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Lesetipps: Konsum in Dresden | Deutsche Bank | Bayer und die Uni Köln | Alternativlosigkeit

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© svilen001, stock.xchng

Was macht man am besten, wenn man als Unternehmen davon abhängig ist, dass einem die Gesellschaft nicht die Geschäftsgrundlage entzieht und sie einen außerdem vor wirtschaftlichen Rückschlägen schützt – so wie im Bankenbereich? Richtig, man bemüht sich schon möglichst früh, Lobbyarbeit an der Basis zu leisten, um das Meinungsbild der Menschen entsprechend ganz im eigenen Sinne vorzuformatieren. Nun ist es nicht neu, dass große Konzerne sich in den letzten Jahrzehnten immer wieder und vermehrt in den Bildungsbetrieb einmischen – man denke an die Bertelsmann Stiftung oder auch an BP; das britische Unternehmen hat eigene (bewachte!) Bereiche an amerikanischen Unis, an der Studenten exklusiv für sie forschen (was in der Doku „Gekaufte Wahrheit [2]“ von Bertram Verhaag sehen kann). Aus der Sicht der Unternehmen, die ihren eigenen Profit und den Ausbau ihrer Marktmacht im Blick haben, ist das durchaus verständlich. Ob es auch für die gesamte Gesellschaft von Vorteil ist, wenn einstmals freie Lehre solcherrt kanalisiert wird, darf bezweifelt werden. Von daher finde ich die beiden folgenden Meldungen eher bedenklich – die taz berichtet in „Wissen von der Deutschen Bank [3]“ darüber, wie sich das Bankinstitut an Berliner Unis mit eigenen Instituten einen Wissensvorsprung zu sichern versucht:

Die Privatwirtschaft soll Verantwortung an den Unis übernehmen, fordert die Bundesregierung. Wie weit die inzwischen reicht, zeigt ein bislang geheimer Vertrag.

Mitsprache in der Lehrkonzeption, Lehraufträge für Bankmitarbeiter, Vetorecht bei der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen, gesonderte Werberechte an der Uni. Mit einem exklusiven “Sponsoren- und Kooperationsvertrag” hat die Deutsche Bank sich an zwei Berliner Universitäten weitreichende Mitspracherechte zusichern lassen. Das belegt ein Vertrag, den der Berliner Politikwissenschaftler Peter Grottian am Donnerstag veröffentlichte. (…)

Besonders an der Vereinbarung sind die umfassenden Mitwirkungsrechte, die sich die Bank zusichern lässt. So heißt es: “Alle Forschungsergebnisse der Universitäten oder ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die im Rahmen der zwischen den Vertragspartnern abgestimmten Forschungsprojekte entstehen, sind der Deutschen Bank […] zur Freigabe vorzulegen.” Kenntlich machen will sie ihren Einfluss ungern: “Die namentliche Erwähnung der Deutschen Bank in einer Veröffentlichung ist in jedem Fall nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung der Deutschen Bank zulässig.” (…)

(…) Der nun öffentliche Vertrag ist von Relevanz, weil er auf drastische Weise zeigt, wie umfassend Mitwirkungsrechte von Unternehmen an Unis inzwischen sind. (…)

(Nachtrag: In einem Spiegel-Interview rechtfertigt sich Jörg Steinbach, der Präsident der TU Berlin: „Ich verstehe die Aufgeregtheit nicht [4]“.)

Praktisch zeitgleich machte eine andere Meldung auf Heise die Runde: „Geheimvertrag zwischen Bayer AG und Uni Köln vor Gericht [5]“. Wiederum versucht ein großes Dax-Unternehmen, bereits früh den Fuß in die Tür zu bekommen und Einfluss auf die Lehre und Forschung zu nehmen. (Ich erinnere mich bei der Gelegenheit auch noch an meine Zeit an der Uni Kiel – dort war es zu Beginn meines Studiums noch üblich, dass überall Reklame auch von lokalen Läden und kleinen, unentgeltlichen Initiativen gab. Dann, Ende der 90er, wurden diese Rechte an eine Vermarktungsgesellschaft übertragen, so dass man fortan viel Geld dafür zahlen musste, wollte man seine Dienste anpreisen – mit der logischen Folge, dass die Vielfalt drastisch abnahm und man statt dessen in einigen Vorräumen zu Vorlesungsräumen Hochglanzständer mit Prospekten der Deutschen Telekom sah. Die normierte kommerzielle Einheitstristesse hielt also dann auch hier Einzug.)

