- Konsumpf – Forum für kreative Konsumkritik – Culture Jamming, Nachhaltigkeit, Konzernkritik, Adbusting - https://konsumpf.de -

Lesetipps: Guttenberg-Sonder-Edition

Foto: Wikipedia

Gerade einmal eine gute Woche ist vergangen, als ich hier im Blog über die Guttenberg-Plagiatsaffäre berichtete [1], und eigentlich ist es ja nicht meine Art, Themen so kurz hintereinander erneut aufzugreifen, noch dazu wo es auch ums tagespolitische Geschäft geht. Aber an Hand des aktuellen Beispiels des Copy-Paste-Freiherrn kann man so mustergültig das Wirken unserer Demokratie, also von politischen Machterhaltsbestrebungen und medialem Lagerkampf beobachten, dass es sich doch lohnt, einen Blick darauf zu werfen, was sich in den letzten Tagen so getan hat.

Allen voran möchte ich Euch UNBEDINGT den Beitrag auf BR-Online „Wir sind einem Betrüger aufgesessen [2]“ ans Herz legen, in dem der Bayreuther Staatsrechtler Prof. Lepsius in bislang selten gehörter Deutlichkeit Stellung zu Guttenbergs Verhalten nimmt. Solch einen Klartext wünscht man sich auch anderswo, und es wäre schön, wenn dieses Interview z.B. auch an prominenter Stelle im Fernsehen ausgestrahlt werden würde und nicht in den Untiefen des Netz vergammelt:

“Für mich steht außer Frage, dass Herr zu Guttenberg ein Betrüger ist.” Guttenberg habe planmäßig kopiert, so Lepsius. Die Arbeit sei von Anfang an als Collage geplant: “Das ist kein Versehen”. Auch die Entschuldigung des Verteidigungsministers, nicht absichtlich ein Plagiat angefertigt zu haben, kann der Staatsrechtler nicht nachvollziehen: “Wie kann jemand etwas tun, und nicht wissen was er tut.” Bei Guttenberg habe es sich nicht um einen Studenten im zweiten Semester gehandelt. Er habe die Arbeit am Ende eines langjährigen Promotionsverhältnisses abgegeben. Lepsius spricht von “Wirklichkeitsverdrängung”.

Gerade bei dem Auftritt von Herrn Guttenberg vor seinen CDU-Anhängern in Hessen befiel mich ein sehr ungutes Gefühl – wenn jemand so viel Jubel auf sich zieht, obwohl er die vor ihm sitzenden noch in der Woche zuvor dreist angelogen hat („abstruse Vorwürfe“) und wenn die Leute so jemanden trotzdem weiter als den Heiland anhimmeln, dann halte ich das für gefährlich. Vielleicht entspringt das dem Wunsch vieler Menschen, zu jemanden aufsehen zu können und es entpricht einer tief sitzenden Sehnsucht nach einer Persönlichkeit, der sie blind folgen können. Wäre ja nicht das erste Mal in der deutschen Geschichte… Genau diesen Gedanken formuliert auch Feynsinn in „Win-win mit dem Führer [3]“:

(…) Dieser „Einbruch einer Popkultur“ ist absolut nichts Neues. Die Blindheit selbst gegenüber unerträglichen und unmenschlichen Zügen, die Spaltung in die schmutzige Realität hier und die Unantastbarkeit der Führerfigur dort, das hatten wir alles schon. Wenn der smarte adelige Volkstribun von und zu Guttenberg einen betrügerischen Aufschneider und hemmungslosen Karrieristen von sich abspaltet wie eine charakterliche Bad Bank, dann bedient das die Bedürfnisse derjenigen, die sich entrückt jedem Führer unterwerfen, der ihnen vorgesetzt wird. Allen anderen kann dabei nur übel werden. (…)

In einigen weiteren interessanten Artikel werden noch zusätzliche Aspekte der ganzen Affäre herausgearbeitet – so das populistische Ausschlachten (oder gar Anstacheln) einer anti-intellektuellen Grundhaltung in der Bevölkerung durch BILD & Co., der weitere Verlust an Glaubwürdigkeit von Politik und Presse und die Macht von Strippenziehern und Beziehungsgeflechten in der real existierenden Demokratie. Ich kann die folgenden Beiträge alle uneingeschränkt empfehlen, da sie jeweils unterschiedliche Facetten beleuchten!

Zum Abschluss noch der Kommentar von Matthias Lohre in der taz: „Ein Held wie wir [11]“; der Artikel geht auch kritisch mit den Medien wie Spiegel und Stern ins Gericht, die Guttenberg erst hochjubelten und nun eine 180°-Wendung vollzogen haben:

(…) Helden existieren nicht aus eigenem Recht. Es gibt sie, weil Menschen an sie glauben. Heroen sind Projektionen menschlicher Sehnsüchte, und Guttenberg bedient diese perfekt. Ein Held wie er stürzt nicht durch Rücktrittsforderungen oder universitäre Prüfaufträge. Sondern wenn seine Anhänger ihm die Zuneigung entziehen. Guttenberg ist noch nicht am Ende. (…)

(…) Offenkundig halten es also fast drei Viertel der Befragten nicht für ächtenswert, das geistige Eigentum anderer als eigene Leistung auszugeben und die Öffentlichkeit zu belügen, wenn die Wahrheit bekannt wird. Das sagt viel über Guttenberg und das Niveau der politischen Debatte. Aber es sagt mindestens ebenso viel über die Moralvorstellungen breiter Bevölkerungsschichten. Jede Gesellschaft hat die Helden, die sie verdient.

Griechische Heroen waren keine fehlerlosen Vorbilder, sondern überlebensgroße Projektionen jener Menschen, die diese verehrten. Das bedeutet: Wer einen Helden verehrt, ehrt auch sich selbst. Darum geht es auch bei Guttenberg. Der Held darf nicht fallen, denn das würde eine Kränkung des Verehrenden bedeuten. So wie sich Menschen gern etwas verzeihen, was sie ihren Mitbürgern vorwerfen, sehen sie ihrem Heroen nur zu gern Fehlverhalten nach: Er ist ja auch nur ein Mensch. (…)

(…) So versucht der Minister geschickt, die Rollen in dieser Erzählung zu vertauschen. Nicht er, der Trickser und Täuscher, ist der Schurke. Seine Kritiker sind es, die ihn durch Gerede über “inkorrektes Setzen und Zitieren” oder das Weglassen von Fußnoten von seinem Heilswerk abhalten. (…)

Und um die leidige Geschichte mit einer humorigen Note zu beschließen – DerBulo zeigt uns, „Wie Ihr Guttenberg ungestaft eins auf die Nase geben könnt [12]“:

EDIT 1.3.: … und tschüss! [13] :-) Siehe auch den Kommentar der NachDenkSeiten [14].

Verwandte Beiträge: