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Lesetipps: Zwangsbeschallung | Deutschland wird amerikanischer | Lernatlas | Gier nach Soja | Kopp

Also erst einmal ein frohes neues Jahr all meinen Lesern – ich hoffe, Ihr seid gut in 2012 gelandet. Relativ unspektakulär möchte ich das Jahr mit einigen Lesetipps beginnen, die mir in der letzten Zeit ins Auge stachen. Beispielsweise der Artikel „Deutschland wird immer amerikanischer [1]“ aus dem Spiegel. Nein, es geht nicht um die weitere Ausbreitung amerikanischer Filme und Serien oder anderer Produkte und Konsummuster – die ist ja schon so weit vorangeschritten, das man sie nicht mehr gesondert kommentieren muss. Autor David Böcking bezieht sich hier eher darauf, dass die soziale Ungleichheit ganz nach US-amerikanischem „Vorbild“ auch hierzulande immer stärker zunimmt:

Das oberste Zehntel der Bevölkerung verdient achtmal so viel wie das unterste: Laut einer OECD-Studie haben die Einkommensunterschiede in Deutschland so stark zugenommen wie in kaum einem anderen Industrieland. Die soziale Kluft nähert sich damit den Verhältnissen in den USA an.

(…) Spitzenplätze in Ranglisten der OECD sind normalerweise ein Grund zur Freude. Doch in einer neuen Untersuchung der Industrieländer-Organisation nimmt Deutschland eine wenig schmeichelhafte Top-Position ein: Demnach ist die Ungleichheit bei der Einkommensverteilung unter deutschen Arbeitnehmern stärker gewachsen als in den meisten anderen OECD-Ländern. (…)

Der wichtigste Grund ist die unterschiedliche Entwicklung der Löhne und Gehälter. So stieg das reale Haushaltseinkommen der untersten zehn Prozent in Deutschland zwischen Mitte der achtziger Jahre und Ende des vergangenen Jahrzehnts jährlich um gerade einmal 0,1 Prozent. Die oberen zehn Prozent verbesserten sich dagegen um durchschnittlich 1,6 Prozent. Zum Vergleich: In Frankreich betrug die Veränderung beim unteren Zehntel 1,6 Prozent, beim oberen 1,3 Prozent. (…)

Passend dazu gehen die NachDenkSeiten kritisch auf die Ergebnisse des „Deutschen Lernatlas“ ein, der von der Bertelsmann Stiftung gefördert wird und dessen zum Teil sehr dubiose Aussagen von deutschen Medien wie dem Spiegel gerne (unkritisch) verbreitet werden – „Der Spiegel vermarktet die Bertelsmann Stiftung – ‚Deutscher Lernatlas‘ stellt den Zusammenhang von Bildung und Wohlstand auf den Kopf [2]“:

„Wo die klugen Deutschen leben“, das ist die Titelgeschichte des aktuellen Spiegels [3]. Und diese Geschichte beherrschte gestern die Schlagzeilen. Den ganzen Tag über konnte man in den Nachrichtensendungen und Nachrichtenagenturen vernehmen: „Deutliches Bildungsgefälle in Deutschland“ oder „Deutliches Süd-Nord-Gefälle [4]“.
So entstehen Schlagzeilen: Der Spiegel – nach wie vor eine der maßgeblichen medialen Entscheidungsinstanzen dafür, welche Nachrichten in anderen Medien verbreitet werden – bekommt „exklusiv“ ein paar Tage vor Veröffentlichung durch die Bertelsmann Stiftung selbst deren neueste „Studie“ [PDF – 10 MB] [5] vorab zugeschanzt und macht mit einer reißerischen Schlagzeile auf – und nahezu alle anderen Medien schreiben ab und übernehmen die Botschaft blind. (…)

Für diese Vermischung von PR und Journalismus, liegt der Grund ziemlich nahe: die Bertelsmann AG hat 74,9 Prozent der Anteile am größten europäischen Magazinhaus Gruner + Jahr und G+J hat wiederum eine Sperrminorität von 25,25 Prozent beim Spiegel-Verlag. So wäscht eben eine Hand die andere, der Spiegel erhält eine reißerische und auflagensteigernde Exklusiv-Meldung und die Bertelsmann Stiftung kann ihr Image als Bildungsförderer aufpolieren.

