Angefüttert – Fernsehwerbung und ihr schädlicher Einfluss auf die Gesundheit von Kindern

Dass ich eine sehr skeptische bis kritische Haltung dem Treiben der Reklameindustrie gegenüber habe, dürfte ja mittlerweile bekannt sein. Ich frage mich immer wieder, wie diejenigen, die in dieser Branche arbeiten, es mit ihrem Gewissen vereinbaren können, Kampagnen für schlimmste Firmen und übelste Produkte zu konzipieren, in denen der Verbraucher bewusst getäuscht wird. Hauptsache Geld verdienen düfte da das Motto sein… Besonders schämen sollten sich auch all die Marketingfuzzis, die ihre Kreativität und Energie in Werbung für Kinder stecken und somit mit dafür sorgen, dass nicht nur eine frühe (und in meinen Augen abartige und schädliche) Marken- und Konsumprägung stattfindet, sondern auch die Gesundheit der Kinder angegriffen wird. Und man komem mir nicht mit der fadenscheinigen Ausrede, dass doch die Eltern für die Entwicklung ihrer Sprösslinge verantwortlich seien und man deshalb seine Hände in Unschuld wasche und nur unverbindlich „Verbraucherinformationen“ biete – schließlich versucht die Reklamebranche alles, um die Autorität der Eltern zu untergraben und damit ihre Produkte an den Erziehungsberechtigten vorbei ins Bewusstsein der zukünftigen Kundschaft zu hieven. Das ist zwar der perversen Logik des Marktes nach sinnvoll, gesamtgesellschaftlich jedoch fatal.

Just um dieses Thema ging es auch neulich in der 3sat-Sendung Nano, die in „Zielgenau platziert“ aufzeigte, welche Auswirkungen auf die Gesundheit der Kinder die skrupellose Bewerbung von Ungesundem im Fernsehen hat – zwar sagt einem das auch bereits der sogenannte gesunde Menschenverstand, aber es ist doch auch immer wieder schön, das von anderer Seite bestätigt zu bekommen. Leider wird hierzulande vom Gesetzgeber kaum zu erwarten sein, dass, wie es in einigen skandinavischen Ländern inzwischen üblich ist, strengere Regeln für Reklame oder sogar ein Verbot für solche Kampagnen eingeführt werden, und die Konsumenten selbst sind oft genug zu unkritisch oder zu passiv, um den Firmen für ihr Treiben Feuer unterm Hintern zu machen. Auch wenn der Fernsehbeitrag nur auf die direkten gesundheitlichen Folgen (und nicht die psychischen durch die Dauerbestrahlung mit Konsumbotschaften) hinweist, so freue ich mich doch, dass die Schädlichkeit von Reklame auch in den Medien mal thematisiert wird.

Zielgenau platziert
Werbung für Süßigkeiten im Kinderprogramm

“Alles spricht für eine bewusste Platzierung der Werbung im Umfeld von Kindersendungen”, sagt Tobias Effertz vom Institut für Recht der Wirtschaft in Hamburg.
Die meisten Werbespots würden gerade im Kinderprogramm geschaltet, zudem sei der Inhalt auf diese Zielgruppe abgestimmt. Kinder in Deutschland sehen so mehr als 12.000 Werbespots, deren jeder fünfte für Lebensmittel wirbt. Dabei, zeigt seine Auswertung von 16.000 Spots in 613,5 Stunden Sendezeit, gehe es bei 73 Prozent der Werbung um Nahrungsmittel mit “geringem Gehalt an Nährstoffen” und hohem Antiel von Fett und Zucker. Damit schneide Deutschland im Vergleich unter neun westlichen Industrieländern sowie China und Brasilien am schlechtesten ab.

In einer EU-weiten Selbstverpflichtung hatten sich elf Firmen verpflichtet, auf Werbung zu verzichten, die Kinder unter zwölf Jahren anspricht. Aber: “Die Situation hinsichtlich der auf Kinder gerichteten Werbung für ungesunde Lebensmittel ist trotz der freiwilligen Selbstverpflichtung der Industrie schlechter geworden”, sagt Effertz. Der Anteil an Werbung für ungesunde Lebensmittel habe in einzelnen Sendern sogar noch zugenommen. 2010 hat Effertz, seinerzeit noch an der schwedischen Uni Göteborg, gezeigt, dass Kinder auf Werbung ansprechen.

Bereits 2007 ist ein Team der Universität Liverpool im Experiment zu gleichem Ergebnis gekommen: Es hatte 60 Kindern im Alter von neun bis elf Jahren Werbeblöcke für Lebensmittel oder für Spielzeug gezeigt. Nach der Essenswerbung verzehrten die Kinder rund zwei Mal so viel an Snacks und Süßem wie nach der Spielzeugwerbung. Übergewichtige und fettleibige Kinder erwiesen sich dabei als noch anfälliger für die Verführungen des Bildschirms. Während die Kinder mit Normalgewicht ihre Nahrungsaufnahme um 84 Prozent steigerten, aßen die übergewichtigen Kinder um 101 Prozent, die Fettleibigen um 134 Prozent mehr.

