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Nestlé – Die Krake von Vevey

[1]Nachdem meine Auflistung über all die Zeitschriften, Sender und sonstige Firmen, die Bertelsmann mittlerweile besitzt [2], auf großes Interesse stieß, möchte ich heute einen weiteren Weltkonzern unter die Lupe nehmen, der für seine teils rüden Geschäftspraktiken des öfteren weltweit Kritik erntet: Nestlé, dessen Hauptsitz im idyllischen Schweizer Ort Vevey liegt.

Hier zunächst eine kleine Auflistung einiger der bekannten Marken, die sich Nestlé inzwischen in Deutschland einverleibt hat (weltweit sind es mehrere tausend!) (Quellen: Wer zu wem? [3], Nestlé Dtl. [4]):

Alete
Perrier
San Pellegrino
Vittel
Aquarell
Fürst Bismarck
Contrex
Klosterquelle
Limonata
Neuselters
Reinbeker
Schöller
Mövenpick
Janny’s Eis
Maggi
Herta
Thomy
Engelfrost
Chef
After Eight
Baci (Italienische Schokolade)
Choco Crossies
[5]Rolo
Nuts
Kit Kat (Riegel)
Lion (Riegel)
Nescafe
Nespresso
Nesquik
Quality Street (Konfekt)
Smarties
Yes
Beba
Bübchen
Milasan
Gaucho
Dörffler
Nestlé Clusters
Nestlé Fitness
Cini Minis
Frubetto
Nestlé LC1
The Body Shop (gehört 2/3 zu L’Oréal, 1/3 zu Nestlé!! Hat sich also was mit „alternativer Kosmetik”…)

(Eine beeindruckende Auflistung der Nestlé-Wassersorten sowie den interessanten Artikel „Die Quellenschlucker vom Genfersee [6]” findet Ihr im Gedankenbörse-Blog [7]. Von R. Wiedenmeier stammt übrigens auch obige schöne Nestlé-Logo-Parodie.)

[8]Bereits in meiner Buchrezension zu Jean Zieglers „Imperium der Schande” [9] hatte ich einige Beispiele für Nestlés zweifelhaften Ruf angeführt, so insb. ihr Gebahren, Milchpulver an stillende Mütter in Afrika zu verkaufen, deren Kinder dann aufgrund schmutzigen Wassers erkranken oder sogar sterben. Nicht zuletzt die Praktiken des Unternehmens im Bereich Babynahrung und Milchpulver haben Nestlé auch schon eine Reihe von Protest- und Boykottaktionen eingehandelt. Aktuell gibt es beispielsweise eine sehr kritische Diskussion über diese Produkte im österreichischen Parents & more Elternforum [10]. Die Aktionsgruppe Babynahrung e.V. ruft wegen der Umtriebe der Firma in Pakistan zum Boykott aller Nestlé-Produkte [11] auf.

Ende letzten Jahres erhielt der Konzern den „Black Planet”-Schmähpreis von Ethecon [12] verliehen:

In Kooperation mit internationalen Nicht-Regierungsorganisationen wie Attac, MultiWatch und IBFAN übergab die Stiftung ethecon den internationalen Schmähpreis „Black Planet Award 2007“ an den NESTLÉ-Konzern. Der Preis prangert die Verantwortung der AktionärInnen und des Managements für Ruin und Zerstörung des Blauen Planeten an, was mit vielen Beispielen für Verbrechen gegen die Menschlichkeit, für Umweltzerstörungen und für Ausbeutung belegt wird.

Der Einsatz von Gentechnik ist für Nestlé auch durchaus kein Fremdwort, sondern gehört zur Unternehmenspolitik und wird durch Lobbyarbeit bspw. in der EU forciert. (Siehe auch: „Nestlé-Chef fordert Einsatz von Gentechnik [13]” (Spiegel), „Nestlé: Lobbying the EU for change [14]”, „Nestlé fordert EU zu großzügigeren Gentechnikauflagen auf [15]”, „Nestlé, Nescafé, Gentechnik-Kaffee [16]”.) In einem bezeichnenden Stern-Interview aus dem Jahre 1996 äußerte sich der damalige Nestlé-Chef Maucher: „Gentechnologie, dazu stehen wir [17]”, und er zeigt sich auch gleich von der extrem unsympathischen Seite, indem er Menschen als Wohlstandsmüll bezeichnet:

„Wir haben mittlerweile, provozierend gesagt, einen gewissen Prozentsatz an Wohlstandsmüll in unserer Gesellschaft. Leute, die entweder keinen Antrieb haben zu arbeiten, halb krank oder müde sind, die das System einfach ausnutzen. Daß Sie mich richtig verstehen: Ich bin der Meinung, daß wir genügend Geld haben, diejenigen zu unterstützen die wirklich alt, krank oder arbeitslos sind. Aber es gibt zuviel Mißbrauch und Auswüchse.”

