Der Kampf gegen die Depublizierung

Der „12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag“ ist seit September in Kraft. Was erstmal harmlos klingt, hat es leider in sich – in einem Knebelabkommen mit den privatwirtschaftlichen Verlagen und Sendern haben die Ministerpräsidenten der Länder vor einiger Zeit besagten Vertrag unterzeichnet, der die öffentlich-rechtlichen Inhaltangebote zukünftig stark beschneidet. Im Interesse der anderen Verlage und Sender, die sich in ihrer Wirtschaftlichkeit bedroht sahen. Dieser ungeheuerliche Vorgang (immerhin sind die nun „depublizierten“ Inhalte ja mit den Geldern der Bürger finanziert worden) rief in der Öffentlichkeit erstaunlich wenig Portest hervor. Und nun haben wir den Salat, ARD, ZDF und die anderen öffentlich-rechtlichen Anstalten haben hunderttausende Beiträge aus dem Netz genommen, sprich: auf Grund des Rundfunkstaatsvertrags nehmen müssen. Nicht nur die Filmbeiträge (auf die man eventuell noch verzichten könnte), sondern auch die jeweiligen Meldungen und Transskripte, was das Recherchieren und auch Verlinken von Fakten zukünftig stark erschweren wird. Die ARD schreibt dazu:

Was heute irgendwo auf der Welt ins Netz gestellt wird, kann in der Regel bis auf weiteres abgerufen werden. Was einmal veröffentlicht wurde, vergrößert die universelle Bibliothek im Netz. Jeder Mensch mit Internet-Anschluss hat so freien Zugang zu vielfältigen Informationen, zu Entwicklungen aktueller und vergangener Ereignisse überall auf der Welt, in Deutschland oder vor der eigenen Haustür.

Beschränkung der Öffentlich-Rechtlichen

Für die öffentlich-rechtlichen Onlineangebote gilt das künftig eingeschränkt. Denn nur ein Bruchteil der Inhalte, die erhalten werden könnten, darf auch im Netz bleiben. So sind dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit dem 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag enge Grenzen im Internet gesetzt worden. Seit dem 1. Juni 2009 regelt der Vertrag, dass in gebührenfinanzierten Angeboten viele Inhalte verboten sind und die erlaubten nur noch für begrenzte Zeit online bleiben dürfen. Die öffentlich-rechtlichen Anbieter haben bis zum 31. August 2010 Zeit, die Vorgaben des Gesetzes umzusetzen.

Rund 80 Prozent der Inhalte nicht mehr abrufbar

Während viele Verlage damit beginnen, ihre Archive für die Allgemeinheit zu öffnen, muss tagesschau.de den größten Teil seines mit Gebührenmitteln erstellten Online-Archivs löschen. Betroffen sind ca. 80 Prozent der Inhalte. Zusätzlich problematisch: Auch das Löschen kostet Geld, denn es muss eigens organisiert und programmiert werden. Da die Budgets in den Telemedienkonzepten gedeckelt sind, gehen die Lösch-Kosten zu Lasten neuer Inhalte.

Das NDR-Medienmagazin ZAPP berichtete über diese Vorgänge zuletzt gleich zwei Mal – zunächst wurden die Konsequenzen dieses Vertrages (der ausschließlich den privatwirtschaftlichen Anbietern, nicht aber den Bürgern nützt) beschrieben:

Und in der neuesten Sendung wird ein aktuelles „Underground“-Projekt vorgestellt – Depub.org. Unbekannte veröffentlichen die nun offiziell verschwundenen Dokumente illegal, um sie für die Allgemeinheit zu erhalten. Wie man in dem ZAPP-Beitrag erkennen kann, findet dieses Vorgehen viel Sympathie, selbst bei den Juristen und den anderen Verantwortlichen der Sender:

Wollen wir mal hoffen, dass dieser löbliche zivile Ungehorsam ungestraft bleibt und zeigt, dass solche Verträge in Zeiten des Internets sinnlos geworden sind.

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7 Kommentare

  1. Markus

    Das ist an Dreistigkeit fast nicht mehr zu überbieten. Wenn das so weiter geht, nimmt es kein gutes Ende…
    Selbst wenn wir, im Extremfall die Linke in der Regierung haben (was ich nicht hoffe), wird es nur noch auf andere Art krankhaft.
    Lasst uns hoffen dass die Menschen nicht so immun gegen Politik geworden sind, dass sie auch gute Vorschläge nicht mehr hören wollen!

    • Ich denke mal, Du meinst mit der Dreistigkeit nicht die Leute von Depub.org, sondern diesen absurden “Rundfunkstaatsvertrag”, den uns die Privatsender und Verlage (in Zusammenarbeit mit den Politikern) eingebrockt haben. ;-)

  2. Markus

    Was habe ich getan, dass du daran zweifeln könntest.
    Mehr ziviler Ungehorsam bitte!

  3. Georg

    Muss ich verstehen, was das mit der Linken zu tun hat?..

  4. Markus

    Die jetzige Opposition besteht aus SPD, B90/Gr. und Linke. Wenn die SPD und die Grünen die nächste Wahl gewinnen, wird auch nix besser. Bei einer Beteiligung der Linke an der Regierung könnte alles noch bedeutend schlimmer werden.
    Aber das ist eigentlich alles nicht wichtig.
    Ihr habt die Macht etwas zu ändern und nicht nur “die Anderen”!

    • Noch schlimmer als bei einer Beteiligung der FDP an der Regierung kann es eigentlich nicht mehr kommen (außer man ist Hotelier oder Apotheker)…

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