Demgegenüber sagt Andrea Moritz vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL), dass Werbung bei der Entstehung von Übergewicht überhaupt “keine wissenschaftlich belegte Rolle spielt”. 600 Millionen Euro lässt die Industrie sich die Werbung für Süßigkeiten kosten.


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Verschwendung bei Bildungsprojekten

10 Kommentare

  1. NannyOgg07

    Zum Thema Schule, bzw Kinderernährung: die neue Schule meines Sohnes hat uns in den ersten Schulwochen unterschreiben lassen, dass wir uns dazu verpflichten gemeinsam mit unserem Kinde die Schulregeln zu beachten. Dazu gehörte unter anderem, dass Schokolade keine Brotzeit sein darf.
    Nun hat das Kind ja dank G8 einen langen Tag in der Woche und da der Ranzen eh schwer genug ist hab ich ihm Geld mitgegeben damit er sich beim Hausmeister was zu essen kaufen kann. Als ich ihn dann nachmittags fragte was er denn nun zu mittag gegessen habe antwortete er er habe sich ein Snickers im Automaten gezogen.
    Nun ist mein elterlicher Einfluss auf meinen 10-jährigen begrenzt, aber ich versteht schlicht nicht warum wir uns zu gesunder Brotzeit verpflichten müssen während die Schule den Kindern mit Schokoriegeln unter der Nase herumwedelt…
    Gruß mone

  2. fabi

    Liebe Mone,

    Wie wäre es wenn du dich einfach mal an die Schule wendest und denen erklärst, dass wenn sie automaten mit süßigkeiten zur verfügung stellen und dann zur selbstverpflichtung aufrufen, das
    für die meisten Menschen sehr schwer realisierbar ist?
    Wenn sie schon wollen, dass sich gesund ernährt wird sollten sie, meiner Meinung nach, auch die Mittel zur Verfügung stellen!

    Gruß Fabi

  3. Ed Saxum

    Als ich ich noch zur Regelschule ging, damals als es noch die D-Mark gab. Da ging es in der Pause meist zu Lidle. 5 fertig Brötchen die wie Gummi waren gekauft eine Tüte Chips die klein gemacht, das Brötchen ausgehölt und die Chips da rein.
    Trotzdem hat soetwas nichts in der Schule zu Suchen. Meiner Meinung nach sollte an mindestens 2 Tagen in der Woche alles in der Schule Vegetarisch sein. Dabei bin ich nicht mal nen Vegetarier. Cola konnte man am ende meiner Zeit dort auch kaufen. Gehört nicht in eine Schule. Auf der Handelsschule gab es nen Kaffeeautomaten. leider kein Fairtrade zum angebot und alles einweg Becher. aber es ist morgens und man denkt nicht immer an die Kanne und der Kaffee war billig. In Kaffeautomaten sollte alles FairTrade sein, es sollte die möglichkeit bestehen einen eigenen Becher zu Verwenden (Da waren die Luken immer so lange dicht bis der Kaffee fertig war) Und es sollte auf einweg Becher +1€ Umweltgebühr +1€ für diesen Widerlichen Plastikdeckel (den Deckel hab es zu meinen Zeiten kaum)

    Werbung für Kinder gehört hier auch verboten! Kinder können sich noch weniger als wir sich gegen dessen Einflüsse wehren.
    Das Spielzeug bei McD und BK gehört bei den “Kinder Menüs” verboten.
    Was kann man diesen, eines der korrektesten Länder der Welt, ändern und wie?

  4. sanicklaus

    Du hast ein Frage gestell? Als Antwort wäre es: Geld stinkt nicht.

  5. Der Titel ist zwar “reisserisch” aber die Argumentation, der Vortrag und die Begründungen und Belege umso eindrucksvoller: “FERNSEHKONSUM MACHT KINDER DICK, DUMM & GEWALTÄTIG (1/5) Vortrag von Prof. Dr.Dr. Spitzer” http://www.youtube.com/watch?v=JPQ4C5RdUr4

