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Lesetipps: Materialismus macht krank | Heile Bio-Welt? | Nespresso-Müll | Werbevideos | Filmeverschenken

Der Sonntag ist ein prima Tag, um mal wieder ein paar Lesetipps auf Euch loszulassen – also Artikel, die mir in den letzten Wochen positiv aufgefallen sind. Da wäre zunächst „Wie Konsum und Materialsmus unglücklich machen [1]“ von Katharina Tempel. Die oft einseitige Fokussierung auf Marken und Besitz, die uns auch durch Reklame und Medienwelt vorgelebt und eingetrichtert werden, kritisiere ich im Konsumpf bekanntlich seit jeher. Auch wissenschaftlich wurden die negativen Auswirkungen dieser Entwicklung mittlerweile bestätigt:

(…) Materialismus macht krank

Die amerikanischen Psychologen Tim Kasser und Richard M. Ryan haben in einer Vielzahl von Untersuchungen festgestellt, dass Menschen mit sehr materialistischen Werten ein geringeres psychisches und physisches Wohlbefinden aufweisen, als Menschen, denen materialistische Werte weniger wichtig sind. In ihren Studien arbeiten sie mit dem so genannten „Aspiration Index“.  Dieser Fragebogen führt eine Vielzahl verschiedener Ziele auf und bittet die Versuchspersonen anzugeben, welche Ziele wie wichtig für sie sind. Genannt werden u.a. das Bedürfnis nach Sicherheit, nach guten Beziehungen mit anderen Personen, aber eben auch materialistische Werte wie finanzieller Erfolg oder ein hoher Status.

Im Ergebnis zeigte sich, dass diejenigen, für die beispielsweise finanzieller Erfolg ein zentraler Wert war, weniger Selbstverwirklichung und Lebensfreude und mehr depressive Symptome und Ängstlichkeit aufwiesen als Personen, für die gute Beziehungen oder ein gesellschaftlicher Beitrag wichtige Werte waren.

In einer anderen Studie zeigte sich, dass Menschen, die nach Ruhm, Geld und Ansehen streben auch mehr physische Symptome aufwiesen; also häufiger unter Kopfschmerzen, Magenprobleme etc. litten als weniger materialistische Versuchspersonen. Daneben scheint eine stark materialistische Haltung auch die Qualität unserer tagtäglichen Erfahrungen zu verringern, da materialistische Studenten in der Summe weniger positive Emotionen erlebten als Menschen, die sich nicht so viel aus Geld und Besitz machen. Je wichtiger uns materialistische Werte sind, desto geringer ist also unsere Lebensqualität. (…)

Bio-Produkte sind ja im Grunde eine gute Sache und werden von vielen Menschen gekauft, weil sie sich damit etwas Gutes tun wollen und auch der Umwelt nutzen. Leider hat die Entwicklung der letzten Jahre, in denen auch vermehrt Supermärkte und Discounter Biowaren in Massen anbieten, dazu geführt, dass die gleichen Mechanismen, die schon im „normalen“ Einzelhandel und der industriellen Landwirtschaft um sich greifen, also Ausbeutung und Profitmaximierung, nun auch vermehrt hier zu greifen beginnen (man denke bspw. an die Biokette Denn’s). Jens Brehl hat sich in „Hinter den Kulissen der heilen Bio-Welt [2]“ seine Gedanken dazu gemacht. Natürlich ist es sinnvoll, Bio- statt konventionellen Lebensmitteln zu kaufen, nur sollte man daruf achten, wo man dies tut und welche Bio-Siegel hier verwendet werden (Bioland und Demeter haben bspw. sehr viel strengere Richtlinien, auch im sozialen Bereich, als das weichgespültere EU-Biosiegel):

