannt zu machen. „Ich taufte mein Projekt ‚Lokaler Strand, Globaler Müll’. Und als Fotograf hat ich mich dazu entschlossen, dies durch Fotoausstellungen und Veröffentlichungen in der Presse zu erreichen.“ Diese waren inzwischen außer in Brasilien in den USA, Portugal, Deutschland zu sehen. (…)

Weniger Ressourcen zu verbrauchen und damit auch weniger Müll zu produzieren, und gleichzeitig bezahlbaren Wohnraum zu erschaffen – diese löblichen Absichten treiben auch die Ingenieure diverser Firmen um (neben dem schnöden Profit, versteht sich), die sich mit einer Art Mini-Haus beschäftigen. Die Zeit berichtet in „Das Nano-Haus von Tata, so teuer wie ein iPad [4]“ darüber, wie weit die Entwicklungen inzwischen gediehen sind:

Bislang ist es eine kleine Gemeinschaft, die sich den “Tiny Houses” verschrieben hat, aber die Anhängerschaft wächst Tag für Tag. Sie leben in Mini-Häusern, die wenig Platz, Strom und Arbeit brauchen. (…)

Vor allem in den USA hat sich eine kleine Bewegung entwickelt, die sich dem “downsizing”, also dem “Verkleinern”, verschrieben hat. Ein einfacheres, umweltbewussteres Leben führen und Geld sparen, das sind in der Regel die Beweggründe für´s Tiny House, so heißt es zumindest in ihrem Blog “The Tiny Life”. [5]

Für Aufregung sorgt in der Community nun die Ankündigung des indischen Tata Konzerns, ein Nano Haus anzubieten. Wie die Internetseite “Asian Correspondent” meldet, soll die Butze, von der es leider noch keine Fotos gibt, gerade einmal 700 US-Dollar kosten, das entspricht etwa dem Preis eines neuen Ipads. (…)

Noch ressourcenschonender und müllvermeidender ist sicherlich der sogenannte „Collaborative Consumption“, wie der Bio-Natur-Weblog in „Collaborative Consumption oder Gemeinschaftskonsum [6]“ näher ausführt:

Auch wenn sich Ausstellungen wie jene im niederösterreichischen Krems gezeigten “magischen Abfälle [7]” nur marginal als Problemlöser für den durch unsere tagtäglich gelebte Religion namens Konsumwahnsinn und die damit verbundenen Folgeschäden an Fauna, Flora und seelischem Gleichgewicht erweisen, schöpfen kreative Köpfe pausenlos neue Möglichkeiten aus dem schier unendlichen Zauberhut Gehirn, um den drohenden Kollaps wenn schon nicht abzuwenden, so zumindest zu verlangsamen. Und so macht seit einiger Zeit ein neuer Ansatz die Runde. “Col­la­bo­ra­tive Con­sump­tion“ lautet das nächste Allheilmittel für all unsere meist selbst verursachten Probleme. Und eben jener uneingeschränkte Konsum als Massenwahnsinn auf singulärer Ebene soll durch Gemeinschaftskonsum in neue Bahnen gelenkt werden.

Weg von der EinzelkämpferInnen-Mentalität “Kauf ich, brauch ich, brauch ich nicht mehr, werf ich weg” und hinüber ins bisher weitgehend unerforschte Lager altruistischer Mehrfach-Verwendung mit marktwirtschaftlicher Grundhaltung. So zumindest suggeriert es uns dieses neudeutsche Wortspiel “Col­la­bo­ra­tive Con­sump­tion“, welches aber bei näherer Betrachtung gar nicht so weltneu ist. (…)

