„No Logo!“ – so lautet der Titel des globalisierungskritischen (modernen) Klassikers der amerikanischen kanadischen Schriftstellerin Naomi Klein. Und dieses Motto hat sich auch die taz zu eigen gemacht, unter dem die taz-Sportredaktion für zwei Wochen unterwegs ist – angesichts der immensen Zupflasterung von Sportlern, Arenen und Sportstätten mit Reklame und Sponsoren-Logos haben sie beschlossen, in der Zeit alle Werbehinweise auf Sportfotos auszupixeln, um den Blick wieder unverkleisterter auf das Wesentliche zu lenken: den Sport. (Okay, es ist sowieso klar, dass heutiger Profisport im Prinzip ein Wirtschaftsfaktor ist und es auch dort unter dem Strich nur noch um Profite geht – Fußballvereine werden wie Unternehmen geführt, Großkonzerne wie Red Bull kaufen sich gleich ihre eigenen Clubs, die primär als Ergänzung der sonstigen Werbestrategie dienen.)
Die Werbung ist, egal wo wir hinkommen, immer schon da. Wir sind umzingelt von Slogans, Botschaften, Labels und Firmenkennzeichen. Wir sind derart daran gewöhnt, uns in einem Werbewust zu bewegen, dass wir gar nicht mehr wahrnehmen, wie sehr uns die Bilderwelt prägt, beeinflusst, ja vielleicht auch indoktriniert.
So ist die Konsumwelt nun einmal beschaffen, auch die Welt des Sports, könnte man einwenden, wenn man sich’s leicht machen will. Aber wer findet es nicht nervtötend, wenn bei Fußballländerspielen die Bandenwerbung derart flimmert, dass einem schon mal das schöne Dribbling von Mario Götze entgehen kann. Es ist nicht nur eine ästhetische Zumutung, es stört generell den Sportkonsum.
Die Professionalisierung und Durchökonomisierung des Fußballs hat dazu geführt, dass dem Zuschauer immer mehr Werbung zugemutet wird. Sie befindet sich nicht nur auf der Brust der Spieler, nein, neben dem Tor liegen Werbeteppiche, die im Fernsehen wie dreidimensionale Aufsteller aussehen. Vereine setzen auf die doppelte Werbebande, wobei die hintere bis zu drei Meter hoch sein kann. (…)
(…) Letztlich ist es doch so: Nur wer dem Sirenengesang der Werbung widersteht, ist ein mündiger Bürger. Oder anders gesagt: Nur wer sich den wachen Blick für die Allgegenwart der Sportwerbung erhält, ist ein mündiger Sportkonsument.
Kurz darauf hakte die taz noch einmal nach – auf ihre Akion hatte es sehr unterschiedliche Reaktionen gegeben: die einen, die den Schritt begrüßten und bejubelten (so wie ich es tue) und die anderen, die das kritisch sehen, weil ja doch die ganze Wirtschaft vom Reklametreiben abhäng eetc. Erstaunlich, wie sehr manche Menschen vom Kommerzdenken und der permanenten Kaufbeschallung offenbar indoktriniert sind, dass sie dies für ein unabwendbares Schicksal halten… „Mumpitz oder Denkanst0ß?“
(…) Diese ästhetischen Bedenken sind eigentlich zweitrangig, wenn man sich vergegenwärtigt, dass sich die Zeitungen auf einen kostenlosen Abdruck von Werbung auf Sportfotos einlassen. Das ist unser zweiter Ansatzpunkt. Auf einem ganz normalen Sportfoto sind im Schnitt zwei bis drei Logos zu sehen, manchmal auch sieben oder acht. Die werden einfach so abgedruckt. Das geschieht unentgeltlich. Wir wollten aus dieser Verwertungskette ausscheren und sagen: Wir sind nicht mehr bereit, Eure Werbebotschaft auf Trikots und Werbebanden zu verbreiten. Es kann ja auch nicht Aufgabe einer Zeitung sein, die mit kritischer Distanz über Sport berichtet, täglich kostenlose Werbung von Vereinen und deren Sponsoren ins Blatt zu heben. Wir wollen durch die Verpixelung journalistisch noch unabhängiger werden. (…)
(…) Ist es nicht so, dass durch diese Aktion extra Aufmerksamkeit auf die Sponsoren gelenkt wird?
