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Wall Street besetzen

Das Adbusters Magazine [1], selbsternanntes „Culture Jammer’s Headquarter”, macht nicht nur mit seiner Zeitschrift und dem Begründer Kalle Lasn von sich reden, sondern auch regelmäßig mit Aufrufen zu recht spektakulären konsumkritischen (Buy Nothing Day [2]) oder sogar revolutionären (Week of Carnivalesque Rebellion [3]) Aktionen. Immer getragen von einem sehr skeptischen Blick auf unsere Kommerz- und Reklamegesellschaft, auf unsere mediale Spektakelgesellschaft, auf unser oft sehr zerstörerisches und auf Wachstum fixiertes Wirtschaftssystem.

Nun wendet sich Adbusters einer Branche zu, die, wenn man es mal recht bedenkt, bei vielem, was sich so im wirtschaftlichen Bereich an negativen Entwicklungen ergibt, als Strippenzieher im Hintergrund und als Geldgeber und Zinseintreiber aktiv ist – die Finanzindustrie und Bankinstitute. Nicht nur in der sogenannten Finanzkrise, in der der Steuerzahler die Banken mit Steuergeldern stützen und rauspauken musste (um auch die eigenen Einlagen und Ersparnisse zu retten), nein, auch jetzt wieder in Zeiten der EU-Rettungsschirme für Griechenland und andere in Schieflage geratene Staatshaushalte, sind die Banken vorne dabei, wenn es geht, absurde Renditen für sich selbst einzufahren und die Risiken dann auf die Gesellschaft zu verteilen. Darauf will Adbusters mit einer neuen spektakulären Aktion hinweisen – „Occupy Wall Street [4]“.

Momentan findet ein weltweiter Wandel der revolutionären Taktiken statt, der große Hoffnungen für die Zukunft macht. Der Geist dieser frischen, unverbrauchten Taktik, eine Mischung des Tahrir [5] mit den Acampadas [6] Spaniens, wird in diesem Zitat formuliert:

„Die Antiglobalisierungs-Bewegung war der erste Schritt auf dem Weg. Damals war unser Modell, das System wie ein Wolfsrudel anzugreifen. Es gab ein Alphatier, ein Wolf, der das Rudel führte, und diejenigen, die ihm folgten. Nun hat sich das Modell entwickelt. Nun sind wir ein großer Schwarm von Menschen.“ Raimundo Viejo, Pompeu Fabra Universität Barcelona, Spanien

Der Charme dieser neuen Formel, und was diese neue Taktik so aufregend macht, ist ihre pragmatische Einfachheit: wir sprechen miteinander in verschiedenen physischen Versammlungen und virtuellen Gruppen… wir kreisen die eine Forderung ein, die wir aufstellen werden, die eine Forderung, die unsere Vorstellungskraft weckt und, wenn sie erreicht wird, uns weit nach vorne bringt in Richtung der radikalen Demokratie der Zukunft… und dann gehen wir raus und blockieren einen wichtigen symbolischen Ort und riskieren etwas, um unsere Forderung wahr werden zu lassen.

Die Zeit ist reif, diese sich entwickelnde Kriegslist gegen einen der größten Korrumpierer unserer Demokratie aufmarschieren zu lassen: Wall Street, das finanzielle Gomorrah Amerikas.

Am 17. September wollen wir 20.000 Leute sehen, die nach Lower Manhattan strömen, Zelte aufschlagen, Küchen errichten, friedliche Barrikaden und Wall Street für einige Monate besetzen. So bald wir dort sind, werden wir eine einfache Forderung mit einer Vielzahl von Stimmen wiederholen.

Tahrir hatte vor allem deshalb Erfolg, weil die Menschen in Ägypten ein direktes, einfaches Ultimatum stellten – dass Mubarak abdanken muss – und dieses so lange wiederholten, bis sie gewonnen hatten. Wenn wir diesem Modell folgen wollen – welches ist unsere vergleichbar einfache Forderung?

Der aufregendste Kandidat für eine Forderung, den wir bisher gehört haben, ist eine Forderung, die in das Herz dessen zielt, weshalb das amerikanische Politik-Establishemnt derzeit nicht wert ist, eine Demokratie genannt zu werden: wir verlangen, dass Barack Obama eine präsidiale Kommission einberuft, deren Aufgabe es ist, den Einfluss, den das große Geld auf unsere Repräsentanten in Washington hat, zu beenden. Es ist Zeit für Demokratie statt Konzernokratie; ohne dies sind wir verloren.

Diese Forderung scheint die aktuelle Stimmung in der Bevölkerung abzubilden, denn die Korruption in Washington zu beenden ist etwas, nach dem sich alle Amerikaner, egal ob rechts oder links, sehnen und hinter dem sie stehen können. Wenn wir, 20.000 Mann stark, dort ausharren, Woche um Woche, gegen jeden Versuch der Polizeit und der Nationalgarde, uns von der Wall Street zu vertreiben, wird es unmöglich für Obama sein, uns zu ignorieren. Unsere Regierung müsste sich offen dafür entscheiden, ob sie den Willen der Menschen oder die Gier der Konzerne respektiert/unterstützt.

Dies könnte der Beginn einer ganz neuen sozialen Dynamik in Amerika werden, ein Schritt über die Tea Party-Bewegung hinaus, bei wir Menschen, anstatt hilflos in der derzeitigen Machtstruktur gefangen zu sein, anfangen, das bekommen, was wir wollen – sei es die Demontage der Hälfte der 1.000 Militärbasen, die Amerika in der ganzen Welt betreibt bis hin zur Wieder-in-Kraft-Setzung des Glass-Steagall Acts [7] oder einer Regelung, bei der schädlcihe Firmen nach drei Verwarnungen aus dem Markt genommen werden. Wir fangen mit einer einfachen Forderung an – einer präsidialen Kommission, um Geld von Politik zu trennen –, um eine Agenda für ein neues Amerika aufzustellen.

Schreibt einen Kommentar [8] und helft Euch gegenseitig dabei, die eine Forderung herauszuarbeiten, die wir stellen werden. Und dann lasst uns unseren Mut zusammennehmen, unsere Zelte packen und am 17. September zur Wall Street ziehen.

Es gibt auch schon erste Reaktionen auf diesen ambitionierten Plan (der in den USA vermutlich als eine Art terroristischer Akt angesehen werden dürfte) – und zwar im renommierten Forbes-Magazin – „From Tahrir Square to Wal Street [9]“.

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