Prof. Tim Jackson, über den ich ganz zu Beginn meiner Blog-Zeit schon einmal berichtet habe (in dem nach wie vor fundamentalen Artikel „Wie unser Wirtschaftssystem die Erde tötet“) hat sich unlängst auch in der ZEIT seine Gedanken gemacht darüber, wie unser Wirtschaften und Konsumieren unsere eigenen Lebensgrundlagen (und nicht zuletzt auch die zukünftiger Generationen) kaputt macht. In „Wir Unersättlichen“ plädiert er für einen Wohlstand ohne den Zwang zum ewigen Wachstum, welches ja im Grunde primär nötig ist, um dieses Wirtschaftssystem am Laufen zu halten und die allfälligen Schwächen und Probleme zu kaschieren. Ich kann die Lektüre dieses Artikels wieder einmal nur empfehlen, bringt er doch vieles von dem, um das es auch im Konsumpf geht, prägnant auf den Punkt!
Die Bruchlinien des Kapitalismus werden größer. Was einmal winzige, mit bloßem Auge kaum zu erkennende Risse waren, hat sich zu tiefen Klüften ausgewachsen, in denen ganze Nationen zu versinken drohen. Dabei schien der Stern des Kapitalismus nie heller zu leuchten als zwischen dem Fall der Berliner Mauer 1989 und der Finanzkrise 2008. Mit Margaret Thatcher gesprochen, gab es zum Kapitalismus keine Alternative, Debatten um seine möglichen Varianten blieben akademisch. Die auf das angelsächsische Modell fixierten Nationen sangen das Lob »liberalisierter Märkte«. Deutschland und Frankreich verteidigten die »soziale Marktwirtschaft«. China entwickelte seine eigene Spielart eines zentral gesteuerten Kapitalismus und versetzte das westliche Gemüt in eine Mischung aus Angst und stiller Genugtuung.
Alle diese Kapitalismen leben im Kern von der unterstellten Unersättlichkeit menschlicher Bedürfnisse, das heißt von der Erwartung eines unermüdlichen Wachstums der Verbraucherausgaben. Weltweit schreitet der Kapitalismus voran, indem er neue Märkte für neue Konsumgüter erschließt, die das Alte zugunsten des Neuen beseitigen und das Eindringen der Märkte in immer persönlichere Bereiche unseres Lebens forcieren.
Dieser Prozess kann anfangs ungeheuer produktiv sein und zu Verbesserungen unseres Lebensstandards führen. Um ihn aber auf unbegrenzte Zeit am Laufen zu halten, braucht es Menschen, die süchtig nach allen möglichen Dingen und entsprechend bereit sind, sich Geld zu leihen und es auszugeben – und falls nötig sogar ihre eigene finanzielle Zukunft zu verpfänden –, um weiter einkaufen zu können. Wenn wir ehrlich sind, ist es nicht schwer, diese Menschen zu finden. Wir sind am Neuen interessiert. Durch Neuheiten erzählen wir einander Geschichten darüber, wie wichtig wir sind. Die Statusfrage ist nur eine der sozialen Dynamiken, die durch das Neue gedeihen. Auch künden Neuerungen vom Fortschritt – von der Hoffnung auf eine bessere, schönere Welt für unsere Kinder und Kindeskinder. Und sollten wir diese Sehnsucht jemals vergessen oder preisgeben, steht eine Phalanx gewiefter Werber, Marketingexperten, Investoren und Politiker parat, um uns davon zu überzeugen, Geld, das wir nicht haben, für Dinge auszugeben, die wir nicht brauchen, um Eindrücke, die nicht von Dauer sind, bei Menschen zu hinterlassen, die uns nichts bedeuten. (…)
Dazu passt auch diese Meldung von Pressetext.de wie die Faust aufs Auge – „Konsum ist Wasserverschwender Nr. 1“. Was vielen von uns vermutlich nicht wirklich bewusst ist – es ist zwar nett, wenn man eine wssersparende Klospülung bestitzt und nur duscht statt badet, aber der wirkliche Wasserverbrauch unseres täglichen Lebens steckt in den Produkten, mit denen wir uns permanent umgeben und die wir konsumieren:
Wassersparen im Haushalt ist das Gebot der Stunde, da die Wasserreserven weltweit immer knapper werden. Maßnahmen, die die monatliche Wasserrechnung günstiger machen, greifen alleine jedoch zu kurz, betonen Forscher der Universität Melbourne http://unimelb.edu.au in der Zeitschrift “Building Research and Information”. Für Australien haben sie berechnet, dass 94 Prozent des langfristigen Wasser-Fußabdrucks eines Haushalts auf Hauserrichtung, Dienstleistungen und Konsumgüter zurückgehen – allen voran auf Kleidung, Nahrung und Elektrizität.58 Schwimmbecken des Olympia-Ausmaßes von 50 mal 25 Meter (je rund 2.500 Kubikmeter Wasser) verbraucht ein durchschnittlicher Haushalt im Laufe von 50 Jahren, so die Analyse der Forscher um Robert Crawford. 94 Prozent davon – umgerechnet 54 Becken – gehen auf Bau und Erhalt des Hauses, alle Besitztümer, Nahrung, Kleidung und andere Konsumgüter, Finanzdienstleistungen, Autos und Urlaube zurück. Der direkte Verbrauch durch Trinken, Waschen, Duschen, Bewässerung, Kochen und Putzen kommt hingegen in Summe bloß auf vier Schwimmbecken oder sechs Prozent des Wasserverbrauchs.