[18]Das Greenpeace Magazin setzte sich in der Ausgabe 01/07 „Klüger essen [19]” gleich mit mehreren Artikeln mit dem Nestlé-Imperium auseinander. In „Konzerne mit Problemzonen [20]” lesen wir eine Zusammenfassung der Aktivitäten des Unternehmens, mit all seinen auch kritisch zu sehenden Entwicklungen (für mich ist hier vor allem die wachsende Marktmacht/-konzentration sehr bedenklich!)

Zehn Lebensmittel-Giganten beherrschen den Weltmarkt und verkaufen die gleiche uniforme Nahrung in Moskau, München und Mumbai. Das Greenpeace Magazin nimmt die Unternehmenspolitik von Nestlé, Kraft, Unilever und Danone unter die Lupe.

Wasser: International monieren Kritiker (ActionAid, Polaris Institute), dass die Wasserkonzerne das Gemeingut Wasser kommerziell ausbeuten, in Flaschen aus umweltschädlichem Plastik abfüllen und dann zu einem tausend- bis hunderttausendfachen Preis weiterverkaufen. Zudem hat das Abpumpen von großen Mengen Grundwasser gravierende ökologische Folgen.

Und der Artikel „Auf der Roten Liste – aus für Borschtsch, Blinis und Pelmenis: Wie Nestlé den Markt in Russland aufrollt [21]” macht klar, wie das unersättliche Engagements des Multis Russland verändert und „verwestlicht” hat. Es lebe die Eintönigkeit der normierten Industriekost!

Für Nestlé ist Russland der größte Markt in der Region und der größte Markt für löslichen Kaffee weltweit – bevor Nestlé kam, wurde in Russland Tee getrunken, heute verbinden die Russen Genuss mit Nescafé. Während in Konzerthäusern weltweit in der Pause Sekt getrunken wird, nippen die Moskauer im Konservatorium an Nescafé aus Plastiktassen – dank des Masterplans von Nestlé. (…)

Den Jüngsten wird sicherheitshalber schon in der Schule eingebläut, was künftig auf dem Kinderteller liegen soll. Am ersten Schultag von Sergej, dem sechsjährigen Sohn von Natascha und Alexej, war der Dino von Danone zu Besuch, damit auch die Erstklässler des Riesenreichs die gleichen Joghurts, die gleichen „Cerealien“ und gleichen Schokoriegel wollen wie der Rest der Welt. (…)

Rosalija fällt harsche Urteile. Natürlich lässt sie an der abgepackten Nestlé-Ware kein gutes Haar, aber vor allem ihre Landsleute, die ungerührt ihre eigene Küche untergehen lassen, provozieren wütende Kommentare: „Leider mögen die Russen ihr Land nicht, ihre Traditionen nicht und nicht ihre Küche.“ „Man kann von jeder Kultur das Beste nehmen, aber das Eigene soll auch bleiben“, pflichtet ihre Tochter ihr bei. Mit ihrem Protest gegen die kulinarische Bevormundung stehen sie weitgehend alleine

[22]Das globalisierungskritische Netzwerk Attac veröffentlichte im Jahr 2004 sogar ein eigenes Buch über Nestlé – „Nestlé – Anatomie eines Weltkonzerns” [23] (siehe Berliner Literaturkritik [24]). Der Weltkonzern ließ sich während der Recherchearbeiten dazu hinreißen, die Autoren bespitzeln zu lassen (siehe Scienceblogs [25], Frankfurter Rundschau [26], Attac Schweiz [27]), um über die Inhalte informiert zu sein – die Veröffentlichung des Werkes konnte von Nestlé dennoch nicht verhindert werden (ein kleiner Sieg für die Demokratie!). Mehr Infos zur Nestlé-Kampagne von Attac findet Ihr HIER [28].

EDIT: Weitere Links zu Nestlé hier im Blog: HIER [29], HIER [30], HIER [31], HIER [32] oder HIER [33].

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