Jun
02
2013
2

Süße Geschäfte

Ich frage mich ja seit jeher, wie man wohl mental gestrickt sein muss, um erfolgreich in der Werbebranche arbeiten zu können. Als Reklame- oder Marketingmensch muss man schließlich seine ethisch-moralischen Maßstäbe an der Firmentür abgeben und die fatalen Auswirkungen seines Tuns verdrängen, sonst könnte man es kaum aushalten, seinen Lebensunterhalt mit dem Verführen und Belügen von Menschen zu bestreiten. Besonders perfide wird es ja im Bereich des Marketings, das sich an Kinder richtet (siehe auch den letzten Beitrag über den Goldenen Windbeutel) – hier stellt die „Lebens“mittelindustrie reihenweise Produkte her, die schädlich für die Gesundheit ihrer kleinen Kunden sind, d.h., deren Konsum keinen positiven Effekt hat, außer den, die eigenen Kassen zu füllen. Und tatsächlich finden sich genug Typen, die ihre Tage damit verbringen, sich Strategien auszudenken, die Vermarktungsstrategie noch lückenloser zu machen, um noch mehr von dem giftigen Zeugs abzusetzen. Im Grunde handeln Lebensmittelkonzerne nicht anders als Leute, die Kindern auf dem Schulhof Drogen verticken – sie versuchen mit aller Macht, sie abhängig von Sachen zu machen (wie Zucker, künstlichen Aromen etc.), die ihnen schaden. Die Zeit brachte neulich einen höchst lesenswerten, umfassenden Artikel zu der Problematik – „Kindermarketing: Süße Geschäfte“. Lesetipp!

Zuckrig, fettig, salzig – und unwiderstehlich. Kinder sind zu jung, um die Mechanismen der Werbung zu durchschauen. Die Lebensmittelhersteller nutzen das auf immer raffiniertere Weise aus.

(…) Es ist erstaunlich: Der deutsche Staat schreibt den Kindern heute vor, dass sie Helme tragen, wenn sie sich auf ein Fahrrad setzen. Er bestimmt über die Türbreite in Kindergärten, damit auch alle Jungen und Mädchen hindurchpassen, wenn es brennt. Er kontrolliert, ob Eltern ihre Kinder regelmäßig vom Arzt untersuchen lassen. Er beschützt die Kinder vor allen erdenklichen Gefahren. Wenn es aber um Werbung geht, ist alles erlaubt.

(…) Der vielleicht noch größere Schaden aber entsteht in den Köpfen der Kinder. Die Unternehmen fordern sie nicht mehr nur auf, Schokoriegel zu essen – sie reden ihnen jetzt ein, sie seien Teil einer großen Schokoriegel-Erzählung. (…)

Essen ist kein Essen mehr, sondern Markenbotschafter. Geschichten sind keine Geschichten mehr, sondern Werbung. Die für Kinder wichtigsten Rituale – Essen und Geschichtenerzählen – werden kommerzialisiert. Die Unternehmen dringen nicht nur in die Familie und den Sportverein vor, sie versuchen auch, die Gedanken- und Gefühlswelt der Kinder zu besetzen. (…)

Verwandte Beiträge:

Drucken Drucken
Mrz
15
2012
16

Wie die Industrie aus Kindern Junkfood-Junkies macht

Es ist – zumal für Leser meines Blogs – eigentlich keine neue Erkenntnis, die uns Foodwatch da vorgestern als Ergebnis einer Studie vorlegte. Die Angebote der Nahrungsmittelindustrie, die speziell auf Kinder abzielen (in Aufmachung, Reklame, Rezeptur) wurden gründlich unter die Lupe genommen, und für überwiegend zu süß, zu ungesund, zu fett befunden. Trotzdem werden diese Produkte von der Marketingmaschinerie der Konzerne ungestraft als „gesunde Mahlzeit“ o.ä. angepriesen – während in anderen Ländern Reklame für Kinder sogar schon verboten ist, darf hierzulande noch gelogen werden, dass sich die Balken biegen. Natürlich sind auch die Eltern dafür mitverantwortlich, was die Kinder zu sich nehmen, aber solange die Unternehmen gehirnwäschegleich ihre Desinformationen ausstreuen, wird es für viele schwierig, Fakten von Märchen zu trennen. Ein Mitglied der Konsumpf-Facebookgruppe fragte zu Recht, was eigentlich in den Köpfen von Unternehmern, Herstellern, Werbeleuten, Händlern vor geht, dass sie hier nicht selbst die Reißleine ziehen – und statt dessen den eigenen Profit vor das Wohl der Kinder setzen.

