Mrz
14
2009
4

Die HSH Nordbank – der Norden am Abgrund?

Die „Finanzkrise“ droht gerade hier in Norddeutschland für einige Schieflagen in den Landeshaushalten zu sorgen, nachdem die HSH Nordbank in unverantwortlicher Weise am weltweiten Finanzroulette mitgespielt und Milliardenverluste angehäuft hat. Die Konsequenzen werden die Menschen hier oben irgendwann zu spüren bekommen, da den Regierungen nun das Geld für wirklich sinnvolle und wichtige Dinge fehlt, wie Schulen, Infrastruktur etc. In dieser Woche gab es zwei sehr gute Beiträge im Fernsehen, die die Hintergründe kritisch durchleuchten. Zum einen in der NDR-Sendung Markt: „Keine Kontrolle – das Versagen der HSH-Aufsichtsräte“ – die verantwortlichen Politiker machen es sich hier sehr leicht, will mir scheinen, und natürlich konnte wieder niemand was ahnen und niemand was machen, jaja:

Die HSH-Nordbank im Schuldenloch: 13 Milliarden Euro mussten Hamburg und Schleswig-Holstein locker machen, um eine Pleite zu verhindern. Warum hat das Kontrollgremium Aufsichtsrat nicht eingegriffen?

Der zweite Beitrag lief tags darauf im ZDF bei Frontal 21: „Geschäfte der Nordbank – Tricksen und Täuschen

Nach der Entscheidung für milliardenschwere öffentliche Finanzhilfen an die HSH Nordbank warnen Politiker und Experten vor den Folgen für die Menschen in Hamburg und Schleswig-Holstein.

(Sollten die YouTube-Videos zu sehr ruckeln, empfehle ich die oben verlinkten Originalbeiträge auf den jeweiligen Websites anzuschauen.)

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Feb
21
2009
3

Die „Finanzkrise“ anschaulich erklärt

Auch wenn die aktuelle Krise mehr ist als nur eine „Finanzkrise“ und es meines Erachtens zu kurz greift, die Ursachen nur in faulen Immobilienkrediten und niedrigen Zentralbankzinsen zu suchen (siehe auch hier), so ist es doch erfrischend, diese uns in den Medien permanent begegnenden Umstände einmal plastisch erklärt zu bekommen. Jonathan Jarvis aus Kalifornien gelingt mit „The Crisis of Credit Visualized“ das Kunststück, die diffizile Materie in einem knapp 11 minütigen Animationsfilm zu illustrieren. Ich finde es sehr erfreulich, dass in der letzten Zeit vermehrt solche Art von Filmen entstehen, die auch die „Youtube-Generation“ erreichen dürften (im Falle von The Story of Stuff vielleicht sogar Menschen, die sich sonst gar nicht für politisch-gesellschaftliche Dinge interessieren), selbst wenn bei derart kompakten, komprimierten Werken immer die latente Gefahr besteht, zu sehr zu vereinfachen.


The Crisis of Credit Visualized from Jonathan Jarvis on Vimeo.

[via better and green / Spreeblick]

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Feb
18
2009
5

Die „Finanzkrise“ – nun also doch eine Systemkrise?

Tja, nun ist aus dem, was Politik und Medien uns letztes Jahr noch als reine „Finanzkrise“ verkauft haben, inzwischen dann doch eine ausgewachsene Wirtschafts-, wenn nicht gar Weltwirtschaftskrise geworden. Fast täglich hört man in den Nachrichten von Firmen, die die schlechte Auftragslage durch Kurzarbeit ihrer Mitarbeiter abzufedern versuchen, oder die wie im Falle der deutschen Renommiermarken Märklin oder Schiesser gleich ganz Konkurs anmelden. Und dennoch habe zumindest ich immer noch den Eindruck, das eigentlich alles bei uns seinen gewohnten Gang geht. In meinem Umfeld ist niemand direkt betroffen, die Regale sind voll, die Straßen ebenfalls, das Einzige, was ich von der Krise gehört habe, waren zwei Äußerungen von zwei Bekannten – der eine war unlängst in Kalifornien, wo man die Angst der Menschen wohl selbst als Außenstehender richtig spüren soll, der andere in der Türkei, wo die Wirtschaft massiv zu schwächeln beginnt. Und in Deutschland? Da hat „unsere“ Regierung ja scheinbar alles im Griff, so viel Aktionismus, wie sie verbreitet, und wenn man sieht, wie sehr sie um die Autoindustrie und die Banken bemüht ist.

Bennett editorial cartoon

© Chattanooga Times Free Press / Bennett

Und man hört sogar schon die ersten Optimisten (wie unseren Neuwirtschaftsminister von und zu Guttenberg), dass im Frühjahr, spätestens im Herbst (2009!) der Abschwung wieder vorbei sein solle und es danach mit dem „Aufschwung“ (den es de facto ja nie gab; jedenfalls kam er bei den meisten Menschen nicht wirklich an) weiter gehen wird, wie wir es gewohnt sind – also alles halb so schlimm? Ich glaube nicht. Tatsächlich fand sich in den vergangenen Wochen eine Vielzahl von kritischen Stimmen und Analysen sowohl im Internet wie auch erstaunlicherweise in der bislang eher zurückhaltenden Mainstreampresse.

Vor gut zwei Wochen forderte Die Zeit in „Jetzt mal ehrlich“ (bezeichnenderweise unter der Rubrik „Ratlosigkeit“!) zu einer schonungsloseren Sicht auf die Lage auf und sprach sich für ein Ende des Schönredens und Verdrängens aus, das die Politik im großen Stil betreibt.

Am 8. Oktober 2008 war die Krise noch jung, man möchte fast sagen: unschuldig. An jenem Mittwochabend luden die Bundeskanzlerin und ihr Finanzminister die Chefs der wichtigsten Zeitungen ins Kanzleramt, um ihnen eine Botschaft zu übermitteln. Die lautete: Wir wissen zwar nicht genau, was in zwei oder drei Wochen ist, aber würden doch sehr herzlich um Ihr Vertrauen bitten und vor allem darum, dass Sie keine schlechte Stimmung machen, denn dazu ist die Lage zu ernst.

