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Labernde Köpfe statt echter Meinungsbildung

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© kovik, sxc.hu

Okay, ich gestehe jetzt etwas ganz Furchtbares, mit dem ich meine Reputation (so ich denn eine hätte) auf Jahre hinaus beschädigen dürfte – es gab eine Zeit, da habe ich gerne politische Talkshows gesehen, sogar „Hart aber fair“! Gerade in der Zeit des Beginns der sog. „Finanzkrise“ (die sich dann, wenig überraschend – außer für die meisten Teilnehmer besagter Gesprächsrunden – zur „Wirtschafts-“, sogar zur „Systemkrise“ entwickelte) war es durchaus für eine Weile ganz interessant zu sehen, wie die neoliberalen Dampfplauderer in die Defensive gerieten und ihre über Jahre hinausposaunten Rezepte „Wachstum“, „Deregulierung“, „Der Markt hat immer Recht“ plötzlich (vorsichtig) in Frage gestellt wurden. Aber kaum war der erste Schock überwunden (so 2008, 2009), kehrte wieder die übliche Gesprächs„kultur“, das Schema F in diese Shows ein.

Im Prinzip reicht ein Blick auf die Teilnehmerliste (die sich in der Regel auch nur gering von denen der anderen Talkrunden unterscheidet – es gibt nur eine Handvoll, von den Parteien möglicherweise dazu auserkorener, Figuren, die ihre Meinung prominent überall präsentieren darf) und man weiß schon ziemlich genau, wie der Hase in den folgenden 45 Minuten laufen wird. Debattant 1 vertritt These 1, der Debattant von der „gegnerischen“ Partei das „Gegenteil“, dann wird der eine dem anderen irgendwann vorwerfen, dass seine Zahlen nicht stimmen und eigentlich alles ganz anders sei, ein anderer Teilnehmer will plötzlich von dem, was er noch vor einer Weile vertrat, nichts mehr wissen und tritt mit der gleichen, für den Zuschauer überzeugend wirkenden, Emphase für etwas ganz anderes ein, und am Ende hat jeder dem anderen etwas an den Kopf geworfen und jegliche Erkenntnis bleibt auf der Strecke, dafür fühlt sich jeder der Labertaschen als der eigentliche Sieger. (Eine Einschränkung muss ich hinsichtlich der Talkrunden machen, in denen nur zwei, manchmal sogar nur ein Talkgast eingeladen ist – dort läuft es manchmal ETWAS interessanter ab, aber im Grunde oft genug auch ohne echten Erkenntnisgewinn für den Zuschauer.)

Aktuelles Beispiel: Aus Versehen habe ich vor ein paar Tagen für ein paar Minuten die Maischberger-Talkshow eingeschaltet. Gäste waren der neoliberale Phrasenroboter Olaf Henkel, Joffe vom Stern, Klaus Kleber, dazu der Alibi-Rebell Heiner Geißler (dessen soziale-marktwirtschaftskonformes Mahnen sich immer gut in so einer Runde macht) und eine Dame, die in der ganzen Zeit, die ich die Sendung sah, nicht zu Wort kam. Thema war wohl Kritik am Kapitalismus o.ä., das ist aber hier jetzt auch egal. Frau Maischberger warf irgendwann ganz devot einen perfekten Spielball für die Gäste ins Rund, indem sie fragte, ob nicht an den hohen deutschen Umweltstandards die Welt genesen könne, also ob das nicht die Lösung wäre, wenn man diese überall hin exportiere. Henkel sprang hocherfreut auf diese Vorlage an, lobt nochmal die Umweltliebe und Modernität der deutschen Wirtschaft – und so ging es dann eine Weile weiter.

Faszinierenderweise kam niemand der Anwesenden auf den naheliegenden Gedanken, dass a) die so noble, fortschrittliche deutsche Industrie nur gegen intensiven Widerstand z.B. auch durch das Wirken der Grünen, überhaupt mal dazu gebracht wurde, Rücksicht auf die Umwelt zu nehmen; wie der gerade angelaufene Film „More than honey“ zeigt, zerstört auch deutsche Industrie und Landwirtschaft munter weiter die Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen. Und b) können sich deutsche Firmen nur deshalb als „Saubermänner“ aufspielen, weil ein Großteil der dreckigen Anteile an der Produktion in andere Länder, nach Osteuropa oder Asien ausgelagert wurde! Und auch viele der ganz besonders schmutzigen, umweltzerstörerischen Anteile an „moderner“ Industrieproduktion, nämlich die Rohstoffgewinnung (Öl etc.), weit weg von hier stattfindet. Würden tatsächlich deutsche Umweltstandards überall eingeführt und eingehalten werden sollen, wären die deutschen Firmen doch die ersten, die dagegen angingen, weil nämlich die Grundlage der globalisierten Wirtschaft (billig produzieren, gerne weit weg) zusammenbräche. Auch der an seine billigen Preise gewohnte deutsche Konsument würde mit den Ohren schlackern, müsste er plötzlich faire Preise bezahlen, also solche, die die Schäden an Mensch, Tier und Umwelt ernsthaft berücksichtigen. Von daher war diese Diskussion an Verlogenheit kaum zu überbieten, und sie lullte den Zuschauer eben mit dem Hohelied auf die deutsche Wirtschaft wohlig ein, ohne Hintergründe auszuleuchten.

Was ich mir immer mal gewünscht hätte in so einer Politshow, ist, dass dann immer einer der Teilnehmer etwas behauptet, was auf wackeligen Füßen steht oder im Widerspruch zu seinen sonstigen Aussagen steht, der Moderator unterbricht, diesen Fakt nachprüfen lässt und das Ergebnis dann mitteilt. Da wäre dem Gelaber ein gewisser Riegel vorgeschoben, aber natürlich würde sich kein Politiker gerne solch einem Faktencheck stellen, so dass das Konzept von vorneherein zum Scheitern verurteilt ist. In der letzten ZDF heute show gab es immerhin eine kleine Sternstunde zu beobachten – Kubicki von der FDP war zu Gast und wurde von Olli Welke befragt und zwar, weil es ja eine Comedyshow ist, wirklich mal bohrend und frech. Leider durfte sich Kubicki, eben weil es ja eine Comedyshow ist, auch wieder elegant rausreden, aber es schimmerte für einen kurzen Moment Potential durch. Es gibt ja jetzt auch diese neue Politik-Show mit Stefan Raab, aber nachdem ich das Interview in der Zeit mit ihm gelesen hatte („Ich bin erfolgreich, weil ich keine Angst habe [2]“), war ich bedient und habe mir den Kram geschenkt, da hier wohl Politik noch weiter auf den Showeffekt reduziert und somit weiter amerikanisiert und verwässert wird. Von daher wird es wohl dabei bleiben, dass diese Polit-Sendungen reine Unterhaltung darstellen für Menschen, denen Frauentausch und der Bachelor zu peinlich sind. ;-)

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