Es ist schon eine Weile her, dass ich hier im Blog ein paar kritische Worte zum Treiben auf den Finanzmärkten geschrieben habe – die Sendung quer im Bayerischen Fernsehen gibt mir mit ihrem Beitrag „Kein Ende der Gier – sind die Banken noch zu retten?“ einen gelungenen Anlass, hier mal wieder einzusteigen. Klar, der Ansatz mit den „gierigen Bankern“ ist natürlich viel zu kurz gegriffen und lenkt auch davon ab, dass wir alle in diesem System dazu beitragen (z.B. auch über Rentensparen etc.), dass der Profit über alles gestellt wird. Der eine auf einer kleineren Ebene, der andere im internationalen Handel. Dennoch, das Treiben der Banken und „der Märkte“ sollte weiter kritisch beäugt werden:
Die Nachricht vom 100-Milliarden-Rettungsschirm für spanische Banken hat die berüchtigten “Märkte” nur kurz beruhigt. Inzwischen wetten Investoren auf die Pleite Spaniens und Italiens. Statt aus den Spekulationskatastrophen zu lernen, kehren die geretteten Banken längst wieder ungeniert zur alten Gier-Mentalität zurück. Dabei versprechen die Politiker seit der Finanzkrise, die Banken an die Kette zu legen. Doch statt durchgreifender Reformen gibt es Parteiengezänk um die Finanztransaktionssteuer.
Passend zu diesem Finanzthema ist auch eine dräuende Geschichte, die uns diese Woche isn Haus steht – die Abstimmung über den sogenannten Fiskalpakt bzw. ESM-Vertrag. SPD & Grüne haben schon ihre Zustimmung signalisiert, somit steht zu befürchten, dass die Entmachtung der nationalen Parlamente weiter voran schreitet. Warum das keine so gute Idee ist, erklärt Attac auf einer eigenen Kampagnenwebsite www.fiskalpakt-stoppen.de:
Der “Europäische Stabilitätsmechanismus” (ESM) wird als “Rettungsschirm” für notleidende, hoch verschuldete EU-Staaten propagiert. Nichts könnte weiter von der Wirklichkeit entfernt sein.
De facto ist der ESM ein von den EU-SteuerzahlerInnen, also der breiten Masse der Bevölkerung, finanziertes Instrument, um abzusichern,
- dass für die Gläubiger hoch verschuldeter EU-Staaten (in der Regel große Banken, Vermögensbesitzer und Konzerne) das Verlustrisiko minimiert bzw. die Renditen gesichert werden
- dass die gewählten Parlamente in jenen Staaten entmündigt werden, die in der Währungsunion niederkonkurriert wurden.
EU-Binnenmarkt und Währungsunion berauben vor allem die schwächeren Staaten jener Instrumente (Kapitalverkehrskontrollen, Währungsabwertung), um ihre Binnenwirtschaft zu schützen und zu entwickeln. Nach der Niederlage im Handelskrieg kommt die Überschuldung – und dann als “Rettung” der ESM, der die Menschen drakonischen Sozial-, Lohnabbau- und Privatisierungsprogrammen unterwirft. Zum Schaden können sie sie auch noch den Hohn gefallen lassen, als “Faulenzer” und “Bittsteller” vorgeführt zu werden.- dass ein kleinster Kreis von Regierungsvertretern und Technokraten abseits demokratischer Kontrolle die Verfügungsgewalt über riesige Finanzmittel bekommt, um eine neoliberale Wirtschaftsdiktatur in der EU zu festigen und zu vertiefen. Über die Bande deregulierter Finanzmärkte wird EU-Europa in eine deutsch geführte Hierarchie gepresst.
Die Frankfurter Rundschau kommentiert die zu befürchtende Zustimmung der SPD zu diesem Vertragwerk wie folgt – „Forscher warnt die SPD“:
Wenn die SPD dem Fiskalpakt zustimmt, schafft sie die Voraussetzung für die Vollendung des neoliberalen Projekts in Europa. Damit würde sie den größten Fehler der Nachkriegszeit begehen, Hartz IV ist dagegen eine Lappalie.
Stefan Wehmeier
“Dass Schuldenaufnahmen nur möglich sind, wenn ein anderer Geld übrig hat und zum Verleih bereit ist, kann als bekannt vorausgesetzt werden (nur nicht bei denen, die an das Hirngespinst einer “Geldschöpfung der Geschäftsbanken” glauben). Weniger bekannt ist dagegen, dass die leihweise Aufnahme solcher überschüssiger Geldmittel nicht nur möglich, sondern in jeder Volkswirtschaft zwingend notwendig ist! Denn ohne die Rückführung über Kredite in den Kreislauf würden sie als Kaufkraft in der Wirtschaft fehlen. Als Folge käme es zu Unterbrechungen des Geldumlaufs und damit, in Höhe der Ersparnis, zu Nachfrageausfällen.
