„Illusion als Ware
Chaos, Vielfalt und Kreativität können für eine moderne Industriegesellschaft gefährlich sein. Darum werden Menschen in ihr nivelliert. Ihre Kreativität wird ihnen abgekauft, auf den Bereich der Produktion gelenkt und zum Beispiel der Firma nutzbar gemacht. (Dabei spielt es keine Rolle, ob diese ›Firma‹ nun Aluminiumfelgen, Theaterinszenierungen, Babynahrung, Waffen oder Kunstausstellungen ›produziert‹.) Was dann als Wunsch nach Buntheit und Vielfalt noch übrig bleibt, wird über Moden, Trends oder Zeitgeist-Epidemien kanalisiert. Hierzu muß es konsumierbar gemacht und angeboten werden. Normalerweise reicht dazu der Fernseher, in hartnäckigen Fällen muß schonmal ein Open-Air, ein Abenteuerurlaub oder ein neues Cabriolet herhalten. All das kann man in Agenturen kaufen, buchen, ordern, bestens geschmiert vom Gleitmittel ›Werbung‹.
Ein kluges System, vor allem deshalb, weil die Nivellierten ihre Nivellierung kaum bemerken. Geschickt wird ihnen die Illusion belassen, sie seien tatsächlich kreativ, wo sie doch in Wirklichkeit vorgefertigte Ware konsumieren. Illusion, die man kaufen kann.“
– Horst Stowasser, „Anarchie!“
m.ro
Sehr schön, Peter. Das trifft es ziemlich gut. Ich verkehre ja auch ab und an in Marketingkreisen. Kreativität ist dort das Buzzword – man schaue sich nur mal die Stellenangebote aus dem Bereich an.
Allerdings ist da die pervertierte Variante gemeint. Perversion ist das Merkmal unseres Systems. Eindrücklich erläutert das auch Hans A. Pestalozzi.
Wirklich kreativ wäre auch wirklich (dem System) gefährlich. Es schüfe was Neues, damit auch andere Machtstrukturen und Vermögensverhältnisse. Das ist Blasphemie.