Es mag vereinzelt Leser geben, die wissen wollen, was Magdalena Neuner auf dem Gewehr stehen hat, aber viel wichtiger ist doch, dass sie sich nun mit der Sache selbst beschäftigen: Warum machen sich Medien zu Erfüllungsgehilfen von Vereinen und Sponsoren? Warum erwähnen TV-Moderatoren immer wieder den Sponsor-Stadionnamen? Wer ist da mit wem verbandelt? Wie schon erwähnt hat die taz-Sportredaktion nichts gegen Sportsponsoring. Das wird auch immer wieder Thema auf unseren Seiten sein, sofern es gesellschaftlich relevant und somit ein journalistisches Thema ist. Etwa, warum jetzt fast jeder Bundesligist auf Solarunternehmen steht. (…)
Apropos Fußball – der austrebende spanische Profi Javi Poves hat seine ganz persönliche „No Logo“-Konsequenz aus der weiter voranschreitenden Kommerzialisierung des Sports gezogen und steigt aus dem Business aus. Dies ist so ungewöhnlich und bemerkenswert, dass es international Schlagzeilen machte, denn wann äußert sich ein Sportler schon einmal systemkritisch? Selbst web.de berichtet über diesen „Fall“ – „Fußball als Täuschung: Profi wirft das Handtuch“:
(…) In nur einer Woche ist Javi Poves vom vielversprechenden Nachwuchsstar beim spanischen Erstligisten Sporting de Gijon zum “Antihelden” geworden. Angewidert von der Geschäftemacherei im Profi-Fußball beendete der Spanier vor wenigen Tagen seine Karriere und will nun in den Nahen Osten reisen, um die “Wirklichkeit” in diesen Ländern kennenzulernen.
“Fußball ist in Wirklichkeit eine Metapher für unsere derzeitige Welt. Alles beruht auf einer großen Täuschung”, sagte der 24-Jährige der Nachrichtenagentur dpa. “Es ist alles nur tägliche Unterhaltung.” Obwohl ihm seine ungewöhnlichen Aussagen viel Kritik eingebracht haben, steht er zu ihnen. “Ich schäme mich nicht für meine Gedanken oder meine Handlungsweise, auch wenn mich andere für verrückt halten.”
Poves, schon in der Vergangenheit ein entschiedener Gegner des Kapitalismus, will nun ein neues Leben beginnen. Statt Fußball spielen will er lesen. Er misstraut den Medien und den Mächtigen in Politik und Wirtschaft. “Fußball soll nur die Menschen von der Realität ablenken”, sagt Poves. “Es gibt im Fußball sehr viel Korruption, wie in jedem Sektor, in dem es um Geld geht.” (…)
Alternativen zum herkömmlichen Konsum, dem Kaufen, um es alsbald wieder wegzuwerfen und gegen etwas Neues einzutauschen, der den Kreislauf unseres Wirtschaftens ausmacht, sind gerade in heutiger Zeit dringend gesucht. So entwickelt sich derzeit noch im Verborgenen, aber immer stärker werdend, eine neue Bewegung, die sich Prosumer nennt. Hier ist der Endanwender gleichzeitig auch Produzent – ein Alptraum für die Konzernmacht heutigen Zuschnitts! Der Freitag schildert in „Mach’s dir selbst“ über die Entwicklungen auf diesem Gebiet:
Die Energiewende könnte unser Konsumverhalten nachhaltig verändern. Die Anhänger der Prosumer-Idee sehen ihre Zeit gekommen. Aber wie könnte diese Prosumer-Welt aussehen?
