Apr
26
2009
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Die Macht der Mediaagenturen

Das 3Sat-Medienmagazin ZAPP (eine der erfreulich kritischenen Ausnahmen im Fernseheinerlei) brachte kürzlich einen sehr erhellenden und ein erschreckendes Schlaglicht auf unsere ach so freien Medien werfenden Beitrag – „Mediaagenturen in der Grauzone“ [via Nokturnal Times]. Hier ein Auszug aus dem Text der Sendung, der natürlich auch zu meiner Serie „Werbung schadet“, Teil 2 und 2b, bestens passt:

Es gibt einfach kein Entkommen. Jeden Tag, immer und überall. Tausende von Werbe-Botschaften. Im Fernsehen. Zeitschriften. Internet. Doch woher wissen die Hersteller eigentlich, wo und wie sie uns am besten erreichen? Mediaagenturen kennen die Antwort. Oder sollten es zumindest. Sie beraten die Unternehmen, verteilen deren Werbemilliarden. Doch immer mehr fließen dabei auch in die eigene Tasche. Sebastian Bellwinkel über ein gigantisches Geschäft in der Grauzone.

Sie heißen GroupM, Omnicom Media Group, oder Zenithmedia. Und sie bewegen geschätzte 20 Milliarden Euro – Pro Jahr – ein Riesengeschäft. Mediaagenturen, wie Carat in Hamburg, sind die stillen Lenker im Geschäft zwischen werbungstreibender Wirtschaft und den Medien. Sie entscheiden, wo eine Anzeige erscheint und wann ein Werbespot läuft. Peter Petermann, Geschäftsführer CARAT Hamburg: „Eine Mediaagentur hat die Aufgabe, die kreativen Inhalte, den Spot oder eine Anzeige, die eine Kreativagentur gestaltet, bei dem Fernsehsender oder in dem Verlag zu platzieren. Und natürlich dafür zu sorgen, dass das Budget, dass der werbetreibende Kunde zur Verfügung stellt, möglichst effizient einzusetzen.“

Mediaagenturen als Berater
Eigentlich sollen die Mediaagenturen ihre Kunden beraten. Dann kaufen sie z.B. bei den Vermarktern der TV-Sender Werbezeiten ein. Für diese Leistung werden die Mediaagenturen von den Werbekunden bezahlt – Eigentlich. Sonja Feldmeier, Medienjournalistin „w&v“: „Die Kunden haben darauf vertraut, dass die Mediaagenturen treuhänderisch für sie tätig sind. Allerdings hat sich das dann im Laufe der Zeit abgeschliffen, die Mediaagenturen gerieten sehr stark unter Kostendruck. Die Kunden, ihre eigenen Kunden haben die Honorare gekürzt, Druck darauf ausgeübt, und die Mediaagenturen mussten sich neue Wege zur Refinanzierung suchen.“ Auszeichnungen und Pokale für die beste Strategie reichten nicht mehr aus. Nur Mittler zu sein im großen Werbegeschäft, das brachte auf einmal zu wenig Geld. Sonja Feldmeier hat die Werbebranche seit 20 Jahren im Blick. Und sie beobachtet, wie die Agenturen immer einflussreicher werden. Vom treuhänderischen Berater zum mächtigen Händler. Sonja Feldmeier, Medienjournalistin „w&v“: „Die Mediaagenturen selber definieren sich heute als eigenständige Wirtschaftsstufe. Das heißt, dass sie mit dem Gut, das sie eigentlich neutral und objektiv empfehlen sollten, auch Handel treiben.“
(…)
Redaktionelle Einflussnahme
Und nicht nur wirtschaftlich droht ein Ausverkauf. Jens Uwe Steffens, Geschäftsführer pilot media: „Die Agentur bündelt als Großhändler natürlich wahnsinnig viele Kundenvolumina, ist dadurch natürlich viel mächtiger als ein einzelner Kunde. Kommt dieser in Schwierigkeiten rein und bittet seine Agentur um Mithilfe, weil eine kritische Berichterstattung zum Beispiel droht, ist da ein sehr großes Machtpotential gegenüber den Medien, dieses auch einzuschränken.“ Redaktionelle Einflussnahme. Auch solche Fälle kennt Sonja Feldmeier. Doch Namen möchte sie lieber nicht nennen. Sonja Feldmeier, Medienjournalistin „w&v“: „Je gesünder ein Medium ist, egal ob Verlag oder Sender, desto stärker können die auch bewussten Einflussnahmen widerstehen. In den jetzigen Zeiten dürfte es schwierig werden für den ein oder anderen.“ Und das nutzen die Mediaagenturen aus. Immer mehr Verlage und Sender knicken ein und akzeptieren Verträge, die sie eigentlich anprangern müssten. Uli Bellieno, ehemaliger Vermarktungschef von RTL: „Also ein sehr riskantes Spiel, was hier gespielt wird und was auch ein bisschen Endzeitstimmung zeigt, wenn man sich auf so ein Spiel einlässt.“