Bio hilft die Welt verbessern, sind sich bewusste Verbraucher sicher. Wenn wir im Supermarkt Bioprodukte in unseren Einkaufswagen legen, beschwingt uns das gute Gewissen einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Umwelt geleistet zu haben. Kein Wunder: Auf den Packungen finden sich Bilder von glücklichen Tieren in heiler Natur, Obst und Gemüse wirken besonders frisch und diverse Biosiegel bürgen für Qualität. Wer jedoch hinter die Kulissen der heilen Bio-Welt schaut stößt schon bald auf Schattenseiten.  (…)

(…) Bei meinem Streifzug durch die Hallen entdecke ich darüber hinaus ökologisch fragwürdige Produkte: eine handvoll Käsescheiben eingeschweißt in Plastik, Fleisch aus Massentierhaltung und Energie-Riegel, deren Zutaten um den halben Globus transportiert werden müssen. Auch der Druck wirtschaftlich immer weiter wachsen zu müssen, sich Marktanteile zu sichern und die Konkurrenz zu verdrängen sind omnipräsent. Das Kulturgut Lebensmittel fällt dem Kommerz zum Opfer. Sind Lebensmittel noch Mittel zum Leben oder reine Massen-Handelsware?

Massive Abhängigkeiten

Schaut man sich die Handelstrukturen einmal näher an, findet man bei Bio vielerorts das Gleich in grün vor. Damit Supermärkte – egal ob konventionell oder Biomarkt-Kette – alle Filialen mit Waren bestücken können, müssen diese in großen Mengen produziert werden. Demnach müssen Landwirte ihre Höfe tendenziell vergrößern und einen hohen Ertrag erwirtschaften. Was häufig folgt sind Monokulturen und Massentierhaltung. Kleinbäuerliche Landwirtschaft passt nicht in das System der großen Zentrallager, Verteiler und Transportketten. (…)

Garantiert nicht nachhaltig und geradezu anti-bio sind diese Kaffee-Kapseln und -Pads, die sich wie eine Pest ausgebreitet haben. Kunden bezahlen für ein Kilo Kaffee das Zigfache, wenn es in einer dieser Aluminumkapseln eingeschweißt und mit einer namhaften Marke versehen ist. Ökologisch ist das natürlich der absolute Wahnsinn – und in diesem Fall auch ökonomisch, zumindest für die Käufer. Die Firmen freut so viel Kurzsichtigkeit. Philipp Weber lässt in „Müll hat einen Namen [3]“ kein gutes Haar an diesem Unfug:

(…) Nestlé kam als erster auf die Idee mit dem portionierten Kaffee – in den Achtzigern. Da war aber die Zeit noch nicht reif, es regierten die Ökos. Wenn da ein Schweizer Großkonzern einen Laden mit Teakholz-Theke in Deutschland aufgemacht hätte, wäre er von Umweltaktivisten in die Luft gesprengt worden. Heute ist das Geschäft mit den Kapseln ein Milliardengeschäft. Klar, portionierter Kaffee passt super in unseren modernen Lifestyle: Der kurze Coffee-Shot für den trendigen Großstadt-Single zwischen Business Meeting und After-Work-Party. Nespresso hat den Kaffee aus dem Joch des Kaffeekränzchens befreit, wo er eingekerkert in Rosenthal-Tassen auf Spitzendeckchen unter dem Gekeife von, von Krampfadern geplagten, alten Schachteln ein kümmerliches Dasein fristete. Ich frage den Verkäufer, was so eine Stange mit Kapseln kostet. „10 Kapseln ungefähr 3,50 Euro!“ Ich überschlage im Kopf: Das heißt also 35 Cent pro Stück. Bei circa 6 Gramm Kaffee pro Kapsel. Das sind… Ich rufe begeistert aus: „Krass, das sind ja nur 60 Euro pro Kilo Kaffee!“ Er strahlt mich an. Ironie versteht er auch nicht.

