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Agropoly – Wenige Konzerne beherrschen die weltweite Lebensmittelproduktion

Globalisierung ist heutzutage zwar ein in den Medien häufig auftauchender, oft aber doch eher abstrakt bleibender Begriff. Bananen aus Ekuador, Kiwi aus Neuseeland, Elektrokram aus China – ist das bereits die Globalisierung? Nein, es gibt natürlich noch viele weitere Facetten. Dass die Konzentration auf den Weltmärkten für Lebensmittel (und deren Produktion) inzwischen weit fortgeschritten ist, habe ich durchaus ansatzweise geahnt, jedoch machte mit erst die neue EvB-Dokumentation „Agropoly – Wenige Konzerne beherrschen die weltweite Lebensmittelproduktion [1]“ klar, WIE weit dieser Prozess mittlerweile gekommen ist. Die Redaktion des Schweizer Vereins Erklärung von Bern hat sich in ihrem 17-seitigen, sehr übersichtlich und ansprechend gestalteten Heft einmal die Mühe gemacht, der Frage nachzugehen, wer unser Essen beherrscht. Dazu haben sie die einzelnen Märkte für z.B. Futtermittel, Saatgut, Pestizide, die Produktion, Verarbeitung und den Handel unter die Lupe genommen und zeigen, dass mittlerweile nur noch wenige Konzerne auf vielen Märkten dominieren – mit fatalen Folgen für Artenvielfalt, Umwelt und die Menschen.

Das Heft könnt Ihr Euch auf der EvB-Website für 6 Schweizer Franken bestellen [2], was ich nur jedem empfehlen kann, da man die komplexen Verstrickungen globaler Konzerne selten zuvor so kompakt und anschaulich präsentiert bekommen hat! Es wird auch schnell klar, dass beispielsweise Gentechnik zwar eine große Bedrohung für die Zukunft der Menschheit ist, aber bei weitem nicht die einzige oder schlimmste – selbst eine gentechnikfreie Entwicklung, die auf der „normalen“ industriellen Landwirtschaft basiert, wird Abhängigkeiten ungeahnten Ausmaßes erzeugen und bedeutet bereits jetzt vor allem in den ärmeren Ländern viel Leid bei den dortigen Bauern und Abnehmern.

Ein paar (wenige) Infos des Heftes stehen auch online bereit:

Kampf der Giganten

Die Weltbevölkerung und ihr Nahrungsmittelkonsum wachsen – wächst damit auch die Anzahl der im Nahrungsmittelbereich tätigen Firmen? Das Gegenteil ist der Fall: Konzerne kaufen kleinere Firmen und steigern so Marktanteile und Macht. Firmen können damit die Preise, Geschäftsbedingungen und zunehmend auch die politischen Rahmenbedingungen diktieren. Vieles, was wir im Norden verbrauchen, wird billig im globalen Süden produziert. Die Gewinne erzielen wenige überwiegend im Norden beheimatete Unternehmen. Die grossen Verlierer sind die Plantagenarbeiter und Kleinbauern im Süden als schwächste Glieder der «Wertschöpfungskette». In keiner anderen Bevölkerungsgruppe ist Hunger so verbreitet. Die Ökosysteme werden mehr und mehr zerstört.

Wir berichten über den Konzentrationsprozess in der Nahrungsmittelbranche und zeigen, dass die Industrialisierung und Konzentration in diesem Sektor in eine Sackgasse führt. Nachhaltige Landwirtschaft basiert auf Kleinbauern und regionaler Produktion.

Hohe Konzentration in wenigen Jahren
1996 hielten die zehn grössten Unternehmen der Saat­gutindustrie einen Marktanteil von unter 30 %. Heute kontrollieren die drei grössten Unternehmen über 50 % des Marktes. Das Saatgut wurde in vielen Fällen teurer. Die drei Marktleader beim Saatgut sind allesamt auch führende Pestizidverkäufer.