…Normalerweise werden solche Ersparnisbildungen durch die Kreditaufnahmen anderer Wirtschaftsteilnehmer geschlossen, vor allem über Investitionen der Unternehmen. Gehen jedoch die Ersparnisbildungen über deren Bedarf hinaus, dann versucht man – nicht zuletzt durch exzessive Ausweitungen der Werbung – die Privathaushalte zum Kauf auf Pump anzuregen, wie das bereits in den 1960er Jahren zunehmend der Fall war. Da aber auch dieser Ausweg seine Grenzen hatte und die Geldvermögen immer rascher zunahmen, blieb schließlich nur noch der Staat zur Schließung des Kreislaufs übrig.
…Die Staaten sind also, nach den Gesetzmäßigkeiten unseres heutigen Geldsystems, in Fällen überschüssiger Ersparnisbildungen zur Ausweitung ihrer Schulden gewissermaßen gezwungen. Und das heißt im Umkehrschluss, dass die Staaten in unseren Tagen ihre Schuldenaufnahmen nur dann abbremsen oder gar herunterfahren können, wenn Unternehmen oder Privathaushalte ihre Kreditaufnahmen ausweiten würden. Geschieht dies nicht im ausreichenden Umfang, dann versuchen die Besitzer dieser weiter wachsenden Vermögensmassen schließlich, ihre Gewinne über fragwürdige Finanzanlagen und Spekulationsgeschäfte hereinzuholen. Welche Folgen das wiederum hat, haben wir in den letzten zehn Jahren erlebt. Daraus ergibt sich, dass ein wirkungsvolles und unproblematisches Abbremsen der ständig wachsenden Schulden nur dann möglich wäre, wenn dies bei den Geldvermögen vorausgehen würde. Und das heißt wiederum, wenn man jenen Vermehrungs-Automatismus dieser Geldvermögen, der aus dem Zins- und Zinseszins-Effekt resultiert, anstatt der Schuldenzunahme abbremsen würde. Ein Abbau, der sich automatisch einstellt, wenn man, über einen geregelten Umlauf des Geldes, für ein marktgerechtes Absinken der Zinssätze und – in gesättigten Volkswirtschaften – deren Pendeln um die Nullmarke sorgt.”
Helmut Creutz (aus HUMANE WIRTSCHAFT 02/2012)
Im Mittelalter hat man daran geglaubt, dass die Sonne sich um die Erde dreht. Nur weil wir daran heute nicht mehr glauben, ist das zivilisatorische Mittelalter (Zinsgeld-Ökonomie) noch nicht überwunden:
http://opium-des-volkes.blogspot.de/2011/07/die-ruckkehr-ins-paradies.html
Oeconomicus
Verfassungsbeschwerde der Prof.Hankel et.al – Kundgebung am 30.06. in Karlsruhe
am Samstag, 30. Juni 2012 werden die Beschwerdeführer Prof. Dr. Wilhelm Hankel, Prof. Wilhelm Nölling, Prof. Dr. KA Schachtschneider und Dr. Bandulet eine Verfassungsbeschwerde gegen die zu erwartende ESM-Entscheidung in Bundestag und Bundesrat um 11:20h beim BVerfG übergeben.
Im Anschluss (ab 12:00h) findet am Friedrichsplatz in Karlsruhe eine Kundgebung, organisiert durch den Landesvereinigung BW der FREIEN WÄHLER statt.
Dort werden die Beschwerdeführer ihre Positionen in kurzen Vorträgen erläutern und Publikumsfragen beantworten.
Klingt alles nach einer spannenden Veranstaltung!
Presse-Erklärung
Landesvereinigung FREIE WÄHLER Baden-Württemberg
http://fortunanetz-forum.xobor.de/t85f2-Verfassungsbeschwerden-gegen-EFSF-und-ESM.html#msg1152
biedermannunddiebrandstifter
Sehr gut gefällt mir, wie Stephan Schulmeister über die Selbstentmündigung der Politik spricht und über die Personifizierung des Marktes, davon, wie von Märkten gesprochen wird, wie wenn die ein Wesen wären… mit Gefühlen und so.
Diese Vorstellung von Welt ist mittelalterlich. Früher war es halt ein Gott, der alles bestimmte, heute sind es die Märkte. Wäre schön, wenn man in der Politik eine reifere Position einnehmen könnte.
Aber vielleicht reden die Schlitzohren da oben nur so, weil sie glauben, die “breite Masse” lasse sich so besser hinters Licht führen? (weil der Mensch im Grunde immer noch recht autoritär tickt)
dietmar baldtiger
Was passiert wenn wir die weltweiten Schulden mit den Pluskonten addieren? Wir gehen davon aus, dass NULL heraus kommt.
D.h. unser System funktioniert so: Es kann nur Reiche geben, wenn es gleichzeitig Arme gibt, sonst geht es nicht!!! Nachdem die sogenannten Drittländer schon ausgeblutet sind, müssen eben die Randeuroländer herhalten, ganz klar. Man überlege nur den deutschen Export (Maschinen, Waffen, etc.) nach Griechenland. Was, wenn die bei uns nix mehr kaufen?
Letztendlich geht es hier nicht um den EURO, sondern um unser WIRTSCHAFTEN (Wirtschaftssystem) und da sind sich doch alle einig: Es soll bleiben wie es ist!
Guter Beitrag über unsere Euro-Architekt hier:
http://www.ossietzky.net/13-2012&textfile=1914