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Feb
28
2009
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Medienmanipulation durch Werbeentzug (Werbung schadet, Teil 2b)

Vor einiger Zeit hatte ich in meiner kleinen Serie Werbung schadet (die bald weiter fortgesetzt wird, versprochen) über die negativen Auswirkungen der Reklameabhängigkeit unserer vermeintlich so freien Medien geschrieben. So führt die Tatsache, dass die Budgets der meisten Sender, Zeitschriften etc. von den Werbeeinnahmen abhängen, logischer Weise zu einer verringerten Kritikfähigkeit gegenüber den Firmen, die „ihre“ Zeitschriften so großzügig mit Anzeigenaufträgen bedenken. Das, was dem werbefreien Greenpeace Magazin regelmäßig z.B. in seinem Lügendetektor gelingt, nämlich Reklamekampagnen der großen Konzerne kritisch zu hinterfragen und die dahinter liegenden Tatsachenverdrehungen und Lügen offenzulegen oder zu persiflieren, würde man sich im Prinzip generell von allen Medien wünschen – und könnte man in einer wirklich freien, demokratischen Medienlandschaft auch erwarten. Die traurige Realität sieht jedoch leider anders aus – Umweltverschmutzer wie Vattenfall schalten ganzseitige Imagekampagnen, in denen sie das Blaue vom Himmel herunterlügen, und den Redaktionen der Zeitungen oder Sender ist es in der Regel nicht der Mühe wert bzw. trauen sie sich nicht, diese Desinformationen beispielsweise in der nächsten Ausgabe klipp und klar richtig zu stellen. So muss man sich über die „Qualität“ der kommerziellen Medien auch nicht weiter wundern.

Zu dieser Problematik brachte die 3sat-Sendung Zapp! vor einiger Zeit einen sehenswerten Beitrag, der einem vor Augen führt, wie weit der vorauseilende Gehorsam mancher Redaktionen im Hinblick auf die Interessen der Werbekundschaft inzwischen geht. „Selbstzensur“ heißt das Zauberwort. [via]

>> Teil 1: Werbung schadet (1): Die Versaubeutelung der Sprache
>> Teil 2: Werbung schadet (2): Die untrennbare Vermischung von Reklame und Redaktionellem
>> Teil 3: Werbung schadet (3): Ressourcenverschwendung
>> Teil 4: Die Verschandelung des öffentlichen Raums und die Durchkommerzialisierung des Alltags

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11
2008
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Lidl muss Strafe zahlen

Immerhin ein Anfang: der Discounter Lidl muss für die Bespitzelungen seiner Mitarbeiter jetzt 1.5 Mio. € Strafe zahlen – damit ist das dubiose Gebaren dieser Firma zumindest mal offiziell verurteilt worden. Wenngleich diese Summe von Lidl sicher aus der Portokasse bezahlt wird und all die anderen negativen Auswirkungen des Discounter-/Billigwahns (siehe z.B. HIER oder HIER) ungeahndet bleiben. Das Verarmungssystem Discounter bleibt also leider aktueller denn je, allen erfreulichen Entwicklungen in Bezug auf „nachhaltigen Konsum“ zum Trotz… Bioprodukte bei Aldi oder Lidl zu kaufen ist, so meine ich, in letzter Konsequenz einfach nicht nachhaltig, wenn man bedenkt, welche Firmenphilosophie und -politik man damit stützt und erfolgreich macht.

Übrigens will Lidl jetzt zum ersten Mal in der Firmengeschichte auch Fernsehwerbung (natürlich bei den Privatsendern) schalten, um ihr Image aufzupolieren. Das Geld sollten sie mal lieber in die Humanisierung ihres Geschäftsmodells stecken!

Sehr schön und informativ ist auch der Beitrag von ZAPP – “Peinlich: Imagekampagne von Lidl” (und Bild):

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