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Wie der Druck durch Werbung die freie Presse korrumpieren kann, Teil 2/2

Dies ist Teil 2 meiner gestern begonnen Übersetzung [1] des Berichts von Project Censored über die Studie „Dictating Content: How advertising pressure can corrupt a free press“, in dem einer der Initiatoren ein wenig mehr über die Hintergründe erzählt.

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zeitungsdruck [2]Kommentare: Viele Medienkritiker haben der Presse bereits in der Vergangenheit vorgeworfen, anfällig für den Druck der Werbung zu sein. Bisher gab es dennoch keine breit gefächerten Beweise dafür, wie dieser Prozess funktioniert. Dank der Studie des Center for the Study of Commercialism liegen diese Beweise nun vor, obwohl sie nach wie vor im großen Stile von der Presse selbst ignoriert werden. Autor Ronald K.L. Collins beschreibt die Studie und wie sie von den Nachrichtenmedien aufgenommen wurde:

„Soweit wir wissen, war ‚Dictating Content‘ die erste Studie dieser Art, die sich mit dem Thema befasst, wie der Druck durch die Werbeindustrie den redaktionellen Inhalt in Print- und elektronischen Medien beeinflussen kann. Der Bericht zitiert mehr als 60 konkrete Beispiele für werbebedingte Zensur in Print- und elektronische Medien, darunter mehr als zwei Dutzend, die niemals zuvor offengelegt wurden.“ (‚Eine bemerkenswerte Leistung, wenn man bedenkt, wie panisch viele Nachrichtenteams reagieren, sobald diese Frage angesprochen wird.‘ schrieb Doug Ireland in Village Voice, 24.3.1992.)

„Zum ersten Mal berichtete eine Studie den Amerikanern – vor allem den Konsumenten – wie der Inhalt der Medieninformationen durch direkten oder indirekten Werbedruck beeinflusst werden kann. Solche Informationen können einen erheblichen Einfluss auf die wichtigsten Entscheidungen haben, die Amerikaner treffen, von den Häusern und Autos, die sie kaufen bis hin zu den Medikamenten, die sie benötigen könnten. Außerdem ist das öffentliche Wissen über den Werbedruck in Bezug auf Akohol- und Tabakberichterstattung, von entscheidender Bedeutung für die öffentliche Gesundheit und Sicherheit.“

„Einige Medien (z.B. The Washington Post) befassten sich nicht mit der Geschichte, weil, einem Journalisten zufolge, das Problem, wie man sagt, ‚bestens bekannt‘ unter Journalisten sei (z.B. in den Redaktionen, den wissenschaftlichen Fachblättern etc.). Selbst wenn dies wahr sein sollte, übersieht solch ein Argument einen wichtigen Fakt: die Öffentlichkeit wird über diese Art der privaten Zensur, die die Freiheit der Presse einschränkt, im Dunkeln gelassen.“

„Kurz gesagt, Informationen der Art, wie sie in ‚Dictating Content‘ angeschnitten werden, sind ein wichtiger Bestandteil des öffentlichen Informationsrechts, ohne die die hohen Ziele des ersten Verfassungszusatzes nicht erreichbar sind.“

„Über 200 Nachrichten- und Presseorganisationen erhielten Pressemitteilungen und Einladungen zu unserer Pressekonferenz über unsere Studie. Während die Studie selbst wenig bis mäßige Berichterstattung in Zeitungen erlangte, wurde über sie im Fernsehen und in wichtigen Zeitschriften überhaupt nicht berichtet. Die einzige Erwähnung im Fernsehen war ein kurzer Fox Morning News-Bericht am 12. März 1992. Alle wichtigen Sender und Magazine bekamen vorab Pressemitteilungen und/oder Kopien unserer Studie. Dennoch wurden keine Reporter von Fernsehsendern oder wichtigen Zeitschriften eingeteilt, darüber zu berichten – und niemand berichtete.“

„Dieses totale Totschweigen des Themas bei Network-Fernsehsendern und den großen Magazinen war vielleicht vorhersehbar, wenn man bedenkt, das unsere Studie ergab, dass das Problem des Drucks durch Werbekunden am akutesten bei diesen Medien ist.“

„Wenn die Medien nicht intensiv das Thema der Beeinflussung der Presse durch die Werbung beleuchten, ist anzunehmen, dass dieses Problem bestehen bleibt und sogar noch schlimmer wird. Zu viele Redakteure und Produzenten werden befangen/ängstlich sein angesichts des Werbedrucks; zu viele Reporter werden zurückhaltend bleiben, wenn es darum geht, sich mit Geschichten zu befassen, die in der Versenkung verschwinden oder die zu ihrer Entlassung führen könnten; und viel zu oft werden er Öffentlichkeit Informationen vorenthalten werden, die notwendig sind, um informierte Entscheidungen zu treffen. Derweil wird dieser Teufelskreis der Zensur fortbestehen, der die kurzfristigen kommerziellen Gewinne über den langfristigen Gewinn ungestörter Kommunikation stellt.“

„Das Center for the Study of Commercialism wird seine Bemühungen auf diesem Gebiet fortsetzen. Momentan arbeiten wir an einer Studie über die wichtigsten Handbücher/Anleitungen, die im Journalismus und Kommunikationsabteilungen benutzt werden, um festzustellen, in welchem Maße, falls überhaupt, das Thema des Werbedrucks und der redaktionellen Integrität behandelt werden. Gleichzeitig versucht das Center, Gruppen wie die Society of Professional Journalists und die American Society of Newspaper Editors anzusprechen, lange notwendige Schritte in diesem Bereich zu unternehmen, indem freiwillige Richtlinien etabliert werden.“

„Dennoch, das Problem bleibt. So ergab beispielsweise eine neue Studie der Society of American Business Editors & Writers, dass 75 Prozent der befragten Redakteure und Autoren angaben, dass sie sich des wachsenden Drucks der Werbetreibenden, den Inhalt der Publikationen zu beeinflussen, bewusst seien. Nahezu die Hälfte der Befragten antwortete, dass der Werbedruck die Art und Weise, wie ihre Publikation Nachrichten bearbeitete oder darüber berichtete, beeinträchtigt habe. Am schlimmsten daran ist, dass über solche Informationen über diese Form der Zensur praktisch niemals berichtet werde, vor allem nicht bei den Network-Fernsehstationen und den großen Magazinen.“

„In einer hochkommerzialisierten Kultur wie der unsrigen, kann die in der Verfassung festgelegte Metapher des Marktplatzes der Ideen nur umgesetzt werden, wenn es eine kritische Distanz zwischen den Kräften des Marktes und der Pressefreiheit gibt, insbesondere was kritische Gedanken über den Markt angeht. Leider haben leise, aber mächtige Zensurkräfte verhindert, dass diese Botschaft ankommt.“

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