Dass diese „Bildungs-Studie“ steuerbegünstigt aus den Gewinnen des Bertelsmann Konzerns finanziert wurde, ist dem Spiegel natürlich nicht einmal einen Nebensatz wert. Selbstverständlich gibt es auch keinen Hinweis darauf, dass die Bertelsmann-TV-Tochter, RTL, mit rund 300 Millionen Euro drei Viertel zu den Mehreinnahmen und damit den Löwenanteil zum Gewinn des Mutter-Konzerns von 665 Millionen Euro beitrug [6]. (…)

Da plädiert die Stiftung für „soziales und persönliches Lernen“ und ihr Finanzier, der Konzern, verdient dreistellige Millionenbeträge an einem Schmuddel-Sender. Dessen Erfolgsrezept besteht nun wirklich nicht in der Förderung von „sozialem und persönlichem Lernen“. Im Gegenteil, die Einschaltquoten speisen sich überwiegend aus Gewalt darstellenden oder aus halbseidenen Filmen, vor allem aber aus täglichen sog. Doku-Soaps in denen Kindern und Jugendlichen asoziales Verhalten geradezu gelehrt wird. Durch verdummenden Fernsehkonsum der RTL-Programme werden junge Menschen vom „persönlichen und sozialen Lernen“ gezielt abgehalten. (…)

Bertelsmann und dem Spiegel gelingt es den Zusammenhang von Bildung und Wohlstand von den Füßen auf den Kopf zu stellen. Nicht der Wohlstand ist eine gute Voraussetzung für Bildung, sondern umgekehrt: Es wird Lernen „als Mittel zum Zweck“ betrachtet, als die Möglichkeit, „das soziale und wirtschaftliche Wohlergehen“ einer Region zu steigern. Motto: Ihr Schülerinnen und Schüler im Ruhrgebiet lernt und bildet euch besser, geht in die Bergmannskapellen und in die Freiwillige Feuerwehr oder wenigstens in den Kirchenchor, dann könnt ihr Eure Region wieder vorwärts bringen und „glücklich und reich“ werden. (…)

Um viel Getöse im direkten Sinne geht es auch bei der österreichischen Initiative Beschallungsfrei [7] – denn moderne Reklame und Marketing behelligen die Bürger nicht nur mit ihren visuellen Zumutungen, indem der gesamte öffentliche Raum mit Werbebotschaften zugepflastert wird, sondern sie nervt auch mit Dauerberieselung in Kaufhäusern und Supermärkten, der man kaum entkommen kann (es sei denn, man bleibt zu Hause). Im Auftragselfe-Blog wurde ich auf die löbliche Aktion gegen diese Zwangsbeschallung aufmerksam gemacht – „Zwangsbeschaller 2011 [8]“:

Musik ist wunderbar, aber muss sie überall sein? Vor allem sollte selbst gewählt werden können, wann man welche Musik hören möchte. Da wir die Ohren nicht verschließen können, sind wir zum Hören verurteilt – und müssen an vielen Orten Musik hören, die uns nicht gefällt und um die wir nicht gebeten haben. Was wäre, wenn wir täglich ungebetenerweise so viel in den Mund gestopft bekommen würden wie in die Ohren?

  • Beschallung ist keine Selbstverständlichkeit, und niemand hat das verbriefte Recht, Sie mit Hintergrundmusik zu beschallen.
  • Jede Form von Zwangsbeschallung ist ein Akt der Bevormundung – sowohl prinzipiell als auch unseren Geschmack betreffend.
  • Wird auf die Wehrlosigkeit unserer Ohren bewusst zur Manipulation mit Musik eingesetzt, ist das eine Verletzung unserer körperlichen Souveräntität und damit an der Grenze zur Menschenrechtsverletzung.
  • Dauerbeschallung macht nachweislich krank. Das Verschwinden von Ruhezonen und Ruhezeiten ist Hauptursache für die rapide Verbreitung von Hörproblemen.
  • Dauerbeschallung trägt zur Reizüberflutung bei, unter der besonders unsere Kinder leiden. Diese Reizüberflutung ist ein Mitauslöser von Konzentrationsschwächen und Hyperaktivität.