Die beiden trugen ihr Ansinnen auf beinahe schüchterne Weise vor, wahrscheinlich wussten sie, wie brüchig ihr Konzept war: den Banken einen Schirm aufspannen, ein kleines Konjunkturprogramm auflegen und den Menschen keine Angst machen, auf dass sie schön einkaufen gehen. Funktioniert hat immerhin das Letzte: Die Deutschen blieben cool und kauften zu Weihnachten wie üblich viel mehr, als sie brauchten. Ob das nun an den Zeitungen lag, sei dahingestellt, doch konnte man damals an die patriarchalische Vision glauben, dass die Eliten dem Volk nicht alles sagen – um es, mit Scheuklappen versehen, rasch durch die Krise zu führen.

901054_haus-restaurantUnd die folgenden, sehr spannenden Absätze, sind überschrieben mit:

1. Die Krise ist ohne Beispiel
2. Das Ende ist noch lange nicht in Sicht
3. Die Krise entwickelt sich schneller, als die Politik reagieren kann
4. Die erste Ursache ist nicht die ganze Lösung
5. Denen, die sich besonders sicher sind, kann man am wenigsten trauen
6. Die Krise wird immer größer, die Politik wird immer kleiner
7. Die Politik hat dem Volk nichts zu sagen
8. Die Krise erzeugt neue Krisen

Auch wenn dieser Artikel vielleicht ein wenig zu sehr (durchaus berechtigtes) Politiker-Bashing betreibt, so ist es doch bemerkenswert, wie weit die Autoren damit von der von der Regierung erbetenen Linie abzuweichen beginnen. als-ob-leben? kommentiert diesen Text in „Krisennews Spezial – Erster Klartext im Mainstream“:

das ganze lässt sich natürlich auch als versuch betrachten, mittels “neuer” aufrichtigkeit so etwas wie vertrauen in der herde zu erzeugen – ich verstehe den artikel jedoch persönlich v.a. als zeichen dafür, spätestens jetzt die sicherheitsgurte anzulegen und den helm aufzusetzen – die finale crashfahrt hat begonnen.

Ich kann Euch die Beitragsserie „krisennews und -gedanken“ dieses Blogs generell nur empfehlen, denn der Autor vermittelt darin ein vielfacettiges Bild von den derzeit um uns herum brodelnden Krisenherden, von denen wir aus der Tagesschau nur mal so am Rande, schlaglichtartig erfahren. In der letzten Folge (23) vom Sonntag, ging es beispielsweise u.a. um die Proteste in Italien und Frankreich. Eher grundlegender Natur ist „Es gibt Systemkrise, Baby“, in dem der Bogen von den reinen, direkt zu beobachtenden Symptomen, hin zu einer grundlegenden In-Frage-Stellung des Wirtschaftssystems, das diese Zustände hervorgerufen hat, geschlagen wird.

so bin (nicht nur) ich bekanntlich zb. der meinung, dass selbst dann, wenn die derzeit praktizierte ökonomie aktuell auf welchen wegen auch immer nochmals unter enormen aufwand in eine richtung des wachstums gezwungen werden sollte, die nächsten strukturellen krisen unmittelbar eintreten würden – und als erstes würde peak oil bzw. die folgen des peaks dafür sorgen, dass ein sog. aufschwung sehr sehr schnell wieder aufgrund rasant steigender energiepreise zum rohrkrepierer wird. aber das ist nur ein punkt, den ich v.a. deswegen immer wieder erwähne, weil er mir ansonsten überall zu kurz kommt. mittlerweile kommt die diagnose einer ausgewachsenen systemkrise jedoch aus immer mehr ecken, und es werden weitere – reale und halluzinierte – gründe genannt, mit denen sich eine nähere beschäftigung lohnt.

economist_cover_oh_fuck_september_3Ein weiteres Beispiel für eine eher konservative Zeitung, die sich nun plötzlich mit der Realität auseinanderzusetzen beginnt (zaghaft) ist die Financial Times Deutschland. In seiner Kolumne „Zeit für eine Bad-Ideas-Bank“ schreibt Thomas Fricke für einen Wirtschaftsjournalisten doch sehr Erstaunliches:

Das globale wirtschaftliche Desaster stürzt die Wirtschaftswissenschaft in eine Legitimationskrise – was das Gros der Betroffenen noch nicht merkt. Die Branche braucht eine ganz neue Generation von Ökonomen.

(…) “Wir sind eine Wissenschaft, die arrogant auftritt, aber gar keinen Grund hat, arrogant zu sein”, urteilte kürzlich Harvard-Ökonom Dani Rodrik. “In der Finanzkrise ist der Anspruch der Ökonomen erloschen, eine Wissenschaft zu sein”, polterte Moisés Naím*, Chef der Zeitschrift “Foreign Policy”, beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Umfragen in der Bevölkerung ergeben derzeit Ähnliches. “Die meisten von uns sind ziemlich ratlos”, räumt Friedrich Schneider, Chef der Vereinigung deutschsprachiger Ökonomen, ein: “Wir sind in der Krise.”

Das Problem liegt weniger darin, dass keiner die Lehman-Pleite vorhergesagt hat (sonst hätte es sie wahrscheinlich nicht gegeben). Die aktuelle Finanzkrise reißt ganze Glaubenssätze mit: dass Märkte am besten funktionieren und eigene Fehler glimpflich korrigieren. “Diese Annahme ist gescheitert”, sagt Nobelpreisträger Edmund Phelps. “Der Marktfundamentalismus war ein Fehler”, so Ken Rosen von der University of California – ein Standardsatz, dem in Davos 2009 niemand mehr widersprach.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch ein Feature des ARD-Wirtschaftsmagazins PlusminusKrisenbekämpfung – Wachsende Schuldenberge“ – nicht, weil dort die beiden „Experten“ Prof. Max Otte und Dr. Marc Faber auf die (amerikanische) Notenbankpolitik der letzten Jahre schimpfen, sondern wegen der Implikationen, die man aus diesen Zeilen ablesen kann:

Vor allem Alan Greenspan, der einst so verehrte Chef der US-Notenbank, hat während seiner Amtszeit jede Rezession mit sehr viel billigem Geld bekämpft, das er durch Zinssenkungen in den Markt pumpte. Dass Politik und Notenbanken den aktuellen Crash mit eben diesem Mittel bekämpfen, hält er in der gegenwärtigen Situation zwar für alternativlos, langfristig aber für verheerend: „So wie Politik und Notenbanken auf die Krise reagieren, ist es sehr wahrscheinlich, dass wir uns die nächste Blase schon wieder aufbauen, und die wird genauso groß, wenn nicht sogar noch größer als die gegenwärtige“, so der Wirtschaftswissenschaftler.

