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Korruption der Presse durch Werbung & PR – Nachtrag

zeitung_press [1]Mein Artikel „Wie der Druck durch Werbung die freie Presse korrumpieren kann [2]“ sorgte ja doch für einige Diskussionen und wurde sogar auf der Website des Nachrichten-Magazins Hintergrund verwendet [3], in deren neuen Ausgabe es übrigens in gewisser Weise auch um dieses Thema geht – „Medien, Macht, Manipulation“.

Zwei Leser meines Blogs waren so freundlich, mich mit weiteren entsprechenden Informationen zu versorgen, die verdeutlichen, wie sumpfig das Verhältnis von (Reklame-)Industrie zu der „freien“ Presse heutzutage ist. Da ich davon ausgehe, dass nicht jeder auch die Kommentare hier verfolgt, hieve ich diese Infos einfach mal in den „offiziellen“ Bereich des Konsumpfs. Da wäre zunächst ein aktuelles Beispiel aus der Schweiz, über das die Zeitschrift Werbewoche berichtete – „Müller Martini – Thurgauer Zeitung mit Anzeigenboykott bedroht [4]“:

Müller Martini hat Anzeigenaufträge bei der Thurgauer Zeitung zurückgezogen, weil diese einen kritischen Artikel über die Thurgauer Firma geschrieben hat. Hintergrund des Streits ist ein Bericht über die krisengeschüttelte Müller Martini, die im Frühjahr angekündigt hatte, insgesamt 200 Stellen abzubauen, davon 60 in Felben-Wellhausen. Gleichzeitig investiert die Firma in die Restaurierung eines Oldtimers. Die Zeitung hatte die Restaurierung als Luxus in der Krise kritisiert, von dem sich die betroffenen Mitarbeiter vor den Kopf gestossen fühlen.

Tja, dieses Beispiel zeigt, dass mitnichten nur die Reklame der großen Konzerne problematisch ist, sondern auch der Druck der lokalen Wirtschaft auf die lokale Presse dementsprechend hoch ist. Die Glaubwürdigkeit von Berichterstattung jeglicher werbefinanzierter Medien stellt das zusätzlich in ein entsprechend fahles Zwielicht.

Das Netzwerk Recherche [5] ist ein Netzwerk für investigativen Journalismus, das sehr löbliche Ziele verfolgt:

Der Verein Netzwerk Recherche soll eine Lobby für den in Deutschland vernachlässigten investigativen Journalismus sein. Er vertritt die Interessen jener Kollegen, die oft gegen Widerstände in Verlagen und Sendern intensive Recherche durchsetzen wollen. Der Verein sieht sich in der Pflicht, wenn Funktionsträger den freien Fluss von Informationen behindern, wenn kein Geld für Recherchen zur Verfügung gestellt wird, wenn Kollegen für korrekte, kritische Arbeit angegriffen oder zum Teil sogar juristisch verfolgt werden.

Einen umfangreichen Bericht (168 Seiten!) über kritischen Wirtschaftsjournalismus, den das Netzwerk herausgegeben hat und bei dessen Lektüre man schon ab und an kräftig schlucken muss, könnt Ihr Euch HIER [6] als pdf herunterzuladen – insbesondere lohnen sich zwei Artikel des Autors Nils Klawitter, der sich bereits mehrfach intensiv und kritisch mit der alles wie ein Krebsgeschwür durchziehenden Krake namens Public Relations (PR) auseinandergesetzt hat (siehe „Saubere Namen für dreckige Zwecke [7]“ bei Spiegel Online) – „Public Relations – Meister der Verdrehung“ und „Lobbyismus in der EU“. Ebenfalls spannend „Was macht die Qualität … Defizite des Wirtschaftsjournalismus“ von Christian Nürnberger:

(…) Eines Tages hatte sich ein Leser am Telefon über schlechte Behandlung im Kaufhof beklagt, zufällig zu einem Zeitpunkt, zu dem ich selbst gerade vom Kaufhof schlecht behandelt worden war. Man wünscht sich ja, wenn man in einem Laden schlecht behandelt wird, ein paar Millionen auf dem Konto, damit man diesen Laden kaufen und den Chef feuern kann. Die Millionen hatte ich nicht, wohl aber einen Job bei der Zeitung und nun einen Anlass, den Laden mit 60 Zeilen zu vernichten.

Leider wurde die Vernichtung nie gedruckt.

Horst Wolf, einer der damaligen leitenden Redakteure der Zeitung kam zu mir und redete mir die schönsten Pointen, die geschliffensten Formulierungen und die gehässigsten Bemerkungen aus. Anfangs wollte ich widersprechen, wir diskutierten eine Weile, aber dann beendete er die Diskussion mit einem Satz, den ich nie mehr vergaß, und das war nun der eigentliche, der wahre Praxisschock. Der Satz lautete: ‘Die Pressefreiheit endet da, wo der Selbstmord beginnt (…)

(…) Dieser Zensor aus dem Geist des Kapitalismus ist viel geschickter und viel subtiler als die Zensoren in den Diktaturen gewesen sind. Dieser Zensor verbietet nichts, steckt niemanden ins Gefängnis, foltert nicht, droht kaum, dieser Zensor etabliert nur neue, harmlos klingende Kriterien für die Presse. Diese Kriterien werden noch nicht einmal öffentlich oder heimlich ausgesprochen oder gar schriftlich fixiert. Sie werden einfach nur angewendet. Der Zensor belohnt diejenigen mit Geld, sprich Werbung, die sich seinen Kriterien fügen. Wer sich nicht fügt, wird nicht etwa bestraft, sondern kriegt halt nur kein Geld. Das hat im Lauf der Jahre dazu geführt, dass immer größere Teile des Werbekuchens in den der Werbung genehmen Sendern, Verlagen und Redaktionen gelandet sind. (…)

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