Eigentlich sollte es mittlerweile allgemein bekannt sein (zumindest bei den Stammlesern meines Blogs), dass Fleischkonsum der Umwelt erheblichen Schaden zufügt (vom Leid der Tiere mal ganz zu schweigen), insbesondere dadurch, dass für die Fütterung der Tiere gewaltige Mengen an vor allem Soja angebaut und durch die halbe Welt geschippert werden müssen. Dennoch ist es wohl noch nicht überall angekommen, von daher sind Artikel wie der von Dirk Asendorpf  in der ZEIT nach wie vor wichtig zur Aufklärung des angeblich so mündigen Konsumenten – „Unsere Gier nach Futter – Das Beispiel Soja: Wie Europas Appetit auf Fleisch globale Umweltschäden verursacht [9]“:

(…) Gleichzeitig werden in Europa aber kaum noch Eiweißpflanzen angebaut. Einheimische Hülsenfrüchte wie Erbsen, Ackerbohnen oder Lupinen sind teurer und als Tierfutter nicht so gut geeignet wie Soja. Die Sojabohne hingegen wird in Europa einzig in Italien und Rumänien in größeren Mengen geerntet. Die EU deckt ihren Bedarf an Eiweißpflanzen zu 80 Prozent aus Importen. Diese »Eiweißlücke« der Europäer stellt ein massives globales Problem dar.

In den USA, dem größten Erzeuger und Exporteur, wächst genveränderte Soja in riesigen Monokulturen, die mit Millionen Hektolitern Herbiziden wie Roundup unkrautfrei gehalten werden. In Brasilien hat der Sojaboom zum Abholzen von mehr als einer Million Hektar Regenwald geführt [10]. Und in Europa fehlen heute die Hülsenfrüchte (Leguminosen). Früher waren die Leguminosen sehr wichtig, weil sie Stickstoff aus der Luft aufnehmen und im Boden lagern. Das erspart Mineraldünger – und verbessert nebenbei die Klimabilanz. So könnten Leguminosen den Ausstoß an Treibhausgasen um fast zwei Drittel senken. Bloß werden sie heute kaum noch berücksichtigt, wenn es um die Abwechslung verschiedener Pflanzen auf einem Feld geht, der sogenannten Fruchtfolge. (…)

(…) Sinnvoller wäre es, Tiere nur noch auf Weideland zu halten und nicht im Stall mit wertvollem Kraftfutter zu mästen. Dann hätten wir zwar nur noch einmal wöchentlich Fleisch auf dem Tisch, doch die globale Landwirtschaft könnte dreieinhalb Milliarden Menschen zusätzlich satt machen. Trautz formuliert es so: »Würden wir uns gesund ernähren, hätten wir auch keine Eiweißlücke.«

Oder eben ganz auf Fleisch zu verzichten.

Es kann eigentlich kaum ausbleiben, wenn man im Netz im Bereich der „alternativen Medien“ herumstöbert – früher oder später stößt man auf sonderbare Seiten mit ausländerfeindlichen, „klimaskeptischen“ und generell sehr unangenehm kämpferisch gehaltenem Grundtenor. Auf solchen Sites sind Anzeigen und Autoren und Bücher aus dem Kopp-Verlag dann in der Regel nicht weit. Ein Blick auf die Verlagsseite macht deutlich: Da kann man sich wirklich oft nur an den Kopp fassen, wenn man sieht, was für teils krauses, teils hoch bedenkliches (weit rechts außen stehendes) Zeug dieser Verlag so verbreitet. Die Linke Zeitung hat sich in einer umfangreichen kostenlosen pdf-Broschüre [11] einmal die Arbeit gemacht, die Hintergründe des Verlags und seiner Autoren zu durchleuchten – „KOPP-Verlag – Quatsch mit brauner Soße [12]“:

Anlässlich des 11. Septembers haben wir eine Entschwörungs-Broschüre zum Rottenburger KOPP-Verlag herausgebracht. Bewerbung und Weiterverwendung oder kritische Rezension dieser Aufklärungs-Broschüre zum KOPP-Verlag sind gerne gesehen.

Ist der Rottenburger KOPP-Verlag nun ein rechtspopulistischer Verlag oder „nur” ein reaktionärer?
Der Charakter des KOPP-Verlags in Rottenburg ist schwierig zu bestimmen. Das liegt auch an der Bandbreite der Bücher, die im KOPP-Verlag erscheinen. Die Bücher des KOPP-Verlages sind irgendwo zwischen UFOs, Komplott-Theorien, Sensationismus, Rechtspopulismus und „Revisionismus” angesiedelt.
Schwerpunkte des KOPP-Verlages sind dabei Verschwörungsmythen, welche eine „Säkularisierung religiösen Aberglaubens” (Karl Popper) darstellen. (…)

Wir hoffen im Folgenden zeigen zu können, was der KOPP-Verlag ist und warum man sich ihm kritisch widmen, und sich ihm und den von ihm vertretenen Ideologien entgegen stellen sollte.

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