Eine sehr gute und wie ich finde zutreffende und fundierte Analyse der Gründe, die zu dieser Krise geführt haben, liefert Lothar Galow-Bergemann in der Zeitschrift krisis – „Krisengeflüster – wahre und falsche Ursachen der Finanzkrise“. Es lohnt sich, diesen etwas längeren Vortrag in Gänze durchzulesen, denn er stellt die ganze Problematik gut auf eine breitere Basis als das bloße Finanzsystem und räumt auch mit einigen vereinfachenden, ablenkenden Erklärungsversuchen („alles nur Schuld der dummen amerikanischen Häuslebauer“, „diese gierigen Banker!“ usw.) auf.

Wenn es nur eine Krise wäre, die diese globalisierte Wirtschaftsordnung der Menschheit beschert, so könnte man fast noch von Glück reden. Aber es sind derer mindestens gleich fünf: – die Hunger- und Ernährungskrise – die Energiekrise – die Umwelt- und Klimakrise – die staatliche Zerfallskrise in großen Teilen der Welt – und die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise. Alle diese Krisen sind miteinander verwoben und bilden gemeinsam eine Art globaler Hyperkrise, die – und das ist leider nicht übertrieben – möglicherweise dazu führen wird, dass sich die Menschheit selber vernichtet und einen Großteil der Natur gleich mit. Nur wer mit ideologischen Scheuklappen à la Guido Westerwelle oder Friedrich Merz herumläuft, kann davor noch die Augen verschließen.

(…) Der erste Strickfehler (der kapitalistischen Wirtschaft): Sie funktioniert nur, wenn sie ewig wachsen kann. Jedes Kind weiß zwar, dass so etwas auf Dauer schief gehen muss. Aber trotzdem ist das ewige Wirtschaftswachstum die heilige Kuh dieser Gesellschaft. Kommt das Wachstum ins Stottern, geht es gar zurück, jammern Unternehmerverbände, Gewerkschaften, Kommunalpolitiker und Zeitungskommentatoren unisono, denn dann geht es unweigerlich an die Profite, an die Arbeitsplätze, an die Steuereinnahmen, kurz an die Grundlagen von Wirtschaft und Staat.

(…) Denn – und das ist gewissermaßen das „Sahnehäubchen“ auf der globalen Hyperkrise: Personalisierte und regressive ideologische Krisenverarbeitung in den Köpfen fördert das Umsichgreifen des Ressentiments und die Gefahr, dass extrem menschenfeindliche und reaktionäre Bewegungen entstehen, die sich zusammenphantasieren, die Krise könne mittels der Vernichtung der von ihnen ausgemachten Bösewichte überwunden werden. Dieser Wahn verschärft dann das Krisenpotential noch einmal deutlich und die Lage wird noch explosiver.

Abschließend noch zwei passende Sichtweisen zus der Blogwelt – zum einen von Feynsinn, der die „Psychologie des Neoliberalismus“ sehr treffend analysiert und klar macht, dass eine der Krisenursachen eben auch in dieser Ideologie zu suchen ist.

Die letzte Schlacht einer realitätsblinden Strategie ist ebenso konsequent wie tragisch. Diese war von vornherein darauf angelegt, sich gegen jede Kritik abzuschotten und jedes Opfer hinzunehmen. Der Neoliberalismus kann sich nicht anders denken als alternativlos. Die Verhöhnung und Beschuldigung der Verlierer, das Zusammenrücken derer, die sich als “Elite” betrachten, das Hinnehmen jeder schreienden Ungerechtigkeit auf dem Weg in den Abgrund waren Programm.

Auch Claudia Klinger befasste sich in ihrem Blog digital diary mit der Krise: „Finanzkrise ungelöst: Das KOAN des Kapitalismus“ – ihr schönes Zitat soll diesen Beitrag beschließen:

Das ungelöste Finanzproblem erscheint mir zunehmend als ein KOAN des Kapitalismus, da es system-immanent unlösbar erscheint. “Ein Koan ist ein Zen-Rätsel, dessen Lösung zur unmittelbaren Erfahrung der Erleuchtung führt, weil die Grenzen des logischen Denkens durchbrochen werden müssen. Diese Zen-Technik ist bereits Jahrhunderte lang erprobt und bewährt, erfordert jedoch absolutes Loslassenkönnen von herkömmlichen Denkstrukturen, was meist nur unter großem psychischen Einsatz gelingt.”

Nachtrag: den Artikel von Friedrich Krotz „Die Wurzeln der Krise: Der Kapitalismus ruiniert sich selbst“, der am 18.2. in der taz erschien, kann ich auch nur zur Lektüre empfehlen!

Was also ist die Krise? Das Bankensystem hat sich selbst ruiniert, aber nicht weil es die Regeln des Kapitalismus verletzt hat, sondern weil es sie konsequent befolgt hat: Ziel war und ist nichts als Gewinn, soziale Verantwortung oder Ethik hin oder her. Ebenso wie der Staatssozialismus an sich selbst erstickt ist, haben sich die Banken damit in einem Meer von Geld selbst ertränkt und sich gegenseitig in die Pleite getrieben.

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Feb
16
2009
2

Weise Worte (5)

„Wir können uns eine Zukunft, die aussieht wie die Vergangenheit, nicht leisten.“
US-Pulitzer-Preisträger Thomas L. Friedman zur aktuellen „Finanzkrise“

[via]

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Feb
15
2009
3

Wem gehört Deutschland?

Im Jahre 2002 sendete die ARD-Sendung Panorama diesen Bericht zur Frage: „Wem gehört Deutschland?“, der verdeutlicht, wer zu den Profiteuren der steigenden Staatsverschuldung gehört, nämlich die großen Bankinstitute. An Aktualität hat dieser Beitrag (leider) seitdem nichts verloren – im Gegenteil: man darf sogar konstatieren, dass er vor dem Hintergrund der Rettungsbillionen, die in das marode Finanzsystem gepumpt werden, eher noch an Brisanz gewinnt. [via]

Die Banken, bei denen sich der Staat (und damit wir alle) so verschuldet hat, bekommen nun in der „Finanzkrise” Geld vom Staat, das dieser sich wiederum von den Banken leihen muss. Absurd… aber natürlich sehr einträglich für die Banken! Wie stellte Henry Ford bereits um 1920 so treffend fest:

„Es ist gut, dass die Bürger der Nation unser Banken- und Geldsystem nicht verstehen, denn wenn sie es würden, glaube ich, gäbe es eine Revolution vor morgen früh.“

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Feb
02
2009
2

Giftige Papiere und Konsumgesellschaft

Neulich gab es in meiner Lieblingssendung quer (immer wieder erstaunlich, dass so etwas im Bayerischen Fernsehen läuft) wieder einmal ein kleines, feines Highlight zu bewundern – der Sozialpsychologe Prof. Harald Welzer war zu Gast und unterhielt sich mit Moderator Christoph Süß über die Finanzkrise, über die Folgen, aber auch die Gründe sowie unsere „Kultur des Konsums und der Verschwendung“ und das alles verschlingende Wirtschaftswachstumspostulat, die er (wie ich denke: vollkommen richtiger Weise) als grundlegendes systemisches Problem begreift. Absolut sehenswert!