(…) Die Forschungskooperation erstreckt sich auf die Bereiche Onkologie, Neurologie und Kardiologie. Weil die Bedingungen nicht publik gemacht wurden, befürchten Kritiker negative Auswirkungen auf klinische Forschung und wissenschaftliche Standards. Die Kritiker haben sich zu dem gerichtlichen Vorgehen entschlossen, nachdem alle Forderungen nach Offenlegung des Vertrags oder Erläuterungen der Universität auf taube Ohren stießen.

“Eine aus Steuergeldern finanzierte Einrichtung muss der öffentlichen Kontrolle unterliegen”, sagt [6] nun CGB-Sprecher Philipp Mimkes. Dies gelte vor allem für den “sensiblen Bereich der Pharmaforschung”. Bereits Ende 2008 hatten deswegen zehn Organisationen die Offenlegung der Vereinbarung gefordert [7] und der Universität einen Fragenkatalog zukommen lassen.

Die Hochschule verweigert [8] seither nicht nur die Herausgabe des Vertrages, sondern auch die Antworten auf die Nachfragen. Damals wollten die unterzeichnenden Organisationen etwa wissen, inwieweit der Vertragstext die Freiheit der Forschung einschränkt, ob negative Ergebnisse auch publiziert werden und wie die Eigentumsrechte an etwaigen Innovationen geregelt sind. (…)

Irgendwie passt da dieser sehr lesenswerte Artikel aus dem Schweizer Tagesanzeiger wie die Faust aufs Auge – „Nichts ist ohne Alternative – auch nicht der Kapitalismus [9]“, denn es scheint ja inzwischen keine Bereiche mehr zu geben, die nicht dem marktwirtschaflichen Prinzip unterworfen werden dürfen, weil „der Markt ja alles besser regelt“…

Es stehe kein anderer Weg zur Verfügung als die Marktwirtschaft und die Globalisierung, heisst es. Das ist blosse Ideologie, meint der Schriftsteller Lukas Bärfuss. (…)

Havel schreibt: «Es sieht nicht so aus, als ob die traditionellen Demokratien ein Rezept zu bieten hätten, wie man sich grundsätzlich der Eigenbewegung der technischen Zivilisation, der Industrie- und der Konsumgesellschaft widersetzen könnte. Auch sie befinden sich in ihrem Schlepptau und sind ihr gegenüber ratlos. Nur ist die Art, wie sie den Menschen manipulieren, unendlich feiner und raffinierter als die brutale Art des posttotalitären Systems. Aber (…) diese ganzen komplizierten Strukturen der versteckt manipulierenden und expansiven Zentren der Kumulation des Kapitals, dieses allgegenwärtige Diktat des Konsums, der Produktion, der Werbung, des Kommerzes, der Konsumkultur, diese ganze Informationsflut – all dies, schon so oft analysiert und beschrieben, kann man wahrhaftig nur schwer als eine Perspektive, als einen Weg betrachten, auf dem der Mensch wieder zu sich selber finde.» (…)

(…) Was wir als Credo der freien Marktwirtschaft verinnerlicht haben, ist nichts anderes als das Ende der Aufklärung, das Ende jenes geistesgeschichtlichen Projekts vom «Ausgang der Menschheit aus ihrer selbst verschuldeten Unmündigkeit». Es ist das Ende jener Idee der Freiheit, die Immanuel Kant in der «Kritik der praktischen Vernunft» definiert hat und die Grundlage jeder freiheitlichen Verfassung ist: Freiheit bedeutet, tun zu können, was man tun soll. (…)

(…) Doch das Problem ist nicht die Komplexität der modernen Demokratien. Die Motive der Ausbeutung sind nicht kompliziert. Gier ist nicht kompliziert, Verschwendung ist nicht kompliziert, Gleichgültigkeit ist nicht kompliziert. Mord und Vertreibung sind nicht kompliziert. Im Gegenteil: Sie bezeichnen die grösstmögliche Vereinfachung der menschlichen Existenz – die Reduktion auf Gewinn und Verlust. Genauso wenig komplex ist unsere eigene Verstrickung, zum Beispiel in jenes Morden im Kongo, dem grössten Massaker seit dem Zweiten Weltkrieg. Unsere Interessen liegen offen zutage.

