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Lesetipps: Grüne Gentechnik | Ein Monat ohne Handy | Fairphone | Spamindustrie | Rundfunkbeitrag

Okay, diese Meldung kommt für alle, die sich schon länger mit Gentechnik und ihren potentiellen und konkreten negativen Auswirkungen befassen, nicht wirklich überraschend – aber schön, dass die Süddeutsche Zeitung das Thema in die Schlagzeilen hievt: „Studie zu Gengemüse Grüne Gentechnik schadet Umwelt und Landwirten [1]

Gentech-Pflanzen brauchen teilweise mehr Spritzmittel als konventionelle Pflanzen. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie zu sogenannter grüner Gentechnik. Die Folgen für die Umwelt sind demnach verheerend, auch die Landwirte gerieten durch das Gentech-Saatgut unter Druck.

Bei der grünen Gentechnik [2] – oder Pflanzen-Gentechnik, wie sie auch genannt wird – verhält es sich ähnlich wie bei Stuttgart 21: Eine sachliche Diskussion darüber zu führen ist fast unmöglich. Denn selbst das, was Kritiker und Befürworter jeweils als Fakten präsentieren, lässt sich in Wahrheit kaum belegen. Ob beispielsweise gentechnisch veränderter Mais die Gesundheit gefährdet oder nicht, wird wohl noch lange eher eine Frage des Glaubens, denn des Wissens sein. Zwar gibt es Studien, die Risiken nahelegen, doch sind sie alle umstritten und angreifbar.

Dass der Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft aber sehr konkrete und damit belegbare Folgen hat, zeigt eine Studie (hier als pdf), die der Münchner Gentechnik-Experte Christoph Then im Auftrag der Grünen angefertigt hat und die an diesem Freitag veröffentlicht wird [3]. Er hat sich vor allem die USA angesehen, wo die grüne Gentechnik [4] anders als in Europa stark verbreitet ist. Nun ist Then zwar nicht gerade jemand, den man einen neutralen Wissenschaftler nennt. Er wettert im Gegenteil seit Langem gegen diese Art, die Natur zu manipulieren. Das ändert aber nichts daran, dass er Informationen zusammengetragen hat, die einiges aussagen. (…)

Ein interessantes Experiment hat neulich die Sendung quer gestartet – Schülerinnen sollen einen Monat lang (freiwillig) ihr Handy abgeben und so auf dieses für viele schon unverzichtbar gewordene Kommunikationsmittel verzichten. Welche Erkentnisse sich daraus ergeben und ob diese mediale „Entgiftung“ positive Auswirkungen hat, wird man sehen. Ich selbst fühle mich immer sehr erfrischt, wenn ich mal (wenn ich z.B. ein paar Tage in London war) kein Internet und keine E-Mails um mich hatte. „Kalter Entzug. Wie lebt es sich ohne Handy? [5]

Für manche Menschen bestimmt eine herrliche Vorstellung: Vier Wochen ohne Handy. Aber für 14-jährige Mädchen eher eine Horror-Vision. Denn kein Handy bedeutet konkret: Keine SMS, kein Telefon, kein Facebook, kein Twitter – quasi kein Kontakt zur “Außenwelt”. Eine Mädchen-Schulklasse aus Ortenburg bei Passau probt den Feldversuch, gibt für einen Monat die Handys ab. quer begleitet die Mädchen durch diese (schwere) Zeit.

Apropos Handy – für viele ja inzwischen fast schon ein Wegwerfprodukt, das man bedenkenlos alle paar Monate gegen ein neues Modell austauschen kann/muss, ist die Produktion dieser mobilen Endgeräte in der Regel mit großen Umweltschäden und auch der Ausbeutung von Menschen verbunden und von daher moralisch mit großen Makeln versehen. Bisher jedenfalls. Schon seit längerem wird versucht, ein sog. „Fairphone“ zu entwickeln, das so schonend wie möglich produziert wird. Wie u.a. der Blog Toms Wochenschau berichtet, gibt es nun tatsächlich ein erstes marktfähiges Modell, das zwar immer noch nicht ohne bedenkliche Inhaltsstoffe auskommt, aber doch ein Schritt in die richtige Richtung darstellt. „Gegen das Blut im Smartphone: Fairphone [7]“:

Wer sich ein Smartphone ans Gehör hält, müsste eigentlich Blut am Ohr haben, weniger wegen dem nervigen Gelaber des Gesprächspartners, welches Ohrenbluten verursacht, eher wegen der Blut-Mineralien, die das Gerät enthält. Zum Beispiel Kupfer und Kobalt, Rohstoffe, die in den Minen der Republik Kongo zu menschenverachtenden Arbeitsbedingungen abgebaut werden. Die Minen werden größtenteils von so genannten “Rebellen” die nichts anderes als Warlords sind, kontrolliert. Mit dem Erlös werden mitunter Kriege finanziert, die weiteres Leid verursachen. Hinzu kommt noch mehr Elend bei der Produktion der Mobiltelefone, die in asiatischen Arbeitshöllen [8] stattfindet.