Banken vor neuen Milliardenlöchern: Was sagt ein Experte zur Finanzkrise?

Deutschlands Geldinstitute horten noch Unmengen von faulen Wertpapieren, die längst nicht abgeschrieben sind. Wenn diese Giftpapiere platzen, dann droht der nächste Bankencrash.

bild-3(Auf das Bild klicken, um den Film zu starten)

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Jan
31
2009
3

Na bitte!

484010_business_man_modifiedÜberall wird gemosert und gemeckert, dass die Banken und Banker so undankbar seien und die Zigmilliarden von Staatsgeldern die sie zur Aufrechterhaltung ihres Roulettes benötigen, einfach so nähmen, ohne mit der Wimper zu zucken. Tatsächlich wissen die Banken sehr wohl, bei wem sie sich für diesen Geldsegen zu bedanken haben – nein, natürlich nicht bei den Bürgern des Landes, die diese Gelder aus Steuern aufbringen müssen, sondern bei den Parteien, die diese Beschlüsse in seltener Einmütigkeit gefasst haben. Dieser Artikel auf n-tv, „Großspenden der Großbanken – ‘Peanuts’ für die Union“ verschlägt einem fast die Sprache – die drei besonders finanzwirtschaftsfreundlichen Parteien CDU/CSU, FDP und SPD erhalten von diversen Großbanken, Parteispenden in der Höhe vieler Hunderttausender von Euro. Darf man in diesem Zusammenhang den Begriff „Korruption“ in den Mund nehmen? Es macht zumindest keinen sehr koscheren Eindruck. Warum viele Bürger & Wähler diesem Treiben tatenlos zusehen und diesen Parteien in der Krise trotzdem Kompetenz oder Glaubwürdigkeit zugestehen, wird mir für immer ein Rätsel bleiben.

Trotz Finanzkrise haben die deutschen Parteien im vergangenen Jahr die meisten Großspenden aus der Bankenbranche erhalten. Dies geht aus den gesetzlich vorgeschriebenen Angaben der Parteien an den Bundestag hervor, die nun erstmals für das gesamte Jahr vorliegen.
Allein die Deutsche Bank überwies im letzten Quartal insgesamt 500.000 Euro an CDU, SPD und FDP: Jeweils 200.000 Euro gingen an die CDU und die FDP, 100.000 Euro gingen an die SPD. Zu den Förderern gehörten auch die Commerzbank, der Finanz- und Versicherungskonzern Allianz sowie die Privatbanken Sal. Oppenheim und Berenberg.

(Siehe dazu auch den aktuellen Beitrag bei als-ob-leben?)

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Jan
26
2009
1

„Konkurs im Kindergarten“ – die neoliberale Finanzkrise trifft jetzt auch die Kleinen

Na Mensch, im Fernsehen gibt es ja jetzt doch ab und an interessante Berichte – so beispielsweise im ZDF-Auslandsjournal von letzter Woche, in dem es um die Pleite des größten Betreibers von Kindergärten in Australien geht. Richtig: getreu dem neoliberalen Credo, dass alles, was einst Staats- = Bürgereigentum war, privatisiert werden müsse, um es vermeintlich viel effizienter betreiben zu können, sind 2/3 der Kindergärten in Downunder in den Händen einiger Unternehmen (1/3 ist genossenschaftlich/nachbarschaftlich organisiert). Und nun, in Zeiten der „Finanzkrise“, hat es also einen der Kindergartenbetreiber erwischt, der Konkurs anmelden muss, so dass viele Kinder plötzlich ihren Kita-Platz los sind. Vielleicht hilft solch ein Ereignis wenigstens dabei, dass mehr Menschen aus dem wolkigen Privatisierungs- & Kommerzialisierungstraum aufwachen… (Man muss dabei natürlich sehen, dass dies immer noch eine Art „Luxusproblem“ ist – insbesondere bei den im Film gezeigten Familien –, wenn man es mit den Problemen vergleicht, die sich anderswo in der Welt auf Grund der Finanzkrise auftürmen (Island, Guatemala, Lettland, Ukraine, Spanien, Bulgarien…).)

Die Finanzkrise hat ein neues Opfer: Australische Kinder. Banken machten die Kindertagesstättenkette ABC Learning Centres zum börsennotierten Milliardenkonzern. Mit der weltweiten Kreditkrise ist die Blase geplatzt, und das Unternehmen steht vor der Pleite. Tausende Kinder stehen heute ohne Betreuung da.

bild-2(zum Abspielen bitte aufs Bild klicken)

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Jan
01
2009
5

Beyond the Bailout: Agenda für eine neue Wirtschaft

[Dies ist meine Übersetzung des Artikels Beyond the bailout – Agenda for a New Economy” von David Korten, der im November 2008 im US-amerikanischen YES! Magazine als Teil ihres Winter-Specials „Sustainable Happiness“ erschien. Noch mehr Infos über eine nachhaltigere Wirtschaftsordnung findet man u.a im Artikel „Path to a New Economy – The YES! take on an economy that serves people and communities”. Ach ja, und ein frohes neues Jahr allerseits!]

david-korten-dsc_0055e-2Die Finanzkrise hat die Mythen zum Schweigen gebracht, dass unsere Wirtschaftsinstitutionen solide seien und dass Märke am besten funktionieren, wenn sie dereguliert werden. Unsere ökonomischen Einrichtungen haben versagt, nicht nur finanziell, sondern auch in sozialer und ökologischer Hinsicht. In Verbindung mit der Wahl eines neuen Präsidenten mit dem Mandat zum Wandel, gibt uns dies die gute Gelegenheit, innezuhalten, zu überdenken und umzugestalten.