  6. NannyOgg07

    @Fabi: gute Idee ;-) Leider hab ich in den letzten Jahren dem Sohnemann ziemlich geschadet mit meiner renitenten Art, trotzdem hab ich das ernsthaft vor, bislang war ich allerdings noch nicht in der Schule vorstellig, da es (bis auf diese Geschichte mit der Selbstverpflichtung) noch keinen Anlass gab. Demnächst ist aber mal eine Sprechstunde fällig, mal sehen ob ich gut genug drauf bin diplomatisch zu sein. Sonst heißt es sehr schnell wieder: achja, das ist der Knabe mit der aufmüpfigen Mutter :-)
    Warum ich das hier überhaupt erwähnenswert fand: weil es in die Richtung geht die heutzutage immer häufiger eingeschlagen wird allein Eltern verantwortlich machen zu wollen wenns nicht läuft. Natürlcih bin ich mir meiner Verantwortung bewußt, aber dennoch finde ich es sinnvoll den Lebensraum so zu gestalten dass eine solche ERziehung auch möglich wird. Dazu gehör daß die Schule, deren Besuch Pflicht ist, ein werbefreier Raum bleibt. Und dazu gehört meines Erachtens eben auch daß die Lernumgebung so gestaltet ist, dass es einen Anreiz zu bewußter Ernährung gibt…

  7. tordis

    wie können werbefuzzis das bewerben von ungesundem zeug mit ihrem gewissen vereinbaren? noch dazu wo es bestimmt genügend werbeleute gibt, die ihren eigenen kindern ja lieber karotten zum knabbern geben.
    es gab mal eine studie (dessen namen ich nicht weiß), wonach manager die umweltbewusstesten menschen sind (verschiedenste befragte), die selber bio und fairtrade kaufen. aber wenn sie in der arbeit sind, fällen sie entscheidungen, die absolut nicht öko oder sozial sind.
    warum ist es für die politik so schwer, wichtige entscheidungen für die zukunft (klimawandel zB) endlich zu fällen?
    warum lässt die wirtschaft zu, dass arbeitskräfte ausgebeutet werden?

    weil das alles kleine systeme sind, die in ihrer eigenen logik denken.
    wenn werbeleute in der arbeit sind, denken sie in den denkbahnen der werbung. wenn sie zuhause in der rolle ihrer eltern sind, denken sie in der logik der eltern. der manager denkt in der arbeit gewinnorientiert, zuhause dagegen isst er fairtradebananen.
    die politik denkt in legislaturperioden, die wirtschaft in geldeinheiten. für die wirtschaft ist es logisch, (gefährliche) produktionen in länder auszulagern wo die löhne (gesundheitserhaltungskosten) gering sind.

    jeder mensch hat verschiedene rollen. man kann in einer person freund, feind, elternteil, kind, partner, arbeitskollege, vorgesetzter, lehrer, schüler, kunde, staatsanwalt, verkäufer usw. sein. je nach situation. man hat durch sozialisierung gelernt, wie man sich in diesen situationen verhält = rolle.

    und diese rollen sind in systeme eingebettet, zum beispiel familie, schule, geschäft, gerichtssaal, freundeskreis usw.
    oder eben politik, wirtschaft, werbung

    und somit kann man in einer person vereinen, dass man einerseits schrott bewirbt und andererseits bei den eigenen kindern anderer meinung ist.
    “schuld” sind ja nicht nur die menschen, die teil eines systems sind, sondern auch das system selber.

    ich hör ja schon wieder auf. kann nix dafür, hab soziologie studiert.

    wen das näher interessiert, kann sich ja mal durch die systemtheorie knabbern.

  8. tordis

    ja und beim thema schule wirds auch ein problem, wenn sich solche systeme überlappen:
    die direktorin ist einerseits managerin und denkt auch in geldeinheiten. in diesem system ist es völlig logisch, die schule durch werbung zu finanzieren.
    gleichzeitig ist sie auch pädagogin und möchte, dass auch die eltern auf eine gesunde jause achten.

    und ab hier kann man dann fröhlich weiterdiskutieren über ethik und konsumkritik und kapitalismus usw. :)

  9. Ed Saxum

    @tordis hey Soziologie klingt auch interessant. ab 2013 möchte stupidieren. Bin aber noch unentschlossen. soziale Arbeit klingt interessant, da stelle ich mir aber die Frage “hilft man damit oder bringt man die Menschen nur dazu wieder auf einen angepassten Konsumkurs zu bringen”. Bei Soziologie frage ich mich “was kann man damit beruflich machen?” wobei ja auch soziale Arbeit oft vom Studium in die Arbeitslosigkeit führt oder man darf unter tariflich Maßnahmen begleiten für jugendliche ohne Ausblödungsplatz. Die als Sklaven (Praktikanten) verleihen. Denen weiß machen, dass ein nachgemachter Hauptschulabschluss super ist da man mit diesen ja Prima Leiharbeiter werden kann etc.

    Ich möchte etwas Sinnvolles tun, nen Jon haben (möglichst nicht mehr als 30 Stunden) und ein klein wenig mehr Geld haben, damit ich mir auch mal ne FairTrade Hose oder so leisten kann.

    sry fürs OT

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