Sind die Jungs irre? Für 60 Euro bekomme ich wilden, handverlesen Dschungel-Kaffee mit Öko-Premium-Siegel, der so fair gehandelt wurde, dass ein äthiopischer Kaffeesammler seine Kinder in Berlin Theaterwissenschaften studieren lassen kann. Doch eines interessiert mich noch, und ich wende mich dem Verkäufer erneut zu: „Diese Aluminiumkapseln – muss das wirklich sein?“ Ich erheische ein kurzes nervöses Zucken über der linken Augenbraue des Verkäufers. Er meint vorsichtig: „Aluminium ist das beste Material für die Aufbewahrung natürlicher Aromen!“ Ich antworte energisch: „Schon, aber laut eigenen Angaben von Nespresso werden derzeit 12300 Nespresso-Espressi pro Minute getrunken. Bei verarbeiteten 1,1 Gramm Aluminium pro Kapsel, kommt man damit auf 13,5 Kilo in der Minute, 811 Kilo in der Stunde und 19 Tonnen am Tag. Man schätzt, jährlich entstehen durch Nespresso ca. 6000 Tonnen Metallabfall. Das entspricht einem Schrotthaufen, der entsteht, wenn man den Eifelturm zersägt!“ Er sieht mich fassungslos an. Rechnen ist offensichtlich ebenfalls nicht seine Stärke.(…)

Dass so etwas wie die Aluminium-Nespresso-Kapseln millionenfach verkauft wird, kann nur mit dem entsprechend massiven Einsatz von Reklame sichergestellt werden, die die wahren Fakten maximal verschleiern. Das ist natürlich das generelle Konzept jeglicher Produktwerbung – und den Schleier der ganzen vollmundigen Verpsrechen, die einem in Reklamespots entgegenschleimt zu lüften ist auch ein Ziel meines Blogs. Und ich freue mich immer, wenn Reklame auch in anderen Medien mal kritisch hinterfragt wird. Wie beispielsweise in „Pseudo-Handwerkskunst in Werbevideos – Wenn Hanuta wirklich handgemacht wäre [4]“ im Stern. Klar, wirklich kritisch und grundlegend wird hier ans Thema nicht herangegangen. Auch die Tatsache, dass der Verbraucher durch die Werbebranche für blöd verkauft werden soll, bleibt hier unerwähnt. Aber immerhin!

(…) In der Werbebäckerei gibt es keine Fließbänder und industriellen Maschinen, keinen Gestank und keinen Lärm. In der Werbebäckerei gibt es eine sympathische junge Frau, die mit einem Holzlöffel in einer Schale voll “feinherber Kakaocreme” rührt. Sie muss schließlich die “knackigen Haselnüsse aus eigener Röstung” gut unterheben, um die Creme eigenhändig zwischen zwei “knusprig gebackenen Waffeln” zu packen. Und das alles vor den Augen eines begeisterten jungen Mannes, der das Ergebnis dieser feinsten Handwerkskunst hinterher begeistert kosten darf.

(…) Aber müssen hochindustrialisierte Lebensmittelkonzerne immer gleich so dicke auftragen und sich als Könige der Handwerkskunst inszenieren? Die Verbraucherzentrale Hamburg hat sich nun den Spaß gemacht, einmal durchzuspielen, wie es denn aussähe, wenn die Hersteller sich bei der Produktion tatsächlich an ihrer eigenen Werbung orientieren würden. (…)

Zum Abschluss noch ein Artikel zum Thema Urheberrecht aus der Süddeutschen Zeitung. Der Drehbuchautor Fred Breimersdorfer überrascht seine Leser mit der Forderung „Verschenkt meine Filme! [5]“:

Wer Filme im Internet schauen will, landet oft bei illegalen Angeboten. Das liegt auch daran, dass es keine legalen Alternativen gibt. Was also ist zu tun? Zwei radikale Lösungsvorschläge. (…)

Die radikalste ist zugleich die einfachste: Verschenken wir unsere Filme!

Ja, Sie haben schon richtig gehört. Das legale Gratisangebot von Filmen könnte wirklich ein cleveres Geschäftsmodell sein. Wenn die Internetganoven mit Werbung Millionen scheffeln, warum sollte man das Ganze nicht auch rechtmäßig organisieren können? (…)

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