Der zukünftige Präsident Obama hat versprochen, die Wirtschaft von der Basis her wachsen zu lassen. Dies wäre eine grundlegende Verbesserung gegenüber der bisherigen Vorgehensweise, die Spitze auf Kosten des Fundaments zu entwickeln. Das eigentliche Bedürfnis besteht jedoch in einer Transformation unserer wirtschaftlichen Werte und Institutionen von Grund auf, um sie auf die Erfordernisse und Herausforderungen des 21. Jahrhunderts auszurichten. Deshalb stehen fünf Schritte auf der Tagesordnung: die Wall Street aufzuräumen, nach den Regeln des Marktes zu spielen, die Realwirtschaft sich selbst finanzieren zu lassen, zu ermitteln, was wir wirklich wollen und zu schuldfreiem Geld zu wechseln.

Der aktuelle Zusammenbruch des Marktes und die daraus resultierenden Versprechen auf Rettungspakete von über einer Billion Dollar haben die Aufmerksamkeit des Landes auf die verheerenden Folgen der Wall Street-Deregulierung gerichtet. Dies ist aber nur die Spitze des Eisbergs einer gescheiterten Wirtschaftsordnung, die dringend einer grundsätzlichen Umgestaltung bedarf.

Unsere Wirtschaft hat sich drastisch von den menschlichen Bedürfnissen und der Umwelt entfernt. Das Ergebnis ist für beide ein Desaster. Einkommen sinken angesichts steigender Nahrungsmittel- und Energiepreise. Konsumentenverschuldung und Zwangsversteigerungen von Häusern erreichen historische Höchststände. Die Mittelschicht schrumpft. Die gewissenlose und zunehmende weltweite Schere zwischen arm und reich mit der damit einher gehenden sozialen Entfremdung erzeugt soziale Verwerfungen, die wiederum zu Verbrechen, Terrorismus und Völkermord führen.

Gleichzeitig treibt exzessiver Konsum das Ökosystem unserer Erde an den Rand des Kollaps, Wissenschaftler sind sich weltweit praktisch darüber einig, dass die menschlichen Aktivitäten wesentlich für den Klimawandel und der darauf folgenden Zunahme von Dürren, Überschwemmungen und Waldbränden verantwortlich sind.

Wir stehen einer monumentalen ökonomischen Herausforderung gegenüber, die weit über das hinaus geht, was im U.S.-Kongress diskutiert wird. Die Härten, die durch das vorübergehende Einfrieren der Kreditmärkte ausgelöst wurden, verblassen im Vergleich dazu.

Dies wäre ein guter Augenblick, die wirtschaftliche Leistung in Bezug auf das was wir wirklich wollen – gesunde Kinder, Familien, Gemeinschaften und natürliche Systeme – zu beurteilen.

Das Rettungspaket für die Wall Street, das der Kongress in einem Moment der Panik beschlossen hat, geht in keinster Weise auf die strukturellen Probleme ein, die zu der Kreditklemme geführt haben, ganz zu schweigen von den strukturellen Gründen, die für die noch schwereren Misserfolge des Wirtschaftssystems in Bezug auf Umwelt und soziale Entwicklungen verantwortlich sind. Auf der positiven Seite ist zu vermerken, dass die Finanzkrise die Mythen zum Schweigen gebracht hat, dass unsere Wirtschaftsinstitutionen solide seien und dass Märke am besten funktionieren, wenn sie dereguliert würden. Sie bringt uns den geeigneten Augenblick für einen tiefgreifenden Wandel.

Hier sind einige unverzichtbare Schritte in Richtung eines Systemumbaus, der uns auf den Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaftsordnung führt, die für alle funktioniert.

1104443_moneySchritt 1: Wall Street aufräumen
Die erste Sache, die angepackt werden muss, ist die aktuelle Krise unter Kontrolle zu bringen. Wall Street-Institutionen haben lange Zeit behauptet, dass ihre Handelsaktivitäten Wohlstand erzeugen, also jene Mittel, die die Wirtschaft am Laufen halten, die die wirtschaftliche Effizienz steigern und die Märkte stabilisieren. Der Finanzcrash hat den Schleier gelüftet und offenbart ein korruptes System, das auf Spekulation, dem Plündern von Firmenwerten, räuberischen Krediten und Anlageblasen wie bei Immobilien und „dot com“-Boomphasen beruht.

Wenn die Leute, die hieran beteiligt sind, irgend etwas von Wert produzieren, so ist dies rein zufällig, denn ihr eigentliches Ziel besteht darin, spekulative Gewinne einzufahren, die die gesamte Weltwirtschaft aufs Spiel setzen und zu gigantischen Forderungen für von den Steuerzahlern finanzierte Rettungsschirme führen, wenn ihre Vermögenswerte den Bach runtergehen. Für dieses Wirken/Arbeiten haben die 50 bestbezahlten Manager von privaten Investmentfonds 2007 zusammen stolze 588 Millionen US$ an Lohn erhalten – 19.000 Mal mehr als das durchschnittliche Einkommen.

Wir müssen Wall Street zur Rechenschaft ziehen, einen Teil der Verluste von jenen zurück holen, die dafür verantwortlich sind, und eine Wiederholung des Kreditkollaps verhindern. Die Empfehlungen des Institute for Policy Studies (IPS), eines Think Tanks aus Washington, sind ein guter Ansatzpunkt. In „Ein vernünftiger Plan für eine Erholung“ fordert das IPS den Kongress auf, die Finanzwelt sowohl für den Rettungsschirm als auch für die Ankurbelung der Realwirtschaft zahlen zu lassen. Der Plan sieht eine Transaktionssteuer vor, eine Mindest-Unternehmenssteuer, das Zurückholen der Bonuszahlungen an Manager, die für die Krise verantwortlich sind, das Ende von Steueroasen und ein Abschaffen von Steuerschlupflöchern für Vorstandsmitglieder. Das IPS fordert außerdem massive staatliche Regulierungen, um Spekulationen einzudämmen und eine wirkliche Übersicht über die Finanzmärkte zu erhalten.

Diese Vorschläge umzusetzen wäre ein sehr guter Anfang, um Spekulationen zu begrenzen, ein fortschrittliches Steuersystem wiederherzustellen, so dass eine bessere Verteilung der Wirtschaftsmacht gelingt, und um die besonders rücksichtslosen Wall Street-Firmen auszuschalten.

Zusätzliche Schritte werden notwendig, um – beginnend mit der Wall Street – Marktmachtkonzentrationen aufzubrechen, und die verbleibenden Banken auf das Allgemeinwohl einzuschwören. Die Entscheidung des Finanzministers Henry Paulson, dass die Regierung Beteiligungen an gefährdeten Banken erwirbt, ist ein positiver Schritt, der den Weg zu einer tiefgreifenden Umstrukturierung des Finanzsystems öffnen kann.