Kompliziert ist alleine die Verwirrung, in die uns diese Mitverantwortung führt. Kompliziert ist, dass wir einsehen, wie ungerecht der Wohlstand verteilt ist und dass wir gleichzeitig kaum bereit sind, etwas daran zu ändern. Kompliziert ist, dass wir unsere eigene Verantwortung abschieben auf ein System. Kompliziert ist, dass wir glauben, Freiheit besitzen zu können. (…)

Ebenfalls hochspannend ist der das Obige perfekt ergänzende dreiteilige Artikel „Arbeitszeitverkürzung – ein Manifest [10]“ im Le Bohémien:

Die Möglichkeiten einer alternativen Wirtschaftspolitik sind auch jetzt, 3 Jahre nach Beginn der Weltfinanz- und Wirtschaftskrise in Europa immer noch ein Tabuthema. Das „Window of Opportunity“, von dem so viele nach Ausbruch der Krise sprachen, scheint wieder geschlossen zu sein. Restriktive Sparkurse neoliberaler Dogmatik sollen im EU-Raum nicht nur die Staatshaushalte sanieren, sondern auch die Massenarbeitslosigkeit, die bei jungen Menschen besonders hoch ist, beseitigen. Doch die Strategien des IWF; denen sich die Schuldnerstaaten unterwerfen müssen, scheitern grandios.Gleichzeitig wird den Menschen, die vor allem in Griechenland und Spanien [11] auf die Strasse gehen, um gegen die staatliche Kürzungspolitik zu protestieren, oft Uneinsichtigkeit [12], bestenfalls jedoch Sinnlosigkeit ihres Anliegens unterstellt, da sich der Protest eben gegen alternativlose Sachzwänge richte. Damit aber wird auch in der öffentlichen und medialen Debatte die Mär aufrecht erhalten, dass die derzeitige Wirtschaftspolitik letztendlich doch der einzig richtige Weg sei.

Doch gerade das Problem der Massenarbeitslosigkeit, das man längst nicht mehr mit orthodoxen wirtschaftspolitischen Maßnahmen in den Griff bekommt, ist die entscheidende Ursache für den Druck auf Löhne und Sozialleistungen. Die „Armee der Reservearbeiter“ erlaubt es Unternehmern, die Arbeitnehmer und Arbeitslosen gegeneinander auszuspielen, und Rekordgewinne einzufahren. (…)

Die sächsische Landeshauptstadt Dresden mausert sich in den letzten Jahren zu einer Art Hochburg des kritischen Konsums und von Initiativen für einen alternativen Umgang mit Wirtschaft und Handel. Über das Umundu-Festival hatte ich ja seinerzeit schon berichtet (HIER [13]), und nun wird der nächste Schritt gegangen, um die konsumkritischen Tendenzen auch in konkrete neue Angebote umzumünzen: unter der Überschrift „Dresdner nehmen ihren Konsum selbst in die Hand – Anwohner der Äußeren Neustadt initiieren 1. Bio-Fair-Wochenmarkt der Stadt Dresden [14]“ berichtet der Elbtaler in einer aktuellen Meldung:

(…) Auf dem Markt werden ausschließlich regionale, biologische und faire Waren angeboten. „Wir reagieren damit auf das wachsende Bewusstsein für regionale Biolandwirtschaft und faire Produktionsbedingungen. Mit der Initiative soll ein nachhaltig orientierter Frischemarkt im Herzen der Neustadt etabliert und ein aktiver Beitrag zur nachhaltigen Stadtentwicklung geleistet werden.“ so Sascha Kornek, Mitbegründer des Marktes und des Umundu-Festivals für nachhaltigen Konsum. „Zudem soll der Markt mit Anwohnerfrühstück und spontanen Kultureinlagen als sozialer Treffpunkt im Stadtviertel dienen. Wir rufen alle Interessierten auf, sich aktiv an der Gestaltung zu beteiligen“ so Kornek. (…)

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