“Alle Gegenstände und Dienstleistungen, die ein Haushalt konsumiert, benötigen eine lange Reihe von Ressourcen, die allesamt den Wasserverbrauch erhöhen. Je mehr Kleidung und Nahrung wir kaufen, desto mehr Wasser verbrauchen wir”, resümiert Crawford. So wichtig das direkte Wassersparen etwa durch Kurzduschen und Tropfhahn-Vermeiden auch sind, dürfen sich deshalb die Bemühungen nicht darauf beschränken. Der Forscher rät zu Second-Hand-Kleidung und -Möbeln, zur Minimierung des Essensabfalls sowie zum Errichten kleinerer, länger haltender Häuser, für die man weniger Möbel und Energie braucht. (…)
Wo wir schon mal bei Konsumkritik sind – Apple, inzwischen einer der weltweit größten Konzerne überhaupt, befeuert mit seinen Gadgets den sinnlosen Konsum natürlich ebenfalls. In dem Zusammenhang unterscheidet sich das Unternehmen aus Cupertino aber nicht wirklich von all den anderen Unterhaltungselektronikfirmen. Knifflig wird es halt – und auch das war schon ein paar Mal Thema hier im Blog –, wenn das Saubermannimage, das Image vom coolen Konzern, der „irgendwie anders“ („Think different“) ist, mit der Realität kollidiert. Dass viele Apple-Produkte unter ähnlich schlimmen hergestellt werden wie anderer Elektrokram auch, passt da natürlich nicht so gut in die heile Welt der Apfelfreunde. Selbst auf Yahoo Finance, nun wirklich nicht als Hort kritischer Informationen bekannt, gab es unlängst einen längeren Beitrag dazu (auf Englisch) – „The darker side of Apple – The human cost of your iProducts“:
(…) It was back in the spring of 2010 when at least 10 suicides were reported at Foxconn’s manufacturing plant in Shenzhen China. Foxconn is the world’s largest electronic manufacturer making product for Hewlett-Packard, Nokia and Apple’s iPad.
With nearly one million employees throughout China, the suicides raised many questions about the safety and working conditions for the people working in those plants.
As research for his show, Daisey visited Foxconn—a place many journalists and Americans have never visited—and what he found surprised him beyond belief.
“What I was really shocked by was institutionalized dehumanization,” he says. “The systems that are put in place are working and the objective of them working is to work people, basically, to death.”
He’s talking about “massive production lines” where people work “endlessly.” Workers are never rotated and end up doing the same task hundreds of thousand of times. “I met many workers whose joints in their hands have disintegrated from doing that work…. [Hands] literally swollen, literally deformed [and] permanently warped,” he explains.
Out of Sight, Out of Mind
Most Americans don’t give a second thought to how our toys and gadgets are made or how they make it onto store shelves. Daisey hopes his story will open a few eyes. (…)
Zum Abschluss noch dieser Aufreger – der taz-Rechercheblog ist auf geheim gehaktene Dokumente gestoßen, die belegen, mit welcher Perfidie die PR-Strategen der Atomkonzerne in all den Jahren (erfolgreich) versucht haben, Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen und diese in ihrem Sinne zu lenken. Wieder einmal wird deutlich, wer in diesem Land oftmals tatsächlich das Sagen hat… „Die Geheimpapiere der Atomlobby“:
In der Wochenendausgabe der taz berichten wir ausführlich über eine Kampagne, die die Düsseldorfer Kommunikationsagentur Deekeling Arndt Advisors (DAA) von Mai 2008 bis zur Bundestagswahl im September 2009 im Auftrag des Deutschen Atomforums durchgeführt hat. Im Atomforum sind die vier Betreiber der Kernkraftwerke in Deutschland – RWE, Vattenfall, Eon und EnBW – zusammengeschlossen. Als der Auftrag erteilt wurde, galt der von Rot-Grün durchgesetzte Atomkonsens, wonach die Laufzeit deutscher Kernkraftwerke endgültig begrenzt ist. Das Atomforum beauftragte die Agentur DAA zu einer Kampagne mit dem Slogan “Energieverantwortung für Deutschland”. Das Ziel laut den Unterlagen: “Bis zur Bundestagswahl 2009 Grundstimmung pro Laufzeitverlängerung herstellen.” Bei dieser Wahl erhielt Schwarz-Gelb eine parlamentarische Mehrheit. Vor genau einem Jahr, am 28. Oktober 2010, beschloss der Bundestag die Laufzeitverlängerung. (…)
Roland
einfach schön solche kl. Aufreger zu später Stunde :)
– die geheimen Atom-Papiere waren jüngst auch Thema bei NDR Zapp http://www.youtube.com/watch?v=supuD9g46co
– zum Zeit-Artikel passt der hervorragende Vortrag von Niko Paech, welchen wir vor einiger Zeit in unserem Artikel http://mikrofairkel.de/2011/06/dein-personlicher-fusabdruck-co2/ hatten
(direkter Link zur Playlist: http://www.youtube.com/user/mikrofairkel#p/c/DE38F75C5797FA42/0/_0ipeAByMZ0 )