Die Regierung sollte sofort die Bestimmungen des Glass-Steagal-Gesetzes wieder in Kraft setzen, die die Fusionen von Geschäfts- und Investmentbanken untersagen, und die Zerschlagung von Finanz-Konglomeraten und anderen Wall Street-Firmen, die „zu groß sind zum Scheitern“ vorantreiben. Wie Senator Bernie Sanders feststellte: „Wenn ein Unternehmen zu groß ist, um zu scheitern, ist es auch zu groß, um zu existieren.“

2. Schritt: Nach den Marktregeln spielen
Sobald wir das unmittelbare Feuer gelöscht haben, können wir unsere Aufmerksamkeit der Umgestaltung von potential nützlichen Einrichtungen der Finanzwelt zuwenden, um sie mit den Anforderungen von Nachhaltigkeit und Fairness in Einklang zu bringen. Ironischer Weise, wenn man die von der Wall Street im Namen des freien Marktes begangenen Exzesse betrachtet, sieht die Wirtschaft, die wir erschaffen müssen, derjenigen von Adam Smith, auf den sich manche als Vater des Kapitalismus berufen, erstaunlich ähnlich.

Smith malte sich eine Welt lokaler Marktwirtschaften aus, bevölkert von kleinen Unternehmern, Handwerkern und familiär geführten Bauernhöfen mit starken Wurzeln in der Kommune, die sich in ihrer Produktion damit beschäftigen, ihre eigenen Bedürfnisse und die ihrer Nachbarn zu befriedigen. Seine Vision hat wenig mit dem zu tun, was die Wall Street-Wirtschaft von freigelassenem Kapital, Credit Default Swaps, hektischer Spekulation und weltweiter Konzernimperien darstellt.

Wie ich schon in meinen Büchern When Corporations rule the world und The Post-Corporate world: Life after Capitalism ausführte, hängen sozial effiziente Marktallokationen von einer ganzen Reihe wichtiger Bedingungen ab, die die Wall Street und jene Ökonomen, die der fundamentalistischen neoliberalen Ideologie verpflichtet sind, geflissentlich ignorieren. Zu diesen Grundbedingungen zählen:

  • Marktpreise müssen die vollen sozialen und ökologischen Kosten internalisieren.
  • Der Handel zwischen Nationen muss im Gleichgewicht sein.
  • Investitionen müssen lokal erfolgen.
  • Kein Marktteilnehmer ist so groß, dass er den Marktpreis direkt beeinflussen kann.
  • Wirtschaftskraft/-macht muss gleich verteilt sein.
  • Jeder Marktteilnehmer muss über vollständige Informationen verfügen und es darf keine Handelsgeheimnisse geben (sprich: keine von der Regierung verhängten Patentrechte).

Um die Verzerrung durch unfaires Wettbewerbsverhalten zu verhindern müssen die Märkte reguliert werden, damit obige Grundbedingungen sichergestellt werden. Sehen Sie sie als grundlegende Bedingungen für gesundes, gerechtes und nachhaltiges Funktionieren der Wirtschaft an.

Schritt 3: Selbstfinanzierung der Realwirtschaft
1086817_dollar_in_a_box_1Weit davon entfernt die finanziellen Bedürfnisse der Realwirtschaft zu bedienen, wird jene von der Finanzwirtschaft wie eine Kolonie behandelt, die zum Wohle des Kolonialherren betrieben werden muss. In Zusammenarbeit mit der Federal Reserve [der amerikanischen Zentralbank] haben Wall Street-Akteure eine Kombination aus Kontrolle über die Geldversorgung, räuberischen Kreditpraktiken und Lobbying und Kampagnen eingesetzt, um Löhne zu drücken, soziale Sicherheitsnetze zu durchlöchern und sich den Wert der Produktivitätsgewinne selbst zu sichern. Das obere 1 Prozent der U.S.-Einkommen hat seinen Anteil am nationalen Geldeinkommen zwischen 1980 und 2005 von 9 auf 19 Prozent gesteigert, wie Charles R. Morris in The Trillion Dollar Meltdown feststellt. Das Einkommen von 90 Prozent der Haushalte fiel relativ zur Inflation, die Sparrate sank auf unter 1 Prozent und die Verschuldung der Haushalte explodierte, während die Bevölkerung darum kämpft, ihr Leben beieinander zu halten.

Ein unentbehrliches Element einer Nach-Krisen-Wirtschaft muss die Herstellung einer ausgeglicheneren Reichtumsverteilung sein, durch progressive Steuersätze, das Anheben der Mindestlöhne und die Regulierung von Hypotheken- und Kreditkarten-Zinssätzen. Dies wird denen, die am Boden sind, dabei helfen, Spareinlagen und Kaufkraft wiederherzustellen und in Kombination mit schuldfreiem Geld, auf das ich unten eingehen werde, die Abhängigkeit der Realwirtschaft von der Finanzwirtschaft auflösen. Die finanziellen Bedürfnisse der Wirtschaft werden am besten durch ein bundesweit reguliertes Netzwerk von unabhängigen, im lokalen Besitz befindliche Gemeinschaftsbanken bedient, die die klassische Lehrbuchfunktion von Banken erfüllen, ein Vermittler zwischen Menschen vor Ort zu sein, die nach einem sicheren Platz für ihre Ersparnisse suchen und Menschen vor Ort, die Kredite für einen Hauskauf oder eine Firmenfinanzierung benötigen. Die Erkenntnis, dass Menschen ihre Ersparnisse vermehrt von den gigantischen Bankkonzernen mit fragwürdigen Bilanzen hin zu kleineren lokalen Banken bewegen, ist ein positiver Schritt.

Die Interessen der Wall Street haben das ökonomische Spiel so manipuliert, dass Mega-Konzerne einen Wettbewerbsvorteil vor unabhängigen regionalen Unternehmen haben, die das Herzstück der Realwirtschaft sind. Das New Rules-Projekt des Institute for Local Self Reliance (Institut für lokales Selbst-Vertrauen) stellt eine Fülle von Empfehlungen zur Verfügung, wie man ein Gleichgewicht der Kräfte wiederherstellen kann.

