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Lesetipps: Krise und Wahn | 147 Konzerne kontrollieren die Wirtschaft | Fundamentalisten | Öko

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© ZigZauer, stock.xchng

Die Wirtschafts- und Finanzkrise, die man mit Fug und Recht ja auch als Systemkrise auffassen und bezeichnen kann, hält die Welt weiterhin in Atem; ich könnte täglich etwas dazu posten, denn überall auf der Welt gibt es neue Brenn- und Knackpunkte. Natürlich werde ich NICHT jeden Tag auf dem Thema herumreiten, da es zum einen vom Kern meines Blogs ein wenig wegführt (obwohl Konsumkritik im Prinzip auch eine Systemkritik darstellt) und auch zu deprimierend ist. Dennoch will ich Euch heute einen sehr gelungenen Beitrag auf Telepolis ans Herz legen – in „Krise und Wahn [2]“ beschreibt Tomasz Konicz meines Erachtens sehr treffend, wie die mediale Aufbereitung der aktuellen Geschehnisse aussieht, die gerne an den eigentlichen Problemen vorbeiführt bzw. diese vermutlich durchaus bewusst vernebelt. Ich empfehle den etwas längeren Artikel unbedingt als Lektüre (z.B. für die jetzt vor uns liegenden langen und dunklen Herbstnächte)!

Je weiter sich die kapitalistische Systemkrise in die Gesellschaft und das Massenbewusstsein hineinfrisst, desto irrationaler gestaltet sich die öffentliche Rezeption des Krisengeschehens. (…)

(…) Die bizarrsten Auslassungen der hiesigen Medienmeute gründen aber auf der Prämisse, die auf Weisung Berlins und Brüssels in Griechenland exekutierten Krisenmaßnahmen stellten eine “Hilfe” für das in einer schweren Depression versinkende Land dar. Athen wolle über “Europas Hilfe” [3] ein Referendum abhalten, meint etwa Welt Online. Die FAZ sprich witzigerweise von einem “Treppenwitz der Geschichte”, da Griechenland ein “billionenschweres Hilfspaket” [4] ablehnen könnte:

Die EU schnürt unter größten Verrenkungen und unter erheblichen politischen Kosten ein billionenschweres Hilfspaket, um den zahlungsunfähigen Mitgliedsstaat im Südosten in letzter Minute vom Abgrund zurückzureißen. Sogar die europäischen Großbanken sind ‘freiwillig’ mit dabei. Doch möglicherweise macht das Land nicht mit, das gerettet werden soll. Der Ausgang der angekündigten Volksabstimmung ist alles andere als gewiss, Märkte und Politik aber haben schon eine düstere Vorahnung. Papandreou, der jeden Tag stürzen könnte, spielt alles oder nichts. – FAZ

Hierbei handelt es sich um groteske Verdrehungen der Realität, die ohne Übertreibung Orwellsche Dimension erreichen – und bei denen nicht mal mehr aussagenlogische Mindeststandards eingehalten werden können: Wieso sollte der Ausgang der Volksabstimmung “alles andere als gewiss” sein, wenn es sich bei den Krisenmaßnahmen tatsächlich um ein “billionenschweres Hilfspaket” handeln würde? (…)

(…) Dieser manische Wiederholungszwang bei der Durchsetzung von Kahlschlagprogrammen – die ideologisch motivierten sadistischen Bestrafungsaktionen für vermeintliche “Schuldensünder” gleichkommen – seitens der Politik findet auch in den Massenmedien seinen Widerhall. Es scheint, als ob die immer krasser zutage tretenden Widersprüche des in Agonie befindlichen Kapitalismus eine Art Massenflucht in ein weltanschauliches Wunder- oder Zauberland befördern würden. Die kapitalistische Systemkrise wird nicht als solche erkannt, es findet eher eine fiebrige Suche nach den “Schuldigen” statt, während der Kapitalismus als solcher stumme Voraussetzung bleibt. Weite Teile des öffentlich geführten Diskurses kapseln sich von der Realität in einer Art massenmedial induzierten Blase ab, in der die alten ideologischen Gewissheiten weiterhin gepflegt werden können. (…)