Die Mächtigen beherrschen die Kette
Bauern werden von den Konzernen unter Druck gesetzt. Einerseits durch niedrige Abnahmepreise bei Soja, Weizen und Mais, andererseits durch hohe Preise für Saatgut, Pestizide, Energie, Dünger­ und Futtermittel. Die Rekord­nahrungsmittelpreise 2008 führten daher bei Konzernen zu höheren Gewinnen und nicht bei Bauern, die die Risiken sowie negative Preisschwankungen tragen müssen.

Wer verdient?
Zum Beispiel: Vietnamesische Aquakulturfarmer produzieren Pangasius­-Fisch, der in Europa etwa 10 USD pro Kilo kostet. Der Farmer erhält davon 1 USD. Nach Abzug der Pro­duktionskosten beträgt der Verdienst 10 Cent je Kilo. Dabei tragen die Farmer die Risiken in der Aquakultur, wie Fischkrankheiten und Wetter­probleme; viele sind verschuldet.

Die Kette im Griff
Zusätzlich zur horizontalen Konzentration, bei der ein Unternehmen grosse Marktanteile beherrscht, breitet sich bei der ver­tikalen Integration ein Unternehmen in die vor­ und nachgelagerten Bereiche aus. Dabei geht es weniger um eine Verteilung der Geschäftsrisiken über mehrere Branchen, sondern vor allem um die Kontrolle der Wertschöpfungskette und den Zugriff auf billige Rohstoffe.

Wertschöpfungskette statt Nährstoff- und Energiekreislauf
Was früher im Sinne einer Kreislaufwirtschaft auf dem Hof produziert wurde – Saatgut, Jungtiere, Futtermittel, Dünger – ist heute eine industrialisierte und globalisierte «Wertschöpfungskette» für Nahrungsmittel und Agrotreibstoffe mit negativen Folgen für Böden, Wasser, Klima, Tierschutz und Gesundheit.

Lobby statt Wettbewerb
Der Einfluss der Nah­rungsmittelkonzerne auf Politik und Öffentlich­keit wächst. Tausende von Lobbyisten setzen sich für Konzerninteressen ein. Oft werden Kon­zernvertreter in staatlichen Einrichtungen plat­ziert. Mit Erfolg: Bei Nahrungsmittelstandards, Zulassungen von Pestiziden oder Gentechsaat­gut, Handelsabkommen oder der Agenda der öf­fentlichen Forschung können sie ihre Interessen oft durchsetzen.

Der Welthandel dominiert die Preise
85 % aller Nahrungsmittel werden lokal konsumiert. Auf die Preise hat der globale Handel dennoch massiven Einfluss. Im Börsenhandel wird mit einem Mehrfachen der realen Menge speku­liert. Mais und Soja rangieren gleich nach dem Rohöl.

(…)

Was kann ich als KonsumentIn tun?

Es ist für KonsumentInnen kaum möglich, den Überblick über die Wertschöpfungskette unserer Nahrungsmittel zu bewahren. Als die EvB 2010 die Schweizer Detailhändler fragte, ob sie wüssten, mit welchem Saatgut die Früchte und Gemüse in ihrem Sortiment produziert werden, haben alle unisono verneint. Wenn jedoch nicht einmal die Supermärkte über die Herkunft der Nahrungsmittel informiert sind, wie sollen es die KonsumentInnen sein? Es braucht deshalb zuerst einmal mehr Transparenz.

Und natürlich können wir schon jetzt etwas tun:

  • Personal immer wieder nach Herkunft und dem sozialen und ökologischen Hintergrund der Produkte fragen
  • mit Briefen an das Management und Anfragen in Meinungsbriefkästen mehr Transparenz fordern
  • auf lokalen Märkten und beim Direktvermarkter saisonal und regional einkaufen
  • Fairtrade- und Bioprodukte bevorzugen
  • auf Marken grosser Unternehmen verzichten. Was für einzelne KonsumentInnen gilt, gilt selbstverständlich auch für die Einkäufer von Verwaltungen und Privatfirmen.

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