Schritt 4: Messen, was wir wirklich wollen
Die einzige legitime Funktion eines Wirtschaftssystems ist, dem Leben zu dienen. Derzeit jedoch messen wir ökonomische Leistung ausschließlich mit Hilfe finanzieller Indikatoren – Bruttosozialprodukt (BSP) und Aktienkursen – während wir die Wirkungen auf soziale Bereiche und die Umwelt ignorieren. Wir zahlen jetzt den Preis dafür, dass wir die Wirtschaft jahrelang auf finanzielle Leistung hin getrimmt haben, die dazu führt, dass diejenigen, die Geld haben, noch mehr Geld machen – kurz: reiche Menschen werden reicher. Das war keine kluge Entscheidung. Wir müssen nun die verheerenden Kosten für diese Dummheit tragen, in Form von massiven sozialen und ökologischen Schäden und finanzieller Instabilität.

Dies könnte ein guter Zeitpunkt sein, damit zu beginnen, die wirtschaftliche Leistung in Bezug auf Dinge zu messen, die wir wirklich wollen – gesunde Kinder, Familien, Gemeinschaften und Ökosysteme. Dies würde Lebenswerte über Geldwerte stellen und die Art und Weise, wie unsere Wirtschaft entscheidet, dramatisch umstellen. Glücklichsein ist übrigens ein wichtiger Indikator für physische und psychische Gesundheit.

Wir können fortfahren, das BSP zu messen, eine Messgröße für wirtschaftlichen Durchsatz, als recht nützlichen Indikator für die wirtschaftlichen Kosten, ein gegebenes Niveau von Gesundheit und Wohlergehen zu halten. Wenn wir erkennen, dass das BSP Kosten und nicht Gewinne darstellt, wird es klar, wieso es ein Fehler ist, es permanent zu steigern. Eine ganze Anzahl von Forschern hat darauf hingewiesen, dass das Glücklichsein, genauso wie andere Messgrößen menschlicher, sozialer und ökologischer Gesundheit, gesunken ist, während das BSP anstieg, aber ihre Ansätze wurden bislang weitgehend ignoriert. Wir fahren damit fort unsere Wirtschaft so auszurichten, die Kosten zu maximieren statt den Nutzen/Vorteil ökonomischer Aktivität. Der Schock des Finanzkollaps gibt uns die Chance, die Aufmerksamkeit auf diese grundlegende Anomalie zu richten. Wir werden erkennen, dass wir einen wichtigen Schritt gegangen sind, wenn Wirtschaftsreporter fröhlich verkünden: „Es war ein erfolgreiches Quartal. Die Zufriedenheit stieg um zwei Punkte während das BSP um einen Punkt sank.“

Schritt 5: Wechsel zu schuldfreiem Geld
Dies bringt uns zur wichtigsten Reform von allen: die Änderung der Art, wie wir Geld erzeugen. Ein Schlüssel zur Macht der Finanzwirtschaft und der dem Finanzsystem innewohnenden Instabilität ist die Praxis privater Banken, Geld mit einem einfachen Buchhaltungseintrag zu erschaffen, jedes Mal, wenn sie einen Kredit vergeben. Da dieser Buchhaltungseintrag nur das Kapital, nicht aber die Verzinsungssumme erzeugt, führt dies zu einer Anhäufung der Schulden und einem Kollaps von Finanz- und Wirtschaftssystem, sofern die Wirtschaft nicht schnell genug wächst, um genügend Nachfrage nach weiteren Krediten zur Erschaffung neuen Geldes zu generieren, das benötigt wird, um die Zinszahlungen der früheren Kredite abzutragen. Das Verlangen nach Refinanzierung durch Schulden von nahezu jedem Dollar, der im Umlauf ist, garantiert das Fehlschlagen der Wirtschaft, es sei denn, das BSP und die Ungleichheit steigen permanent weiter.

Führende Wirtschaftswissenschaftler und Politiker, z.B. Thomas Jefferson und Benjamin Franklin, sprachen sich dafür aus, das System des von den Banken erschaffenen Schuld-Geldes durch ein alternatives System zu ersetzen, bei dem die Regierung schuldfreies Geld generiert, indem es durch Ausgaben in die Welt gesetzt wird, beispielsweise um öffentliche Güter wie Infrastruktur oder Bildung zu finanzieren. Die Vorstellung, dass die Regierung Geld mit einem Federstrich erzeugt, lässt sofort die Alarmglocken schrillen, weil man eine galoppierende Inflation befürchtet. Die grundlegende Änderung zum bisherigen Zustand wäre jedoch, dass das Geld von der Regierung für ein öffentliches Gut erzeugt wird statt von einer privaten Bank als privater Profit. Ellen Hodgson Browns The Web of Debt gibt eine informative Übersicht über aktuelle Diskussionen und Möglichkeiten in diesem Bereich.

Privat ausgegebenes Schuld-Geld trägt zur Verschuldung und hohen Steuern bei und trägt die Hauptschuld an der Umweltzerstörung, da es unendliches Wachstum, extreme Ungleichheit (durch die Sicherstellung permanenter Umverteilung von unten nach oben) und wirtschaftliche Instabilität benötigt, da die Kreditvergabe zum Antreiben rücksichtsloser Spekulation nette kurzfristige Bankgewinne bewirkt. Öffentlich herausgegebenes schuldfreies Geld würde die Schulden, Steuern und die ökologischen Schäden deutlich reduzieren, wäre besser verteilt und würde die finanzielle Stabilität erhöhen. In einer Demokratie sollten wir dies selbst entscheiden können.


Dies ist ein geeigneter Augenblick, eine Agenda nach vorne zu bringen, die die gescheiterten, dem Gelde dienenden Institutionen unseres gegenwärtigen Wirtschaftssystems durch Institutionen ersetzt, die dem Leben dienen. Die Vorstellung, dass wir Menschen das Leben über das Geld stellen, mag unrealistisch und wider unserer menschlichen Natur erscheinen. Sicherlich will uns unsere herrschende kulturelle Geschichte dies glauben machen. Diese Geschichte/Erzählung hat jedoch nicht mehr Wahrheitsgehalt als die Geschichte, dass Wall Street-Spekulationen einem höheren öffentlichen Interesse dienen. Wie ich bereits in meinem Artikel We are hard-wired to care and connect (Wir sind fest mit Fürsorge und Verbindung verdrahtet) im Herbst 2008 schrieb, haben Wissenschaftler herausgefunden, dass das menschliche Gehirn direkt auf Mitgefühl und Verbindung ausgerichtet ist.

