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Die Durchkommerzialisierung der digitalen Welt – Teil 1: Facebook

„Es war einmal…“ So fangen für gewöhnlich Märchen an. Hoffentlich werden nicht irgendwann unsere Enkel und Urenkel von Anfangstagen des Internets und des freien Informationsflusses so erzählen müssen: „Es war einmal eine Zeit, in der immer größeren Bevölkerungsschichten Informationen zugänglich wurden und politische und demokratische und kritische Meinungsbildung für viele Menschen erschwinglich und möglich wurde. Dann kamen die großen Konzerne, entdeckten die digitalen Medien für sich und nahmen sie fortan für sich in Beschlag.“ Der Trend zu immer mehr Kommerz im Netz ist ja nun schon seit Jahren in vollem Gange, und seitdem die Medienkonglomerate die Bedeutung des neuen Mediums erkannt haben, drängen sie immer stärker auf eine Art gewinnmaximierende Gleichschaltung. Natürlich versucht auch die Politik, zunehmend Einfluss auf das Internet und die dort vorhandenen Meinungs- und Informationsströme zu nehmen (nicht nur in Diktaturen wie Libyen etc., sondern auch im ach so demokratischen Westen, Stichwort „Netzsperren“), aber in meinem heutigen Artikel soll es um die wirtschaftlichen Interessen gehen, die zum Teil den politischen jedoch durchaus in die Hände spielen. Haben wir eh nur „Die Illusion vom freien Internet [1]“, wie der Slow-Media-Blog vor einigen Monaten urteilte?

Wenn wir den Googles, Facebooks, Amazons und Ebays dieser Welt das Internet überlassen, degradieren wir das Internet zu einer Manipulations- und Marketingmaschine. Jede Gesellschaft – ja sogar jede Gemeinschaft – sollte dafür sorgen, ihre wichtigen Inhalte und Schnittstellen nicht vollständig zu ökonomisieren. Regeln wie die Buchpreisbindung, das Pressegrosso und das Rundfunkrecht sind aus dieser Erkenntnis entstanden und haben sich in der “alten” Medienwelt über Jahrzehnte bewärt. Jetzt geht es darum, die Freiheit der Medien politisch und ethisch und nicht wirtschaftlich getrieben zu fördern. (…)

Direkte Auswirkungen auf ein offenes und den User durch Anonymität schützendes Web nehmen erfolgreiche Plattformen wie Facebook – die Firma ist ja nicht nur wegen ihres recht laxen Umgangs mit dem Datenschutz in der Kritik [2], sondern auch, weil sie mit ihrem „Like“-Button das Netz durchziehen und somit eine Art freiwilliger (aber vielen nicht bewusst seiender) Dokumentation des Surfverhaltens der User anlegen, die nicht zuletzt dazu dient, passende Reklameplätze zu verkaufen. Die WDR-Sendung markt brachte letzte Woche eine mittelmäßig gelungene, eher oberflächliche, aber zum Teil doch noch hinreichend ansehnliche kurze Einführung in diese Problematik – „markt-Scanner: Facebook [3]“ (auf der dortigen Seite kann man sich den Beitrag noch online anschauen):

Die Hintermänner von Facebook wissen von zahllosen Nutzern weit mehr, als denen lieb sein dürfte. markt-Scanner durchleuchtet die Strukturen und fragt, wie man Facebook nutzen kann, ohne allzu viel von sich preiszugeben. (…)

WDR-Computerexperte Jörg Schieb warnt: „Als Benutzer weiß ich gar nicht, welche Daten da eigentlich gesammelt werden, zu welchem Zweck, was damit angestellt wird und wie lange die gespeichert bleiben. Das ist eine regelrechte Blackbox für mich als Benutzer.“ Der Experte sieht zahlreiche Missbrauchsmöglichkeiten, schließlich sei der Schutz der Daten vor dem Zugriff Dritter nicht gewährleistet. Er hält es sogar für möglich, „dass amerikanische Behörden mal früher oder später darauf zugreifen werden – Geheimdienste zum Beispiel. Und da wird man ganz sicher nicht informiert. Das ist ein großes Problem, weil die Datenschutzbestimmungen, die es in Deutschland gibt, in den USA gar keine Rolle spielen“. (…)

Christiane Schulzki-Haddouti geht da in der ZEIT noch eine ganze Ecke skeptischer an das ganze Phänomen heran und fragt sich „Korrumpiert Facebook mit seinem Like-Button das Netz? [4]“ – eine, wie ich finde, mehr als berechtigte Frage, wenngleich Facebook eben auch verdammt praktisch ist, um Dinge, die man im Netz gefunden hat, mit anderen zu teilen und über sie zu kommunizieren:

(…) Viel gravierender dürfte jedoch sein, dass Facebook mit dem Button eine neue Bewertungswelt aufbaut, die für Link-basierte Suchmaschinen nicht zugänglich ist. Suchergebnisse könnten damit mangels Gewichtungs-Input durch die Nutzer schlechter werden. Der eigentliche Mehrwert des Internet, der vor allem auf seiner Offenheit basiert, würde über kurz oder lang beeinträchtigt – und es würden viele kleine, privatisierte Teilnetze entstehen, die jeweils gewinnbringend vermarktet werden.

Für die Informationsbeschaffung könnte sich der Like-Button damit als schlimmer erweisen als sämtliche Zensurversuche, da viele Informationen einfach hinter Zugangssperren verschwinden. Das eigentliche Teilen der Information würde exklusiv werden. Der Grundgedanke, der hinter dem World Wide Web steht, der offene Informationsaustausch, wäre damit korrumpiert.

Dazu passt auch „Facebook tracks and traces everyone: Like this! [5]“, eine ausführliche Studie der Tilburg University (auf Englisch), deren Erkenntnisse sehr bedrohlich klingen, da offenbar auch Daten von Nicht-Facebook-User durch den Konzern gesammelt werden könn(t)en:

(…) It appears that non-Facebook members can also be traced via the Like button. This means that Facebook’s tentacles reach far beyond their own platform and members. Due to the extensive web coverage with Like buttons, Facebook has a potential connection with all web users. Web activity can be linked to individual accounts or a separate data set can be created for individuals who are not (yet) a Facebook member. The hidden collection of data on browsing behavior and the creation of individual data sets has implications for the privacy of individuals.

Aber damit leider noch nicht genug – die extrem große Aufmerksamkeit, die solch sozialen Netzwerke bei vielen Menschen inzwischen haben, verleitet Unternehmen inzwischen dazu, diese Netzwerke für ihre Zwecke zu manipulieren, wie das ZDF meldet – „Digitale Marionetten für die Meinungshoheit im Netz [6]“:

Interne Dokumente einer amerikanischen IT-Sicherheitsfirma belegen, dass Spezialisten an einer Software zur Manipulation sozialer Netzwerke arbeiten. Künftig könnten Diskussionen in Blogs, Foren und Internetseiten massiv im Sinne von Unternehmen und Regierungen beeinflusst werden. (…)

Denn der amerikanische IT-Sicherheitsdienstleister HBGary Federal entwickelt offenbar eine “Persona Management Software”, mit deren Hilfe massenhaft virtuelle Identitäten erstellt und verwaltet werden können. Das geht aus einem internen Dokument der Firma hervor. Mit Hilfe dieser Software kann ein einzelner Nutzer problemlos Dutzende solcher virtueller Marionetten steuern. Sie würden neben einem anonymen Mailaccount und einem anonymisierten Internetzugang über ausgefeilte Identitäten in sozialen Netzwerken verfügen, zum Beispiel bei Facebook und Twitter. Zudem könnte man sie auch bloggen lassen. (…)

(…) “Damit soll ein Meinungskonsens inszeniert werden”, schreibt das amerikanische Polit-Blog Daily Kos, das die Dokumente veröffentlicht hat. Zu befürchten sei, dass progressive Graswurzelbewegungen im Keim erstickt, und missliebige Diskussionen manipuliert werden sollen. Das Blog verweist auch darauf, dass die Konzernmutter von HBGary Federal vor allem für die amerikanische Regierung tätig sei. Viele Mitarbeiter hätten zuvor bei der Nationalen Sicherheitsbehörde NSA gearbeitet, dem größten Militärnachrichtendienst der USA. (…)

Abschließend noch ein ganz aktueller Beitrag des NDR-Medienmagazins ZAPP – „Facebook: Undurchsichtiger Umgang mit Daten [7]“:


EDIT: Aktuelle Ergänzung im Spiegel „Vorgefiltertes Web – die ganze Welt ist meiner Meinung [8]“:

Es ist eine schleichende, unheimliche Veränderung: Bei Facebook, Google oder Amazon entscheidet Software, was der Nutzer zu sehen bekommt und was nicht. Nur wenigen ist bewusst, wie stark Algorithmen inzwischen unser Bild von der Wirklichkeit bestimmen – was nicht passt, schluckt der Filter (…)

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