Hier nun also zur Foodwatch-Studie „Wie die Industrie aus Kindern Junkfood-Funkies macht“:

Unausgewogene Produkte, perfides Marketing und überbordende Lobbyarbeit: Die Lebensmittelindustrie leistet keinen Beitrag zur ausgewogenen Ernährung von Kindern, sondern trägt massiv zur grassierenden Fehlernährung bei. Das belegt der Report „Kinder kaufen“, den foodwatch heute in Berlin vorstellte.

Das ist das Problem: In Deutschland sind 15 Prozent der Kinder übergewichtig, 6 Prozent sogar adipös – ihnen drohen Krankheiten wie Diabetes, Gelenkprobleme, Bluthochdruck und Herzerkrankungen. Im Vergleich zu den 80er und 90er Jahren ist der Anteil übergewichtiger Kinder um 50 Prozent gestiegen. Der wichtigste Grund für das Übergewichtsproblem: Kinder ernähren sich falsch. Sie essen zu viele Süßigkeiten, fettige Snacks und Fleisch, trinken zu viel Limonade; Obst und Gemüse kommen dagegen zu kurz.

Das ist der Stand: Ein umfassender Marktcheck von foodwatch zeigt: Das Angebot an industriellen Kinderlebensmittel besteht fast ausschließlich aus Süßigkeiten und Snacks. Dieses Junkfood drängt die Industrie den Kindern mit perfiden Marketingstrategien auf – und verhindert jede Regulierung, angefangen bei einer transparenten Nährwertkennzeichnung, durch massive Lobbyarbeit. Die Hersteller sind damit mitverantwortlich für die schlechte Ernährung der Kinder.

Das fordert foodwatch:
  • Industrie in die Verantwortung nehmen: Die Lebensmittelindustrie muss dort Verantwortung übernehmen, wo ihre Verantwortung tatsächlich liegt: In der Produktion ausgewogener Kinderlebensmittel – nicht in PR-trächtigen Alibi-Maßnahmen wie Bewegungsinitiativen und Ernährungstipps für den Schulunterricht. Die Verantwortung für die Fehlernährung von Kindern darf nicht auf die Eltern abgewälzt werden!
  • Kein Kinder-Marketing für Süßigkeiten: Produkte, die nicht ausgewogen sein können (wie Süßigkeiten) dürfen nicht länger als Kinderprodukte beworben und mit Comicfiguren, Spielzeugbeigaben, Gewinnspielen oder Idolen direkt an Kinder vermarktet werden.
  • Werbefreie Schulen: Schulen und Kindergärten müssen werbe- und PR-freie Räume werden.
  • Schluss mit der Alibi-Sport-Förderung durch die Industrie: Die Junkfood-Industrie ist kein geeigneter Partner für den Staat, für Schulen und Sportverbände wie den Deutschen Fußballbund (DFB). Sponsoring-Partnerschaften und gemeinsame Programme zur Bewegungsförderung oder Übergewichts-Bekämpfung dienen den Unternehmen als Ablasshandel und müssen beendet werden.

Verwandte Beiträge:

Drucken Drucken
Dez
05
2011
10

Angefüttert – Fernsehwerbung und ihr schädlicher Einfluss auf die Gesundheit von Kindern

Dass ich eine sehr skeptische bis kritische Haltung dem Treiben der Reklameindustrie gegenüber habe, dürfte ja mittlerweile bekannt sein. Ich frage mich immer wieder, wie diejenigen, die in dieser Branche arbeiten, es mit ihrem Gewissen vereinbaren können, Kampagnen für schlimmste Firmen und übelste Produkte zu konzipieren, in denen der Verbraucher bewusst getäuscht wird. Hauptsache Geld verdienen düfte da das Motto sein… Besonders schämen sollten sich auch all die Marketingfuzzis, die ihre Kreativität und Energie in Werbung für Kinder stecken und somit mit dafür sorgen, dass nicht nur eine frühe (und in meinen Augen abartige und schädliche) Marken- und Konsumprägung stattfindet, sondern auch die Gesundheit der Kinder angegriffen wird. Und man komem mir nicht mit der fadenscheinigen Ausrede, dass doch die Eltern für die Entwicklung ihrer Sprösslinge verantwortlich seien und man deshalb seine Hände in Unschuld wasche und nur unverbindlich „Verbraucherinformationen“ biete – schließlich versucht die Reklamebranche alles, um die Autorität der Eltern zu untergraben und damit ihre Produkte an den Erziehungsberechtigten vorbei ins Bewusstsein der zukünftigen Kundschaft zu hieven. Das ist zwar der perversen Logik des Marktes nach sinnvoll, gesamtgesellschaftlich jedoch fatal.

Just um dieses Thema ging es auch neulich in der 3sat-Sendung Nano, die in „Zielgenau platziert“ aufzeigte, welche Auswirkungen auf die Gesundheit der Kinder die skrupellose Bewerbung von Ungesundem im Fernsehen hat – zwar sagt einem das auch bereits der sogenannte gesunde Menschenverstand, aber es ist doch auch immer wieder schön, das von anderer Seite bestätigt zu bekommen. Leider wird hierzulande vom Gesetzgeber kaum zu erwarten sein, dass, wie es in einigen skandinavischen Ländern inzwischen üblich ist, strengere Regeln für Reklame oder sogar ein Verbot für solche Kampagnen eingeführt werden, und die Konsumenten selbst sind oft genug zu unkritisch oder zu passiv, um den Firmen für ihr Treiben Feuer unterm Hintern zu machen. Auch wenn der Fernsehbeitrag nur auf die direkten gesundheitlichen Folgen (und nicht die psychischen durch die Dauerbestrahlung mit Konsumbotschaften) hinweist, so freue ich mich doch, dass die Schädlichkeit von Reklame auch in den Medien mal thematisiert wird.

Zielgenau platziert
Werbung für Süßigkeiten im Kinderprogramm

“Alles spricht für eine bewusste Platzierung der Werbung im Umfeld von Kindersendungen”, sagt Tobias Effertz vom Institut für Recht der Wirtschaft in Hamburg.
Die meisten Werbespots würden gerade im Kinderprogramm geschaltet, zudem sei der Inhalt auf diese Zielgruppe abgestimmt. Kinder in Deutschland sehen so mehr als 12.000 Werbespots, deren jeder fünfte für Lebensmittel wirbt. Dabei, zeigt seine Auswertung von 16.000 Spots in 613,5 Stunden Sendezeit, gehe es bei 73 Prozent der Werbung um Nahrungsmittel mit “geringem Gehalt an Nährstoffen” und hohem Antiel von Fett und Zucker. Damit schneide Deutschland im Vergleich unter neun westlichen Industrieländern sowie China und Brasilien am schlechtesten ab.

In einer EU-weiten Selbstverpflichtung hatten sich elf Firmen verpflichtet, auf Werbung zu verzichten, die Kinder unter zwölf Jahren anspricht. Aber: “Die Situation hinsichtlich der auf Kinder gerichteten Werbung für ungesunde Lebensmittel ist trotz der freiwilligen Selbstverpflichtung der Industrie schlechter geworden”, sagt Effertz. Der Anteil an Werbung für ungesunde Lebensmittel habe in einzelnen Sendern sogar noch zugenommen. 2010 hat Effertz, seinerzeit noch an der schwedischen Uni Göteborg, gezeigt, dass Kinder auf Werbung ansprechen.

Bereits 2007 ist ein Team der Universität Liverpool im Experiment zu gleichem Ergebnis gekommen: Es hatte 60 Kindern im Alter von neun bis elf Jahren Werbeblöcke für Lebensmittel oder für Spielzeug gezeigt. Nach der Essenswerbung verzehrten die Kinder rund zwei Mal so viel an Snacks und Süßem wie nach der Spielzeugwerbung. Übergewichtige und fettleibige Kinder erwiesen sich dabei als noch anfälliger für die Verführungen des Bildschirms. Während die Kinder mit Normalgewicht ihre Nahrungsaufnahme um 84 Prozent steigerten, aßen die übergewichtigen Kinder um 101 Prozent, die Fettleibigen um 134 Prozent mehr.

Demgegenüber sagt Andrea Moritz vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL), dass Werbung bei der Entstehung von Übergewicht überhaupt “keine wissenschaftlich belegte Rolle spielt”. 600 Millionen Euro lässt die Industrie sich die Werbung für Süßigkeiten kosten.


Verwandte Beiträge:

Drucken Drucken

Konsumpf 2008 - Powered by WordPress | Aeros Theme | TheBuckmaker.com WordPress Themes