Sehr kritisch zu sehen ist nicht nur Herkunft der Handy-Rohstoffe und die sozialunverträgliche Produktion, sondern auch die geplante Obsoleszenz, welche die Lebensdauer von Smartphones vor allem dadurch begrenzt, dass sie Reparaturen unwirtschaftlich macht, weil defekte Bauteile oder Module nicht mehr einzeln ausgetauscht werden können, oft kann nicht einmal mehr ein schadhafter Akku ersetzt werden, geschweige denn ein zerstörtes Display. Allein in Deutschland sollen c.a 110 Millionen noch aktivierte Mobiltelefone im Umlauf sein, hinzu kommen die bereits ausrangierten. Obwohl diese Elektrogeräte recht klein sind, mag ich mir den Müllberg nicht vorstellen. Hier schließt sich dann der Kreis des Leidens, weil unser Elektroschrott teilweise auf offenen Müllkippen in Westafrika landet, wo Menschen zwischen Gift und Gestank mühsam versuchen noch verwertbare Rohstoffe wieder herauszufriemeln.

Die Niederländische Resonanz auf diese Ausbeutung heißt Fairphone. Ein Android-Smartphone, welches zu Fair-Trade-Konditionen hergestellt werden soll. Einer der Macher des Amsterdamer Entwicklerteams Bas van Abel sagt, dass die Produktion zu 100% fairen Bedingungen noch nicht möglich sei, dazu müsste man erst sämtliche Probleme dieser Welt lösen. Die Grundprinzipien des Fair Trade, bedachte Auswahl der verwendeten Materialien, gerechte Löhne und Arbeitsbedingungen, sollen aber soweit wie möglich realisiert werden. Dabei soll auch mit NGOs zusammengearbeitet werden, um möglichst nur Rohstoffe zu verwenden, die konfliktfrei sind. Das Fairphone soll so konstruiert werden, dass es reparabel ist.  Die Markteinführung ist für Herbst dieses Jahres geplant. Der Preis voraussichtlich etwa 250-300 Euro. Schon jetzt sickerte durch, dass es mit den Platzhirschen der Branche, nämlich Apple und Samsung technisch nicht mithalten kann. Das Joint Venture mit Vodafone sehe ich skeptisch, aber Bas van Able meint, man müsse das System von innen heraus verändern. Ob sich das FairPhone auf dem Markt etablieren kann, hängt letztlich vom Verhalten des Konsumenten ab. Erst wenn dieser beginnt sich für die Produktionsbedingungen mehr zu interessieren, als dafür wo man die besten köstenlosen Apps herbekommt, kann die Story erfolgreich werden. Das Fairphone könnte mein erstes Smartphone werden,…

Apropos Ausbeutung – völlig absurd finde ich diese Meldung der taz über Billigarbeiter in der „Spamindustrie“, also Menschen, die den ganzen Tag nichts anderes machen, Captchas im Netz zu lösen, damit die dahinter stehenden Firmen ihren Reklamespam absondern dürfen. Was für eine kranke Welt… „Billigarbeiter in der Spamindustrie – Werbung aus dem Sweatshop [9]

Captchas sind Rätsel, die kein Computer lösen kann und Spammails verhindern sollen. Doch die Spamindustrie weicht geschickt aus: Sie nutzt Billigarbeiter aus Asien.

(…) Mit Spammails kann viel Geld verdient werden. Wieviel es genau ist, ist unbekannt, aber Forscher der University of California und des International Computer Science Institute haben eine Schätzung erstellt [10]. Indem sie ein Netzwerk von kompromittierten Rechnern infiltrierten und echte Spammails manipulierten, fanden sie heraus, dass 350 Millionen Spammails zu gerade einmal 28 Verkäufen [11] führten – von denen aber jeder einzelne Kunde etwa 100 Dollar ausgab. „Offenbar schaffen es die Spammer, ihre Kosten niedrig zu halten“, kommentiert Studienautor Geoffrey Voelker das Ergebnis.

Captchas sollen die Kosten erhöhen und sind Teil eines digitalen Wettrüstens zwischen Spamverschickern und Spamjägern. Um die inzwischen zum Standard gewordenen Spamfilter zu umgehen, setzen die Verschicker häufig auf glaubwürdige Mailkonten, beispielsweise jene von Google. Da Spammer meist Tausende Mails innerhalb kurzer Zeit versenden, beschränken Webmailanbieter meist die Anzahl der Nachrichten, die verschickt werden dürfen.