Wegwerfen wäre die eine Möglichkeit, Ebay als Beispiel die andere. Doch mittlerweile hat sich dieser Gemeinschaftskonsum auch in anderen Bereichen unseres Alltags breitgemacht. Denken Sie an sogenannte Citybikes, welche von Menschen geliehen werden, um nach Gebrauch von anderen Menschen wieder benutzt zu werden. Fahrgemeinschaften wären rein theoretisch ein gutes Beispiel, wenn es denn funktionieren würde. Das unlängst auf meinem Blog vorgestellte Projekt über Obstallmende [8] dagegen ist ein wundersames Beispiel, wie sich Güter von Einzelnen, sei es nun Privatperson oder Kommune, in den Dienst der Allgemeinheit stellen lassen. Ebenfalls nicht unerwähnt lassen möchte ich dabei das auch schon von mir kurz angerissene Carrot Mobbing [9]. Secondhandläden, Umsonstgeschäfte oder das Couchsurfing, welches die Gastfreundschaft von Menschen zu Hilfe nimmt. Col­la­bo­ra­tive Con­sump­tion begegnet uns eigentlich schon an vielen Ecken und Enden, ohne dass wir dies bewusst wahrnehmen. Doch dieser Subkonsum kann weiterentwickelt werden. Wie oft im Leben brauchen wir etwa eine Bohrmaschine? Oder was machen wir mit unserem Stückchen Garten, wenn uns der grüne Daumen fehlt, die Nachbarsfamilie mit eben diesem Öko-Händchen gesegnet ist, dafür aber nicht über das entsprechende Fleckchen Erde verfügt? Genau, wir teilen! (…)

Sebastian Backhaus hat in „Tauschen, leihen und mieten 2.0 [10]“ eine ganze Reihe interessanter Webprojekte zu dem Thema zusammengestellt.

Interessant ist dazu auch der Vortrag von Rachel Botsman „The case for collaborative consumption“, der für alle, die Englisch verstehen, noch ein wenig Vertiefung in diese Materie bietet. Dass ich der Verringerung des Konsums durch Gemeinschaftsnutzung absolut positiv gegenüber stehe, dürfte jetzt niemanden großartig verwundern – nicht zuletzt auch, weil es unser auf permanentes Wachstum angelegtes System ad absurdum führt und einen weniger konsumorientierten Ansatz des Daseins bietet.

Wie die Faust aufs Auge passt dazu ebenfalls ein Artikel von Tobias Müller aus Der Freitag – in „Einmal im Kreis bitte [11]“ wird uns das Cradle-to-Cradle-Prinzip, das ich hier im Blog auch schon das eine oder andere Mal vorstellte, am praktischen Beispiel der niederländischen Gemeinde Limburg vorgeführt:

(…) Seitdem ist Gründerzeit in Venlo. Alles scheint Innovation zu atmen, kreislaufkompatibel, versteht sich. In den Bildungseinrichtungen der Region soll das Prinzip verankert werden. Ein Green Park entsteht, wo neben einem Bürokomplex nach C2C-Standards auch ein „InnovaTurm“ Betrieben Platz bietet, die sich dem Gedanken verschrieben haben. Roy Vercoulens Arbeitsplatz ist ab 2012 dort. Vorher aber eröffnet er noch ein C2C-ExpoLab mit einer „Produktbibliothek“, in der sich Interessierte informieren können. Vercoulens Büro ist dabei selbst Vorbild. Die Tische und Stühle sind nach dem Disassembly-Prinzip gefertigt, was bedeutet, das sie einfach demontiert und die Teile weiter verwertet werden können. Die Bilderrahmen an den Wänden sind aus schlichtem, hellen Holz. In einem früheren Stadium waren sie Möbelstücke.

Dass C2C vor allem ein Hype ist, eine Imagekampagne, um eine periphere Re­gion im Standortwettbewerb besser zu ­platzieren, bestreitet Roy Vercoulen. „Dies ist ein Qualitätskonzept“, betont er. „Wir wenden C2C nur an, wenn es ein positives Resultat hat.“ Kritiker hingegen bezweifeln, dass das Modell eine große Reichweite hat. Und sie bezweifeln, dass sich die Kreisläufe vollständig schließen ließen, weil immer nur einzelne Teile eines Produkts weiter verwertbar seien und dadurch entgegen der Philosophie Restprodukte zurückblieben. Auch die Frage nach den benötigten Energiereserven kommt immer wieder auf – zudem der Einwand, dass diese Wirtschaftsweise eine drastische Änderung menschlicher Gewohnheiten eben doch unerlässlich mache. (…)

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