Ein wenig mehr an die Wurzeln der ganzen Malaise als die in obigem Artikel kritisierten Medien geht der Schweizer Tagesanzeiger in ihrem Text „Wenn 147 Konzerne die ganze Wirtschaft kontrollieren [5]“. Auch dies hatte ich an dieser Stelle ja schon des öfteren angeprangert, denn diese Marktmachtkonzentration bedeutet Nachteile für einen Gutteil der Menschen, weil Wahlmöglichkeiten verschwinden und man abhängig wird von einigen wenigen Unternehmen. In manchen Bereichen mag das noch unwichtig erscheinen, aber wenn es um Energie, Ernährung, Wasser oder auch die Medien geht, bedeuten Abhängigkeiten steigende Preise und einseitige Berichterstattungen. Trotz solcher Artikel wird sich vermutlich kaum etwas daran ändern, da die Politik wenig gegen die Konzerne unternimmt und die Konsumenten teils aus Unwissenheit, teils aus Ignoranz, teils aber auch aus Mangel an Alternativen diese Firmen mit ihrem Geld noch weiter mästen:

Forscher der ETH haben die Weltwirtschaft systemtheoretisch unter die Lupe genommen. Ihr Fazit: Ein paar Konzerne besitzen die Macht über den globalen Kapitalismus. Dies birgt hohe Gefahren.(…)

Damit waren die Forscher noch nicht im effektiven Zentrum der Machtkonzentration angelangt. Denn innerhalb des Netzwerkes stiessen sie erneut auf eine Einheit von 147 Konzernen, die noch stärker vernetzt sind. Diese Konzerne haben nicht nur eine fast vollständige Kontrolle über sich selber, sie beherrschen auch rund 40 Prozent der übrigen Wirtschaft. «Wir hatten nicht erwartet, dass die Macht im Zentrum derart konzentriert sein würde», meint einer der Studienautoren, James Glattfelder, gegenüber der «SonntagsZeitung».

Ebenfalls spannend: Rund drei Viertel der Mitglieder der Super-Einheit gehören der Finanzindustrie an. Im Zentrum steht der britische Finanzmulti Barclays. Die Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse folgen auf den Plätzen 9 und 14. «Wir haben die Daten mit verschiedenen Modellen durchgerechnet und kamen immer zu sehr ähnlichen Ergebnissen», sagt Glattfelder. «Das Zentrum blieb weitgehend stabil.» (…)

Zu den Bereichen, in denen die Monopolisierung ebenfalls massiv voranschreitet, gehört auch die Landwirtschaft. Die industrielle Intensivwirtschaft, mit viel Pestiziden und Gentechnik, verspricht dabei wachsende Erträge und sinkende Erträge – obwohl diese Versprechungen bestenfalls kurzfristig eingehalten werden können und, s.o., auch die Abhängigkeiten von Großkonzernen vorantreiben. Im Schrot & Korn-Magazin behauptet Felix zu Löwenstein, Vorstandsvorsitzender des Bundes Ökologischer Lebensmittelwirtschaft „Nur Öko macht uns satt [6]“. So sehr man seine Worte vielleicht auch mit Vorsicht genießen sollte (auf Grund der entsprechenden eigenen Interessenlage), so zutreffend finde ich seine Analyse:

(…) Mir geht es darum zu zeigen, welche Gründe tatsächlich dafür verantwortlich sind, dass sich jeden Abend eine Milliarde Menschen auf dieser Welt hungrig schlafen legen, ohne zu wissen, wie sie am nächsten Tag für sich und ihre Kinder etwas zu Essen auftreiben. Ich zeige auch, dass die Agrarindustrie von BASF bis Monsanto lügt, wenn sie behauptet, es sei eine Frage der Produktionsmenge – also des Ertrages je Hektar Acker und je Quadratmeter Stallplatz – weshalb jeder siebte Mensch auf diesem Globus hungert. In Wirklichkeit sind die entscheidenden Gründe: die Ungerechtigkeit bei den sozialen Verhältnissen, der Besitzverteilung und dem Zugang zu den Produktionsmitteln. Und eine Landwirtschaft, die als modern bezeichnet wird, aber die Menschen immer tiefer in Abhängigkeiten treibt. Sie zerstört die Lebensgrundlagen für die Ernährung künftiger Generationen. Sie verbraucht Ressourcen, deren Endlichkeit schon heute Realität ist.

Diese Art der Nahrungserzeugung führt zu Ernährungsgewohnheiten, die sich wie eine Seuche auf dem Planeten ausbreiten. Der Fleischkonsum wird weit über das gesteigert, was gesund wäre und verbraucht immer mehr Getreide, das der direkten Ernährung von Menschen dienen könnte. Lebensmittel werden als Abfall vernichtet, so dass wir 200 Prozent erzeugen müssen, um 100 Prozent zu verbrauchen (Anm. Red.: siehe auch Vorstellung des Films „Tast the Waste“ S. 64). Und zu allem Überfluss produzieren wir dabei so viele Treibhausgase, dass die Landwirtschaft zu einem der wichtigsten Verursacher des Klimawandels geworden ist. Und zu seinem wichtigsten Opfer – wobei aber nicht dort die Ernten immer unsicherer werden, wo die Verursacher wohnen, sondern im Armutsgürtel des Planeten. Die Diagnose ist klar: Wenn wir uns als Menschheit auch in Zukunft ernähren wollen, dann müssen wir das ökologisch tun.

Dass das nicht nur eine zwingende Notwendigkeit, sondern auch eine vielversprechende Möglichkeit ist, kann man zeigen. In Haiti, auf den Philippinen, in Äthiopien und in Kenia präsentieren sich die Beispiele, anhand derer man spannend erzählen kann, was eine ökologische Intensivierung schon heute leistet: eine Landwirtschaft, die – weil sie ökologisch ist – ohne teuer zu bezahlenden Input aus den Chemiefabriken arbeitet und intelligent die Regelmechanismen der Natur nutzt. (…)

Zwei andere kleine Internetfundstücke will ich Euch ohne großen Kommentar meinerseits noch vorstellen – zum einen Netzpolitik „Die dmexco überleben: Survival in der Einöde des digitalen Marketing [7]“:

(…) Es ist schon ein trauriges Bild, was diese Personen vom Internet als besserer Fernseher mit Verkaufsmöglichkeit entwerfen, und was für ein verzerrtes Bild sie sich vom Netz und seinen Nutzern trotz ihrer genauen und umfassenden Analysen gemacht haben. Was will man aber auch anderes erwarten, es sind einfache BWL’er und sie haben gelernt, auf statistische Kennwerte zu achten, was sicherlich auch nicht die schlechteste Idee ist. In jede Idee von Datenschutz ad absurdum führenden Firmen für Web-Werbung sind solche Menschen dem Gemeinwesen sicherlich immer noch weniger schädlich als in Welche-Mitarbeiter-soll-ich-entlassen-Unternehmensberatungen wie McKinsey. Und für kreativere Ideen als “Wir spionieren ihre Kunden so gut wie möglich aus”, Glückskekse mit URLs oder Handy-Sessel mit Firmanaufdruck muss man eben zu einer anderen Messe gehen. (…)

Und dann praktische Lebenshilfe bei Diskussionen aus dem Stackenblochen-Blog „Woran man Fundamentalisten erkennt und sinnvolle von sinnlosen Diskussionen unterscheidet [8]“ (auf das Bild klicken für eine vergrößerte Ansicht):

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