Die Lösung? Mehr Konten, am besten automatisch von Computerprogrammen generiert. Die Lösung dagegen? Captchas, die das verhindern. Und dann kommen Menschen wie Jainal Abedin ins Spiel. (…)

Apropos Medien – na, auch schon total über die schlimme neue Rundfunkabgabe aufgeregt? Ist ja grad der angesagteste Sport in gewissen Medien, aber auch der Blogosphäre. Man könnte den Eindruck haben, dass es keine wichtigeren Probleme gibt und als ob es diese „Zwangssteuer“ (wie ein Journalist schrieb – im Gegensatz zu der Freiwilligkeit, die Steuern ja sonst bedeuten ;-) erst seit dem 1.1.2013 gäbe. Klar gibt’s am öffentlich-rechtlichen System so einiges zu kritisieren – keineswegs müssen Jauchs und Gottschalks mit Millionengagen gepampert werden, keineswegs müssen Fußballrechte für Unsummen erworben werden, keineswegs muss sich das Programm so sehr an den Quoten orientieren und deshalb den Schund der Privatsender imitieren. Auch die aufgeblähten Sendeanstalten und monströsen Strukturen sind zu hinterfragen. Und wieso werden mutige, neue Sendeformate in die Spartensender verschoben oder zu nachtschlafener Stunde ausgestrahlt? Daran, dass alle Bürger sich an Medien beteiligen (müssen), die eine gewisse Grundversorgung mit (kritischen!) Informationen und Berichten, auch anspruchsvoller Unterhaltung, bieten, finde ich nichts Schlimmes. Und allen, die meinen, dass die Privatsender ja kostenlos seien – mal darüber nachgedacht, wie sich RTL & Co. finanzieren? Über Reklame. Mit Milliardenbudgets der Konzerne. Und wie werden diese Milliarden wieder reingeholt? Über den (höheren) Preis der beworbenen Produkte. D.h. jeder, der Sachen der werbetreibenden Firmen kauft, zahlt eine Art versteckte „Rundfunkgebühr“ mit, für die er dann den Müll bekommt, den diese Sender eben so in den Äther kippen. Ein Grund mehr, diese Produkte nicht zu kaufen, nebenbei bemerkt. Stefan Niggemeier beleuchtet jedenfalls die aktuelle Kampagne des Handelsblatts gegen die neue Rundfunkgebühr – „Das »Handelsblatt« gegen ARD und ZDF: Wenn Ahnungslose Kampagnen machen [12]“:

Ein Dossier bläst auf zehn Seiten annähernd alles, was der Medienredakteur Hans-Peter Siebenhaar in den vergangenen Tagen und Jahren schon über ARD und ZDF ins »Handelsblatt« sowie in sein Buch »Die Nimmersatten« geschrieben hatte, noch einmal neu auf und schafft damit das Kunststück, selbst das Sommerprogramm des Hessischen Fernsehens an Wiederholungen zu übertreffen.

Es recycelt erneut eine angebliche »Studie« für den Autovermieter Sixt, wonach die Gebühreneinnahmen von ARD und ZDF durch die neue Haushaltsabgabe um 1,6 Milliarden Euro jährlich steigen. Sixt hatte im Oktober 2010 [13] ein zufällig vorbeikommendes Milchmädchen gebeten, das zu errechnen. Seitdem wird die Zahl vom »Handelsblatt« und anderen Gegnern von ARD und ZDF benutzt, eine Gebetsmühle anzutreiben. Dass seriöse Schätzungen dieser Zahl widersprechen und nachvollziehbar erläutern, warum sie sich nicht so leicht errechnen lässt wie es Sixt behauptet, erwähnt das »Handelsblatt« ebenso wenig wie die Tatsache, dass ARD und ZDF diese Einnahmen, wenn sie wider Erwarten tatsächlich realisiert würden, nicht behalten dürften. (…)

Immerhin ist mir nach dem Lesen dieser zehn Seiten klar geworden, warum das »Handelsblatt« sich so ausdauernd an den Öffentlich-Rechtlichen und ihrer neuen Finanzierung abarbeitet: nicht nur aus ideologischen Gründen, wegen des Konkurrenzverhältnisses, aus Neid, Populismus oder weil es nichts kostet (vor allem keine Recherche). Offenkundig gehören die Leute, die im »Handelsblatt« übers Fernsehen schreiben, zu denen, die nie Fernsehen schauen und jetzt trotzdem zahlen müssen. (…)

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