Die vielen Jahre, die ich in Afrika, Lateinamerika und Asien gelebt habe, haben mich gelehrt, dass Menschen jeder Rasse, Religion und Nationalität weltweit den Traum einer Welt mit zufriedenen Kindern, Familien und Gemeinschaft, die in lebendiger, gesunder, natürlicher Umgebung leben, teilen. Wenn sie die Möglichkeit sehen, sind Menschen bereit, beachtliche Teile ihrer Lebensenergie in einen Versuch zu investieren, diesen Traum zu verwirklichen, wie es auf den Seiten von YES! regelmäßig dokumentiert wird. Von dem räuberischen Griff der Wall Street befreit, hat diese lange unterdrückte Energie das Potential, unsere Beziehungen untereinander und zur Erde zu verwandeln, und uns den gemeinsamen Traum einer Welt, die für alle funktioniert, klar zu machen.


David Korten ist Autor des internationalen Bestsellers When corporations rule the world und The Great Turning: From Empire to Earth Community. Er ist Mitbegründer und Vorsitzender des YES! Magazine, und Vorstandsmitglied der Business Alliance for Local Living Economies.

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Dez
30
2008
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Am Rande beobachtet, kritische Edition

Wo Licht ist, da ist auch Schatten, und den will ich in meinen heutigen Randbeobachtungen nicht aussparen. Im als-ob-leben?-Blog macht sich der Autor grundlegende kritische Gedanken zur aktuellen Lage und Situation, gerade auch im Angesicht der „Finanzkrise“, die von vielen Mainstreammedien noch arg verniedlicht wird. Gerne wird dort ja auch der Eindruck vermittelt, dass die Politik, unsere Regierung, alles im Griff habe und planvoll handele. Und die Kinder bringt der Weihnachtsmann…:

wenn man sich in diesen tagen quer durch den mainstream von print- und onlinemedien arbeitet, so ist die polarisierung im angesicht des kommenden jahres 2009 nicht zu übersehen – während auf der einen seite wahlweise bilder von scharfkantigen eisbergen, unermesslichen abgründen und verheerenden großbränden dominieren (die durch die krise generierten bilder werden hoffentlich in bälde einmal von psychohistorikern näher betrachtet werden), lässt sich die verfassung der anderen seite auf einen begriff bringen: “crisis? what crisis?” und allerhöchstens wird eine – inzwischen immerhin von “klitzeklein” auf “etwas größer” mutierte – rezession zugestanden, nach der aber “alles wieder so sein wird wie vorher”.

letzteres lässt sich mit halbwegs funktionierenden wahrnehmungsfähigkeiten nur als drohung begreifen. weiter mit dem zwang zum exponentiellen wachstum, weiter mit der umverteilung von unten nach oben, mehr konsum, mehr straßen, mehr autos, mehr müll. und vor allem mehr psychophysisches elend bei der ungebremsten expansion der dingwelt. das ist nicht nur der wunsch der “eliten”, sondern auch derjenige ihrer medial sedierten und konsum als sinnstiftend empfindenden braven untertanen, für deren idealtypische form das wort “ich-ag” die am treffendsten auf den punkt bringende metapher darstellt.

horst_koehlerIn die gleiche Kerbe, also der Verdrängung und Verharmlosung, schlug auch unser Bundespräsident Horst Köhler in seiner an Weltfremdheit kaum zu überbietenden Weihnachtsansprache – da darf sich niemand über Politikverdrossenheit wundern. Entsprechend hart gehen einige Blogs auch mit ihm & seiner Rede ins Gericht. Duckhome drückt es direkt aus: „Köhler, halt’s Maul“, die NachDenkSeiten widmen diesem „Phänomen“ gleich zwei Beiträge: „Köhlers Weihnachtsansprache: Beliebig und belanglos“ und „Bundespräsident Köhler stützt die Propaganda der Regierenden, statt dem Volk mit einem ehrlichen Wort beizuspringen“:

Insbesondere Horst Köhler muss wegen seiner engen Verflechtung mit diesem Milieu [der Finanzwelt] gewusst haben, dass sich die Hauptverantwortlichen der Bundesregierung, nämlich Bundeskanzler Schröder, Bundeswirtschaftsminister Clement und der damalige Bundesfinanzminister Eichel zu Beginn des Jahres 2003 mit den Spitzenvertretern der Finanzwirtschaft trafen.
Schon damals, zu Beginn des Jahres 2003 hatten die Verantwortlichen in der Bundesregierung mit den Spitzen der Banken und der Versicherungswirtschaft darüber beraten, wie man die Kredite notleidender Banken auf eine Auffanggesellschaft, eine so genannte „Bad Bank“ auslagern, bündeln und als Wertpapiere verpacken und weiterverkaufen könnte. Damals wurde beraten, der Staat solle als Entlastung für die Risiken einstehen und eine Garantie abgeben.
Schon damals war also erkennbar, dass es riesige Risiken gibt und schon damals gab es das unverschämte Begehren, solche von privaten Wirtschaftssubjekten erzeugten Risiken auf uns Steuerzahler abzuladen.
Ein in Finanzfragen bewanderter und eng mit der Finanzwirtschaft verflochtener Bundespräsident musste auch diesen Vorgang kennen.

Ach ja, die Wirtschaftskrise, dieses Thema wird uns 2009 sicher ordentlich in Atem halten. In England gab es zum Jahresende noch mal einen richtigen Kaufrausch, da viele Kaufhäuser Rabatte von bis zu 90% anboten. Dennoch, die Aussichten auch in Großbritannien sind düster: „Torschlusspanik“:

In Großbritannien wird gewarnt, dass der Konsumrausch zum Jahresende zur Verödung der Einkaufszonen führen könnte. Gegenwärtig scheint die Maxime des guten, also systemstabilisierenden Handelns zu sein, möglichst viel zu konsumieren. Wer kauft, dient der Gesellschaft oder deren Wirtschaftssystem, das gilt auch für Vorschläge, wie die Konsumkraft der Menschen verbessert werden kann. Egal was, Hauptsache, der Laden läuft, und Morgen ist ein anderer Tag. Das ist Panik, vor allem eine Panik, die nichts besser macht, denn der bedingungslose Konsum, das Leben auf Pump, das Schwelgen in hohen Renditen, hat schließlich die Krise hervorgebracht.

Woolworth muss trotzdem ein Viertel seiner Häuser schließen, andere Ketten folgen oder sind bereits gefolgt, die Preise sollen weiter fallen, die Verluste steigen. Ende des nächsten Monats dürfte jedes zehnte Geschäft in den Einkaufsstraßen der Städte leer stehen, wird gewarnt. Die Schulden der Geschäfte und Ketten steigen, die Gewinne sinken.

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