Vielleicht geht mit der Energiewende ja tatsächlich ein größerer gesellschaftlicher Wandel einher, als viele denken. Vielleicht verhilft der Abschied von Atomkraftwerken und zentralisierter Energieproduktion einer Idee zum Durchbruch, die bisher ein Nischendasein führt. Die Verfechter der Prosumer-Idee sehen jedenfalls ihre große Zeit gekommen. (…)
(…) Der Konsument, wie wir ihn kennen, stirbt aus. Zumindest der Konsument, der in einen Supermarkt oder Schuhladen geht, sich bedienen lässt, ein Fertigprodukt entgegennimmt und es verbraucht. An seine Stelle tritt der Prosumer: Der konsumiert und produziert zugleich. Die Ware bekommt er unfertig oder nur als Rohstoff und veredelt sie selbst. Die Folge: Der Konsument wird aus seiner Passivität herausgerissen. Er emanzipiert sich vom Wirtschaftssystem, das bis dahin auf Massenproduktion und Standardprodukte ausgelegt war. Er handelt, übernimmt Verantwortung und übt Einfluss aus.
Gedanken darüber, wie man aus dem oben geschilderten Kreislauf ausbrechen kann, macht sich auch Christian Siefkes im Keimform-Blog in „Produzieren ohne Geld und Zwang“ – neben dem umfangreichen Artikel lohnt es sich auch die anschließende Diskussion in den Kommentaren durchzulesen!
(…) Stellen wir uns eine Welt vor, in der Produktion und Reproduktion bedürfnisorientiert zum Wohle aller stattfinden, organisiert von Menschen, die sich niemandem unterordnen müssen und sich freiwillig in die erforderlichen Tätigkeiten teilen. Ich nenne eine solche Gesellschaft Commonismus, weil ich glaube, dass darin die Commons, die Gemeingüter, eine wichtige Rolle spielen werden.
Man mag einwenden, dass eine solche Gesellschaft unmöglich sei, weil es sie noch nicht gab oder weil sie der Natur des Menschen widerspreche. Doch daraus, dass es etwas noch nicht gab, kann man nicht schließen, dass es unmöglich ist; und Argumente zur „Natur des Menschen“ übersehen, dass die Menschen nicht nur die Gesellschaft machen, sondern umgekehrt auch durch die Gesellschaft beeinflusst und geprägt werden. Ändern sich die Strukturen, ändert sich auch das Verhalten der Menschen. (…)
(…) Wie diese Voraussetzungen die Produktionsprozesse verändern, wird bislang im Bereich der digitalen Produktion von Software und anderen Informationsgütern am deutlichsten sichtbar. Die Freie-Software- und Freie-Kultur-Bewegung hat diesen Kernbereich der modernen Produktion so grundsätzlich umgewandelt, dass bestimmte Märkte deutlich geschrumpft oder gar komplett verschwunden sind. Dies betrifft etwa Internetsoftware, Software für Programmierer/innen und Enzyklopädien. In diesen Bereichen haben sich frei verwendbare Programme wie Apache, Firefox, WordPress, frei nutzbare Programmiersprachen wie Python, Entwicklungsumgebungen wie Eclipse sowie die freie Internet-Enzyklopädie Wikipedia durchgesetzt. Konkurrenzangebote, die gemäß der üblichen kapitalistischen Logik nur käuflich erwerbbar sind, haben nahezu keine Chance mehr. Indem sie Märkte zum Verschwinden bringt, weist diese Bewegung über den Kapitalismus hinaus. Zugleich basiert sie aber auf Voraussetzungen, die im Kapitalismus entstehen und der kapitalistischen Logik zufolge entstehen müssen. (…)
Wozu?
Der weise Sokrates (469-399 v. Chr.) sah mit einer Gruppe von Schülern zu, wie ungeheure Mengen der verschiedensten Waren, die die Schiffe herzugetragen hatten, vom Hafen Piräus nach Athen abtransportiert wurden, um dort den kauflustigen und anspruchsvollen Bürgern angeboten zu werden; da meinte er, vergnüglich mit der Hand den langen Bart herabstreichend: »Wie viele Dinge gibt es doch auf unserer bunten Welt, die ich nicht brauche.«
Überlieferte Anekdote
Mütze
Da kann ich auch noch einen hinterher setzen
“Zivilisation ist die ständige Vermehrung unnötiger Notwendigkeiten.” Dota Kehr
Passt hier vielleicht nicht 100% rein, aber dochist was Wahres dran.
rob
Naomi Klein ist, so viel ich weiß, keine Amerikanerin, sondern Kanadierin bzw. Québecoise.
Peter M.
@ rob – Danke für den Hinweis – ist schon korrigiert!