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Ausbeutung für Bio-Ware

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© dachadesig, stock.xchng

Hach, ist sie nicht schön, die wunderbare Vorstellung, dass man seine Einkäufe einfach nur auf „Bio“ umstellen muss, um sich politisch und ökologisch korrekt zu verhalten und dem Elend in der Welt ein Ende zu bereiten? Der Grundgedanke der LOHAS, also die Politik des Einkaufwagens, durch die man sich ein reines Gewissen erkauft, erscheint auf den ersten Blick auch nicht verkehrt – und es ist definitiv wichtig, darauf zu achten, was man konsumiert und welchen Unternehmen man sein schwerverdientes Geld in den Rachen wirft. Das ist ja auch eine der Grund„regeln“, die ich hier im Blog propagiere – Konzernen, die aktiv daran mitarbeiten bzw. deren Geschäftsprinzip es ist, die Umwelt zu zerstören, Abhängigkeiten zu erzeugen, Menschen und Tiere auszubeuten, nur um die eigenen Aktionäre zufrieden zu stellen, die die potentiellen Kunden mit irreführender Reklame behelligen und versuchen, sich mit Hilfe von aggressivem schönfärberischen Marketing und Lobbyismus Vorteile zu verschaffen, dürfen nicht noch für ihr Treiben dadurch belohnt werden, dass man auch noch ihre Produkte kauft. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein – Globalisierungsgegner, die mit Nike-Sneakern an den Füßen und einer bei Lidl gekauften Coke in der Hand durch die Gegend ziehen, haben offensichtlich nicht so ganz zu Ende gedacht…

Der Ersatz von konventionellen durch Bio-Produkte im Einkaufskorb ist im Prinzip eine gute Sache und durchaus (oft) ein Schritt in die richtige Richtung. Aber: ganz so einfach ist es halt dann auch wieder nicht. Leider ist „Bio“ eben auch zu einem großen Markt, einem Geschäft geworden, das die Begehrlichkeiten der großen Firmen anzieht. Das aufgeweichte EU-Bio-Siegel hilft Großunternehmen und den großen Ketten wie den Discountern letztlich vieles beim Alten zu belassen und die industriellen Strukturen einfach auf den Bio-Bereich zu übertragen. So dass zuweilen dieselben Mechanismen greifen wie bisher, vor allem im sozialen Bereich. Das macht es leider schwierig, im Supermarkt blind auf Siegel zu vertrauen. Deutlich gemacht wurde mir dieses durch den Artikel „Bio-Exploitation [2]“ in der neuen Ausgabe des Malmoe-Magazins, in dem es um die schlimmen Zustände der Arbeiter in der spanischen Biobranche geht. Spaniens Landwirtschaft ist eh nicht dafür bekannt, sonderlich nachhaltig zu sein und hat den Bio-Zweig nun auch als gewinnbringend für sich entdeckt:

Über die miserablen Arbeitsbedingungen für Landarbeiter_innen, die im industriellen Sektor der europäischen Gemüse- und Obstproduktion vorherrschen, wird bereits seit Jahren vielfach berichtet, sei es in Mainstream-Medien oder in unabhängigen und kritischen Zeitungen, blogs und Filmen. Dokus wie „We feed the world“ oder „Unser täglich Brot“ haben einem relativ breiten Publikum hinreichend deutlich gemacht, dass billiges Obst und Gemüse nicht ohne die Verfügbarkeit einer Reservearmee von hyper-prekären, meist migrantischen, oft illegalisierten Arbeiter_innen zu haben ist. Worüber bislang jedoch relativ wenig gesprochen wurde, ist die Tatsache, dass auch die arbeitsintensiven Sektoren in der biologischen Landwirtschaft, v.a. größere, exportorientierte Betriebe, oftmals nach derselben Logik funktionieren. (…)

Einziger Haken: In den Regelwerken für biologische Landwirtschaft finden sich keinerlei explizite Parameter in Bezug auf Arbeitnehmer_innenrechte. Regelwerke wie beispielsweise globalgap [3], die diese Aspekte aufgreifen, unterliegen keiner öffentlichen Kontrolle und wurden von Unternehmen selbst geschaffen. Sie sind die strategische Antwort der Supermarktketten auf Streiks und Widerstand in der industriellen Landwirtschaft sowie auf Kampagnenarbeit gegen die Einkaufspraxis der Großverteiler – nicht viel mehr als ein Feigenblatt.
Vor dem Hintergrund dieser Situation ist es nicht allzu verwunderlich, dass in einem Bio-Großbetrieb in Almería aktuell ein Arbeitskampf ausgebrochen ist, bei dem marokkanische und rumänische Arbeiter_innen um ihre Wiedereinstellung bzw. um bessere Arbeitsbedingungen und höheren Lohn kämpfen. (…)

(…) Doch – wie oft in ähnlichen Fällen – ist dies nur die Spitze des Eisbergs: Die Arbeiter_innen berichteten der SOC von einer Reihe von Verstößen: Nicht-Einhaltung des kollektivvertraglichen Lohns, oft Arbeitszeiten von 9 Uhr morgens bis 1 Uhr nachts bei gleichzeitiger Vorenthaltung des Überstunden-Zuschlags, automatischer Abzug des Lohns für eine halbe Stunde, wenn eine Pause von mehr als fünf Minuten eingelegt wurde. Des Weiteren Akkordarbeit in den Abpackhallen und Androhung, hinausgeschmissen zu werden, wenn eine bestimmte Quantität nicht erreicht wurde. Heben von 20 Kilogramm schweren Kisten, auch für schwangere Frauen.
Zwar sind aktuell auf Druck der SOC sechs Arbeiter_innen wiedereingestellt worden, allerdings mit der Auflage, ein Papier zu unterzeichnen, dessen Inhalt ihnen nicht erklärt wurde. Es hatte zum Inhalt, dass die Unterzeichnenden sich vollständig von jeglicher gewerkschaftlichen Betätigung distanzieren sowie gegen den Erhalt einer gewissen Summe an Geld auf Abfindungs-Zahlungen verzichten. (…)

Übrigens hat auch Dorian Cantzen in der letzten Ausgabe des Berliner Magazins Berglink einen interessanten Artikel zu den Arbeitsbedingungen bei der Bio-Supermarktkette Bio Company geschrieben (hier online abrufbar [4]), der zeigt, dass selbst bei Bioketten zuweilen erschreckend niedrige Stundenlöhne gezahlt werden, um die eigene Rentabilität zu sichern (auch wenn der Artikel gerade zu Beginn unpassend reißerisch von „noch schlimmeren Arbeitsbedingungen als bei Discountern“ schreibt, ganz zum Schluss jedoch klar stellt, dass es sich nur um den auf dem Papier stehenden Lohn, nicht um die Arbeitsbedinungen als Ganzes handelt; wie diesbezüglich die Realität bei Discountern ausschaut, ist bekannt [5]…).

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